Haus und Hof

Unter dem Hause meine ich hier nicht allein das vergnügliche Obdach, das mir während meines Verweilens in Mecklenburg zum Ruheplatze angewiesen war, sondern auch die Seelen, die mit mir im Hause wohnten, vor Allem die meinige selber und auch die Seelen, welche sich, als näher befreundet, zu uns gesellten; unter dem Hofe aber den Fürstenhof, in dessen Dienst ich stand.

Was zunächst mich selber und meinen innersten Haushalt betrifft, so hätte mir dazu wohl eine Warnung recht gut tun können, welche dem Johann Friedrich Oberlin, von dem ich später noch reden werde, sein Vorgänger im Amte und väterlicher Freund Stuter gab. Dieser schrieb aus Straßburg, ein Jahr nach Oberlins Eintritt in seinen neuen Wirkungskreis im einsamen Steintal, an diesen: „Ich will Sie doch erinnern in Ansehung des Christentums, dass man auch selbst durch gute Werke davon abkommen kann. Sie sind hier (in Straßburg) bekehrt worden; wenn Sie nun draußen nicht wachen, nicht in Gott dringen, es so dabei bewenden lassen, dass Sie einmal bekehrt sind, dabei viel zu thun, viel zu denken, viele Projekte haben, so können Sie, bei Ermangelung eines stets erweckenden Umganges und anderen Ermunterungen, die man hier besser als draußen findet, wohl sich so zerstreuen, dass Sie nach und nach wieder kalt werden, und selbst durch Das, was man vor Gott zu tun pflegt, von Gott abkommen könnten. Ich ermahne also hiezu, am meisten immer in Gott und in seinem Geiste stark zu sein und zu werden: brünstig, geistlich, göttlich gesinnt zu sein. So wird und muss sich Alles geben, denn das steht uns Alles zu Gebot: weil wir Gott haben, so schützet, leitet, segnet er uns und lässt unser Werk nach Seinem Willen und Zwecke gedeihen.“


„Diese Ermahnung heißt sonst nichts, als wie sie wörtlich lautet; ich will darunter gar nichts Weiteres verstanden haben, sondern ich rede herzlich mit Ihnen, weil wir wissen, dass unsere Herzen mit einander verbunden sind und weil ich sonderlich hier sehe, dass Mancher, der bekehrt worden, hernach, wenn der erste Affekt vorbei ist, manchmal wieder lau wird, vorzüglich wenn er noch nicht zu einer männlichen Stärke gekommen war, und wenn er Gelegenheit hat, sich also zu zerstreuen, dass er immer meinen kann, er sei mit viel Gutem beschäftigt: so habe ich denn gedacht, ich wolle Sie auch einmal deswegen warnen, denn das Herz ist gar tückisch und schwer wie Blei; es sinkt immer, wenn es nicht immer gezogen wird. O, sonderlich finde ich gar nötig, zu beständiger Ermunterung unseres Herzens, und damit der rechte Geist des Christentums in uns immer angefacht werde, folgende zwei Stücke, Wort und Gebet; aus fleißiger Lesung der Schriften der Apostel weiß ich fast allein mein geistiges Leben zu stärken, und mich zum Gebete und durchs Gebet zu erwecken“ *). Als ich mehrere Jahre nachher in der Beschreibung von Oberlins Leben diese Stelle aus Stuters Brief las, da dachte ich mich sehr lebhaft in jene Zeit meines äußeren wie inneren Lebens zurück, die ich hier eben beschrieben. Hätte mein väterlicher Freund, der Pfarrer Schöner in Nürnberg, meinen damaligen Gemütszustand so erkannt, wie er war, und wie ich ihn jetzt erkenne, er würde sich gedrungen gefühlt haben, ganz dieselben Ermahnungen an mich zu schreiben, welche Stuter seinem jungen Freunde Oberlin gab, der doch in seinem Steintale ungleich weniger von den Gefahren der Zerstreuung, der Vereitelung wie der Störungen des inneren Friedens ausgesetzt, dabei auch innerlich schon ungleich befestigter war als ich. Aber meine Briefe, die ich an die Freunde Schöner, Kanne und Burger schrieb, waren besser, als ich selber, während des schriftlichen Verkehres mit ihnen war mir es immer, als sei ich bei ihnen in Nürnberg; das Herz erhob sich auf Augenblicke an ihr Herz und zu dem Frieden, der in diesem wohnte, sank aber, nach Stuters Ausdruck, sobald es durch die Kraft der Bruderliebe nicht mehr hinaufgezogen wurde, so schwer wie Blei wieder auf seinen erkaltenden Grund und Boden hinunter. Wenn mir aber auch aus der Hand der Freunde die Züchtigung und Ermahnung nicht zukam, deren ich bedurft hätte, so kam sie mir dennoch von anderen Seiten in reichlichem Maße zu und was da äußerlich am wehesten tun mochte, das ist für mich innerlich am heilsamsten und wohltätigsten gewesen. Ehe ich jedoch von dieser guten Zucht und Schule weiter rede, will ich zuerst einige Worte von meinen Mitschülern sagen und von den lieben Freunden, in deren Umgang und Nähe ich mich oft, wenn mir das Herz gedrückt war, erheiterte und erholte.

*) M. s. meine kleine Schrift: Züge aus J. F. Oberlins Leben. 8. Aufl. S. 39 u. 40.

Mein nächster Mitschüler war meine gute Hausfrau, welche noch etwas früher, denn ich, in die Schule unserer damaligen Heimsuchungen geführt wurde. Gleich nach unserer Zurückkunft von der Reise nach Doberan und nach der Insel Rügen erhielt sie Briefe aus der Heimat, welche ihr die schwere und, wie es schien, lebensgefährliche Erkrankung ihrer jüngeren Schwester meldeten und beschrieben. In jedem Briefe vom Hause wurden die Nachrichten immer betrübender, immer hoffnungsloser. Sie hatte ohnehin schon seit unserem Umzuge in die neue Heimat öfters von Anwandlungen des Heimwehes gelitten, diese Anwandlungen kamen jetzt stärker und heftiger; sie wurden während unseres ersten Winters in Mecklenburg zu einer bleibenden Gemütsstimmung, — um so leichter, da sie wohl wusste, dass auch ich bei den unsicheren Aussichten auf meine zukünftige Stellung mich weder heimatlich noch glücklich fühlte, so sehr ich auch meine innere Unruhe darüber auf allerhand Weise zu vertreiben und zu verbergen suchte. Dieses wirkte denn auch auf mich zurück, denn in mir hatte sich der Wurm des nagenden Heimwehes nach so mancherlei Geist und Gemüt erfreuenden Verhältnissen und Dingen, die ich früher gehabt, schon ziemlich tief eingefressen und es fehlte nur noch wenig, dass er mir ganz ins Herz drang und mir meine Freudigkeit auf lange Zeit dahin nahm. Dennoch war schon damals dafür gesorgt, dass mir diese Last nicht zu schwer, sondern von freundlich hilfreichen Händen erleichtert werde. Dieses geschah durch Freunde, welche mir zu meinem Troste zum Teil aus der Ferne her zugesendet wurden und welche bald mit meinem Hause und mit dem Hause meines treuen Lenthe eine Familie bildeten.

Die wohlwollende Frau Minister von Plessen hatte mir den Auftrag erteilt, ihr für ihre Kinder einen wackeren, guten Hauslehrer zu verschaffen. Ich schrieb deshalb an meinen brüderlichen Freund Lindner in Leipzig und dieser empfahl einen würdigen, jungen Theologen, der so eben seine Universitätsstudien beendigt hatte. Der Empfohlene wurde gewählt und die Wahl hätte keine glücklichere und bessere sein können. Leidenroth, so hieß der Kandidat, war aus der Nachbarschaft der güldenen Au gebürtig und hat auch nachmals in dieser Nachbarschaft, als Lehrer an der Klosterschule zu Roßleben, gelebt und gewirkt. In dieser güldenen Au habe ich auch später einige gar vergnügte Tage zugebracht und ich kann mich nicht enthalten, hier im Vorübergehen ein kleines, landschaftliches Bild derselben zu geben. Es ist ein Tal, durch welches die Unstrut ihren Lauf nimmt, gesegnet durch die reichste Fülle einer grünenden, blühenden, früchtetragenden Natur; geistig hochbegabt und verherrlicht durch die Erinnerungen an eine Vergangenheit, da der hochwüchsige Stamm des deutschen Volkes für lange Zeit seine kraftvollsten Blüten und Früchte getragen. Denn hier in Memleben hat der große sächsische Kaiser Heinrich I. oft und gern gelebt und ist da gestorben; der Mann, dessen tatkräftiges Leben und Wirken ein Zeitgenosse mit den wenigen, zugleich aber treffenden Worten beschreibt: „er griff immer nach der rechten Hand“ (wählte und tat immer das Rechte und Beste). Und dort nach dem anderen Ende des Tales hin steht der Kiffhäuser mit den Ruinen seiner Burg, darin nach der Sage und dem Liede unseres Volkes noch jetzt der alte Barbarossa ein Leben des Traumes lebt, bis dahin, wo der Traum zum Erwachen und zur Erfüllung wird. Ist doch der Traum der großen historischen Erinnerungen, welche noch fortwährend hier in diesem Tale leben, erst neuerdings in einer reichbegabten Menschenseele zum tatkräftigen Erwachen gekommen, denn da in Wiehe, in dem Hause, darin ich gastfreundliche Aufnahme gefunden, ist der deutsche Historiker Leopold Ranke, sind auch seine ebenbürtigen Brüder: Heinrich Ranke, der Theolog, Ferdinand Ranke, der treffliche Schulmann und Kenner des klassischen Altertums, so wie der wackere Ernst Ranke, der Professor in Marburg, geboren. Von ihnen allen, besonders dem Heinrich, werde ich später noch mehr sagen.

Nun, an diese Brüder haben mich die Hügel und fruchtbaren Gefilde ihrer heimatlichen güldenen Au, mit den Denkmälern der großen historischen Zeit gar lebhaft erinnert. Aber es gibt auch noch eine besondere alltägliche Naturmerkwürdigkeit in der güldenen Au: das ist die Unstrut. Ein Nil im Kleinen, langsam und fast träge fließend, reißt sie, wenn ihr Wasser hoch geht, nicht wie andere Flüsse oder Ströme, das Erdreich am Ufer mit sich fort oder überschüttet es mit Steingerölle und Sand, sondern sie führt bei ihrem ruhigen, geräuschlosen Anschwellen den fetten Schlamm ihres Bettes über die Felder und Fluren hin, womit sie diesen die außerordentliche Fruchtbarkeit gibt, welche in dem Namen der güldenen Au angedeutet ist. Allerdings könnte, ohne die Hilfe und Kraft des Menschen diese Überfülle des markigen Schlammes hin und wieder auch den Aufwuchs der Saaten ersticken. Darum gehört auch hier Fleiß und Wachsamkeit zur Lebensaufgabe des Landmannes, immerhin aber ist der still und ruhig dahinziehende Fluss dem Lande zum Segen gegeben.

Einen ähnlichen Eindruck als der ist, dem sein heimatlicher Fluss bei näherer Betrachtung auf die äußeren Sinne macht, hat mir das ganze Wesen meines Freundes Leidenroth in der Erinnerung zurückgelassen. Es lag in ihm ein guter, fruchtbarer Grund der christlichen Erkenntnis und der Gesinnung. Sein Bewegen aber auf diesem guten Grunde war ein so ruhiges und wenig Aufmerken erregendes, dass es einem unachtsamen Auge als ein Stillestehen erscheinen konnte, was es doch nicht war. Denn selbst in seiner Wirksamkeit als Lehrer bezeugte sich dasselbe als ein sicherer Fortgang zu dem vorgesteckten Ziele der geistigen Bildung und der christlichen Erkenntnis. In dieser Richtung machten wir bald gemeinschaftliche Sache. Leidenroth, so lange wir in Ludwigslust zusammenlebten, war der Freund und tägliche Genosse meines Hauses, welcher durch seine niemals getrübte, sich immer gleichbleibende Stimmung in Scherz wie im Ernste meiner eigenen Gemütsstimmung sich erheiternd und nach seinem Maße tröstend anschloss und dahingab. Friede sei mit diesem mir lieben, nun schon zu seiner Ruhe eingegangenen Mitwanderer auf einer der wenigst erfreulichen Strecken meines Weges durch die Fremde zur Heimat!

Da die Wahl des Lehrers für die Kinder der Frau Minister von Plessen so gut ausgefallen war, erteilte mir die Frau Baronesse von Bechtolzheim den Auftrag, auch für ihre Kinder einen Hauslehrer in Vorschlag zu bringen. Ich schrieb deshalb an meinen Freund Köthe und auf seine Empfehlung kam einige Zeit nachher noch ein anderer Kandidat der Theologie nach Ludwigslust: Adolph Zahn aus Wasserthalleben im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, anjetzt Pfarrer zu Giebichenstein bei Halle.

Bei dem Sprechen über einen noch Lebenden hinter seinem Rücken und zugleich vor seinen Augen gibt es immer Mancherlei zu bedenken. Nicht etwa nur wegen des Sprichwortes: „man soll den schönsten Tag nicht vor dem Abend loben,“ sondern in meinem gegenwärtigen Falle auch deshalb: weil gewisse Leute eine Art von Lichtscheu haben vor allem öffentlichen Gerede über sie, auch wenn dasselbe aus gutem Freundesherzen kommt. Dennoch will ich hier etwas mit Tinte abschreiben, was ich bei mir mit Bleistift geschrieben vorfinde, und was mir so ziemlich den Eindruck in die Erinnerung zurückruft, welchen Zahns ganze Persönlichkeit gleich bei der ersten Bekanntschaft mit ihm auf mich machte:

„Ein munterer Bursche, rotbackig und frisch, hoch und gerade gewachsen, doch aber nicht von gerader Haltung des Leibes, denn er geht immer ein wenig eingeduckt. Desto gerader aufrecht hält sich sein Herz, das habe ich ihm gleich bei dem Hereintreten in mein Zimmer an seinen guten, ehrlich und treuherzig blickenden Augen abgesehen. Ein Mensch ohne Falsch, ohne Versteck und Rückhalt. Er lacht gern mit Anderen, lässt sich aber zu seinen eigenen Scherzen, so wie zu seinen Worten Zeit. Zahn hat, wie mir scheint, eine Natur, welche eben so leicht empfänglich ist für erweckliche geistige Eindrücke als wohlbefähigt und geschickt zur Mitteilung des Empfangenen an Andere; ein Wesen, das, wie manche unserer leicht entzündlichen, chemischen Präparate, im Dunklen ganz lange unverändert und ohne sich zu rühren, da stehen kann, das aber, wenn ein kräftiger Lichtstrahl hineinfällt, alsbald sich entzündet und auch seine nächste Umgebung in Flammen setzt*). Ach, wenn doch die Herren Lehrer der Theologie an der Universität, die man als das andere Athen preist, in manche solche junge, leichtbewegliche Seele nicht das Licht ihrer Nachtlampen, sondern der Sonne; wenn sie doch das rechtkräftige einfältige Licht in sie hineinstrahlen ließen, für welches die Menschenseele gemacht und bereitet ist. Wie bald würden sie ein Leben aus dem Tode erwachen sehen, wenn sie nur das Wort in kräftige Anwendung auf die jungen Seelen setzten: „Er war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.“

Vergib mir, mein lieber Adolf, dass ich dich da zuerst mit Bleistift vor mich und etwa vor einen nahen Freund und nun auch mit Tinte, ja mit Druckerschwärze vor der Welt hingestellt habe. Wir wissen eben ein und das Andere, ich von dir und du von mir. Es ist aber Einer, der mehr von uns Beiden weiß, als wir selber. Er gedenke unserer nicht nach Dem, was wir sind und waren, sondern nach Dem, was Er selber für uns war und ist und bleiben wird.

*) Wie z. B. die Mischung von trockenem Chlorgas und Wasserstoffgas.

Noch sechs andere junge Kandidaten der Theologie fanden sich zu meiner Zeit in Ludwigslust. Einige von ihnen verstanden meine Sprache nicht, noch ich die ihrige, auch wenn wir allesamt entweder hoch- oder plattdeutsch mit einander sprachen. Andere aber sind mir sehr lieb geworden und namentlich denke ich in herzlicher Liebe an den Bruder meines Freundes Brückner.

So fand sich um mich her mancher ältere und jüngere Baum, in dessen Schatten sich's von Zeit zu Zeit ausruhen ließ. Aber die Saat im Boden, sollte sie aufgehen und erstarken, bedurfte der heißen Tage noch mehr als der kühlenden Schatten. Nun, die Hitze ist notwendig und gut, ohne sie könnten weder der Obstbaum, noch der Weinstock, noch das Getreide ihre Früchte reifen, nur kann das Alles die Hitze nicht für sich allein verrichten. Diese kann nichts tun, als die Keime, die im Boden liegen, hervortreiben, sowie die Blätterknospen und jungen Fruchtansätze entwickeln. Gibt es dann im Boden der Felder und Gärten neben den guten Pflanzen die Keime und Ansätze von Unkraut und Giftgewächsen, deren Gedeihen durch die trockene Hitze vorzugsweise begünstigt wird, da brechen diese zuerst und in besonderer Kraft hervor, so dass die gute Aussaat fast darunter erstickt und die Menschen wie ihre weidenden Herden statt der gedeihlichen, gesunden Nahrung nur den Tod in den Töpfen finden; der Wind, statt sich in den grünenden Saaten zu ergehen, rührt ganze Wolken von Staub auf, und schon die erste Frühlingswärme lockt am Weinstocke eine Menge der unfruchtbaren Ranken hervor, welche den fruchtbaren den Saft entziehen. Darum ist neben der Hitze auch das Wasser nötig, und beiden muss wohl auch die hilfreiche Hand des Gärtners zu Hilfe kommen. Die Regenwolken, welche in fruchtbaren Jahren öfters mit der Hitze wechseln, reinigen die Luft vom Staube, die Saat, wenn sie in gehöriger Fülle im Erdreiche liegt, wächst allmählich so dicht und hoch herauf, dass sie ihre Ähren frei über das niedere Unkraut und Giftgewächs erheben und sie dem vollen Genusse des Lichtes und der Luft zuführen kann. Und wenn der Gärtner die unfruchtbaren Reben am Weinstocke beschnitten und hinweggenommen hat, dann füllt das Wasser, das aus den Wolken kam, die Trauben der fruchtbaren Reben mit Säften, welche die wiederkehrende Sonnenwärme zum guten Weine veredelt.

In meinem inneren Leben hat sich, als die Hitze darüber kam, auch etwas Ähnliches zugetragen, als das ist, was nach der eben beschriebenen Weise bei großer, schnell eintretender Wärme in den Feldern und Gärten geschieht: der Staub ist zuerst aufgestiegen und hat die Luft verfinstert; das böse Unkraut ist neben und über der noch kleinen Saat hervorgetreten; die unfruchtbaren Reben haben sich groß und breit gemacht, bis der wohltätige Regen, manchmal unter Donner und Blitzen, kam, der mit seinem reinigenden Nass den Staub hinwegspülte, und bis der Gärtner die wilden, nutzlosen Zweige beschnitt. Die Hitze, ehe sie und als sie zu Wasser wurde, hat wehe getan; die Gewitter, so wie der Schnitt des Gartenmessers auch, aber dieses Alles ist mir recht gut und wohltätig gewesen.

Und so will ich denn hier den Verlauf der Geschichte meines Lebens und Wirkens in Mecklenburg während der letzten Monate des ersten und in der Zeit des zweiten Jahres meines dortigen Aufenthaltes nicht in ausgeführten Grundlinien, sondern nur durch einige Reihen von Punkten andeuten.

Der Herbst des Jahres 1816 ging ohne besondere Anfechtungen und Veränderungen dahin. Ich führte meinen angefangenen Unterricht bei der jungen Herzogin ruhig fort, teilte dem Prinzen Albrecht aus meinen inneren Vorräten mit, was ihm genießbar war, und erzählte ihm, in den Stunden des Ausruhens, die schönen Geschichten aus J. M. Arndts Märchen, die ihm eine unbeschreibliche Freude machten. An solchen Unterhaltungen nahm auch die liebliche kleine Prinzessin Helene lebhaften Anteil, und wenn dieses merkwürdige Kind, während ich etwa ein Mährchen aus Grimms Sammlung erzählte, so ernst und sinnend mich ansah, mit seinen Augen, die, wie aus einer großen Tiefe herauf, in die Tiefe des Sprechenden hineinzublicken schienen, da hat mich öfters ein Respekt ergriffen, dergleichen mir nur selten ein Erwachsener, niemals aber ein Kind, eingeflößt hatte. Ja, „ihre Engel sehen allezeit das Angesicht Gottes im Himmel,“ und wenn sich dann ein Abglanz dieses Anschauens aus solcher Umgebung und Nähe auch im Wesen und Blick eines der Kleinen zeigt, darf es uns nicht verwundern; doch mag es selten so wahrnehmbar und auffallend sein, als es mir dort einem schweigenden Kinde gegenüber gewesen. Von der glücklichen Wahl, die man an der nächsten Umgebung dieses Kindes getroffen, sprach ich schon vorhin (S.46). So wohltuend und passend aber, wie diese weibliche Zucht und Pflege, schien mir die nicht, in welcher sich damals noch mein lieber Prinz Albrecht befand. Mir schien es hohe Zeit für ihn, dass sein überaus reizbares Naturell unter eine beständige männliche Aufsicht und Leitung gestellt würde, und dieses ist auch bald nachher in ganz geeigneter Weise geschehen.

O. von Brandenstein, ein Jüngling von edler, guter Zucht an Gesinnung und Sitte, festem Willen und liebevoll weichem Gemüte kam als Gouverneur zu dem Prinzen. Wir beide, in unserem gemeinsamen Berufe bedurften keine lange Zeit, um uns gegenseitig bekannt zu werden; ich freute mich von Herzen an dem Gewinne, den diese neue Bekanntschaft mir und vor Allem meinem geliebten Prinzen brachte: aus der Bekanntschaft hat sich allmählich ein Band der Freundschaft und Liebe entsponnen, das treulich fest gehalten hat und festhalten wird.

So sah es in der Werkstätte meines damaligen Lebens aus, diese schien, wie durch ein gutes, haltbares Dach, gegen Regen und Sturm geschützt, es blieb da friedlich still. Und wohl gut, wenn man draußen in der Welt nichts zu tun hatte, denn da war schlimmes Wetter, was auch den Merkur im Wetterglase, obgleich dieses unter dem Schutze des Daches stand, so heftig affizierte, dass derselbe in tiefes Sinken geriet.

Ich weiß nicht recht, in welcher Weise und aus welcher Weltgegend die Witterungsveränderung heranrückte, ich berichte die Dinge eben so, wie sie mir eines nach dem anderen in die Erinnerung kommen.

Der erste Band meines „Alten und Neuen“ war erschienen. Dass dieses kein Buch sei, durch dessen Inhalt und Form ich mich bei Hofe und im Lande empfehlen könne, das wusste ich wohl, doch dachte ich nicht, dass der in den Teich gefallene Stein das Wasser in so weiten Kreisen herum und so stark in Bewegung setzen würde. Man hatte das Buch selbst in Weimar und Jena gelesen, und mein guter, alter Knebel schrieb darüber etwas unmutig an unsere gemeinsame Freundin, die Caroline von Bose; sagte es unverhohlen, dass, wenn ich noch weiter fortführe, Bücher der Art zu schreiben, es mit dem guten Rufe und Zutrauen, das ich mir durch meine früheren Schriften erworben, für immer aus sein werde. Ja, ein Konsistorialrat aus Weimar, der mich mehrere Jahre nachher auf seiner Durchreise durch Erlangen besuchte, und den ich früher in Herders Hause gesehen, sprach sich über das Buch mit einer Erbitterung aus, und in Worten, welche mir an einem Manne von seinem Stande und seiner Bildung eben nicht geziemend erschienen. In Mecklenburg aber schrieb Einer ein Büchlein, darin er mich, der ich nach meiner Stellung kenntlich genug gemacht war, als einen Auswurf bezeichnete, den das sonst respektable, aufgeklärte Sachsen hervorgebracht, und den man durch ein unbegreifliches Versehen nach Mecklenburg geholt habe. Nun, auch bei Hofe nahmen Manche von dieser meiner literarischen Versündigung Notiz, und teilten, was sie davon wussten, auch Anderen mit. Man konnte ja nicht anders, als meiner vor der ganzen gebildeten Welt sich schämen; ich aber schämte mich nicht.

Es kam aber noch etwas Erschrecklicheres hinzu. Mein junger Freund: der vorhin erwähnte Adolf Zahn (S. 159) vorher ein gar entschiedener Rationalist, war eben auch von meinem Pietismus und Mystizismus angesteckt worden. Und zwar so stark, dass er nicht wieder davon hat loskommen können, sondern vielmehr von Jahr zu Jahr tiefer und gründlicher hineingeraten ist. Ich hatte mir von der Raw'schen Buchhandlung unter anderen mehrere gute Bücher von Goßner kommen lassen. Darunter war auch ein in der Welt gar viel verschrieenes und angeschwärztes Büchlein: „das menschliche Herz in Bildern“, welches Goßner aus dem Französischen übersetzt und bearbeitet hatte. Darin sind auch die Leidenschaften und Laster, welche das Menschenherz ins Verderben führen, unter dem Bilde von allerhand unreinen Tieren vorgestellt, z. B. die Völlerei unter der Gestalt eines Schweins. Zahn hatte ein solches Büchlein in seinen Händen; der Text ist voll tiefen Ernstes und wahrhaft ergreifender Innigkeit, er gibt den Bildern ihre Bedeutung. Der junge, unbefangene Lehrer „las eifrig darin mit den beiden Kindern, die er zu unterrichten hatte. So kam das Büchlein unter die Hofleute. Man präsentierte es beim Tee. Selbst der alte Herr Großherzog nahm im Vorbeigehen eine Notiz davon. Hatte freilich wohl die Sache nicht recht angesehen und verstanden, denn als er einige Tage nachher im Vorbeireiten einen seiner begünstigten Bekannten am Fenster sah, rief er hinauf: „Hören Sie ***, der große Doktor und Professor: der Herrnhuter, verbreitet Bücher, worin ein Schwein verklärt wird.“ Er ritt darauf laut lachend weiter, hat nach seiner Art die Sache wohl auch bald wieder vergessen. Andere aber nicht so leicht und bald, denn solche Getiere wie in den Bildern dargestellt waren, konnten und wollten die Leute nicht in ihren Herzen sehen. Doch äußerte eine Dame: der Text im Buche sei schon zu gebrauchen, die Bilder aber gar zu roh*)“.

*) Die vorstehende Stelle enthält nicht meine Worte, sondern die eines genau unterrichteten Freundes.

So hing mir nun die schwarze Note eines Mystikers und Pietisten vor den Augen aller Leute an, und nur wenige Freunde ließen sich davon nicht irre machen. Freilich konnte man es den Leuten auch nicht so sehr verargen, wenn sie sich unter der schwarzen Note, womit man mich bezeichnet hatte, allerhand wunderliche und gräuliche Dinge dachten. Abgesehen von Dem, was die „Sachkundigen“: die Herren Theologen und andere Männer von gelehrter Bildung über den Pietismus und Mystizismus aussagten, brachte man auch unter diesem Titel gar vielerlei Dinge an, welche mit dem Frommsein und mit der Frömmelei nichts zu tun hatten. So erinnere ich mich noch gar wohl der seltsamen Warnung vor naher Todesgefahr, welche mir eine Dame in Ludwigslust wegen meiner Anhänglichkeit an den Pietismus gegeben. Es war länger als ein Jahr nach dem Ausbruche jenes Rumors, welchen die mir zugeschriebene Lehre von der „Verklärung eines Schweins“ bei Hofe erregt hatte. Die Ermordung Kotzebues (am 23. März 1819) war so eben durch die Zeitungen bekannt geworden, da begegnete mir die Dame unter der Lindenallee, welche rechts vom Schlosse nach dem Kirchenplatze hinanfuhrt. Sie war nie meine Freundin gewesen, aber ihr weiches Herz ließ es ihr doch nicht zu, mich so ungewarnt in den Tod gehen zu lassen. Sie trat einige Schritte gegen mich heran, grüßte mich und fragte mich, ob ich denn auch schon von der Ermordung Kotzebue's durch Sand gehört habe? Ich bejahte dieses, denn ich kannte die Zeitungsnachricht. „Man hat“, fuhr die Dame fort, „bei dieser Gelegenheit einen großen, geheimen Bund entdeckt, dessen Mitglieder sich verschworen haben, alle Mystiker und Pietisten, ebenso wie den berühmtesten derselben, den Kotzebue, zu ermorden. Das sollten sich doch Alle zur Warnung dienen lassen, welche dem Pietismus huldigen, denn wenn es dem Vornehmsten unter ihnen so erging, was haben die Anderen zu erwarten?“ Ich dankte der Dame für ihre Mitteilung, konnte mich aber weder damals, noch späterhin daran erinnern, dass man den H. v. Kotzebue unter die Mystiker und Pietisten gezählt habe.

Noch ein anderer Verdacht war gegen mich aufgekommen, welcher mit der Ansicht, die man von mir als Mystiker hatte, Hand in Hand ging. Man hielt mich für einen argen heimlichen Revolutionär und Demokraten. Der gute, treugesinnte Prinz Adolf (S. 60), an den ich in herzlicher Liebe denke, hatte diesen Verdacht einmal ganz offen gegen mich ausgesprochen, war jedoch durch Das, was ich ihm darauf erwiderte, wie mir schien, für immer beruhigt worden. Nun muss ich wohl sagen, dass ich, wenn ich jetzt in meinen alten Tagen über mich und mein vergangenes Leben nachdenke, gar Vieles in und an mir sehe und erkenne, das ich bereue, und dessen ich mich von Herzen schäme, aber einen Hang zum Aufruhr und zur Demokratie bin ich unter all' dem Geschmeiß, dass sich in meiner Natur geregt und bewegt hat, niemals gewahr worden. Wird mir auch kein Mensch etwas der Art nachsagen, der meine Natur einigermaßen kennt, denn diese ist der Stille und der althergebrachten Ordnung zugeneigt, hat für die Politik gar keinen Sinn, ist allem Rumor in der Welt ganz abgeneigt, würde sich viel besser zum Stande eines Fischers oder Bernsteinklaubers in Hiddensee (S. 135) schicken, als zu dem eines hochberedten Mitgliedes, im englischen Parlamente.

Ich kann mir aber wohl denken, auf welche Weise ich mir den Ruf eines Demokraten zugezogen hatte. Ein Buch des Fr. v. Meier, den ich sehr hoch hielt, war kurz vor jener Zeit erschienen: eine Übersetzung aus dem Französischen. Der Übersetzer selber hatte sich nicht bei seinem Namen, sondern Jaschem genannt; der eigentliche Verfasser aber war ein sehr ernstgesinnter französischer Geistlicher gewesen, welcher die Greuel der Revolution erlebt hatte. Das Buch enthielt bittere Wahrheiten über den allgemeinen Abfall der Christenheit von dem einigen, festen Grunde ihres Glaubens, über die Verdorbenheit namentlich der höheren Stände und des Lehrstandes. Dabei war es voll furchtbar lautender Weissagungen von den herannahenden Gerichten Gottes, zunächst über Paris und dann über alle Herrschersitze des Unglaubens, der Fleischeslust, Augenlust und des hoffärtigen Wesens. Mein Freund Kanne hielt viel von dem Buche, und ich hatte es nicht nur mit großer Aufmerksamkeit gelesen, sondern als ein ganz unbefangener, ungeschickter Prediger in der Wüste sprach ich die Ansichten von der nahe drohenden Zukunft, die ich sehr unreif aus jenem, so wie manchem anderen Buche ähnlichen Inhaltes entnommen hatte, überall, wo ich Gelegenheit dazu fand, ganz unverhohlen aus. Das hatte mich, wie es so von Mund zu Mund gegangen, in den Verdacht gesetzt, als wolle ich selber mit Hand anlegen, dass der große Brand ausbräche, der alle Herrlichkeit der Welt in Staub und Asche legen sollte. Auch hatte ich den Ernst Moritz Arndt, so wie den Friedrich Ludwig Jahn, den Altmeister der Turnkunst, sehr lebhaft gegen ungerechte Beschuldigungen und Verleumdungen verteidigt, und hatte dieses einige Male selbst gegen sehr hochstehende Personen oder in ihrer Gegenwart getan. Darum wird man es den Leuten nicht verdenken, dass sie mich für einen rechten Demokraten hielten, mir aber auch nicht, dass ich mir ihr Dafürhalten nicht sehr zu Herzen nahm.

Zu dem Beinamen „der Herrnhuter“, dessen ich mich übrigens gar nicht würde geschämt haben, obgleich ich wirklich keiner war, bin ich in Ludwigslust, wie ich schon vorhin (S. 166) sagte, auch gekommen. Die erste Veranlassung dazu mag wohl das gegeben haben, dass ich an der Bekanntschaft eines Mannes, der einen Handel mit Kunstsachen betrieb, und dadurch selbst in Geschäftsverkehr mit dem Großherzog stand, ein besonderes Wohlgefallen fand.

Der Mann hielt sich dem Namen nach zu der Brüdergemeinde, hatte aber weder äußerlich, noch auch, wie mir schien, innerlich das Wesen eines Herrnhuters an sich, sondern war von sehr humorischem Naturell, hatte viele Reisen gemacht, seltsame Abenteuer bestanden, viele interessante Erfahrungen und Anschauungen gesammelt und konnte so vortrefflich erzählen, dass ich ihm sehr gern zuhörte, auch vieles Lehrreiche aus dem Leben von ihm auffasste, das mir noch jetzt in der Erinnerung geblieben ist. Er kam in seinem Geschäfte öfters nach Ludwigslust, und ich sah ihn beim Maler Lenthe so wie in meinem Hause. Außer all' dem eben Erwähnten mag man mir wohl noch sonst Vieles nachgesagt oder von mir ausgesagt haben, was mir entweder gar nicht zu Ohren oder aus dem Gedächtnisse gekommen ist. Doch so viel ist gewiss, dass der Kredit und Ruf, darin ich bei der feinen Welt stand, eben kein feiner war. Und dem gegenüber muss man sich meine ganz unhöfische Persönlichkeit denken, die mich selber an jenen Schulmeister erinnert, der vom Lande herein in die Hauptstadt versetzt worden war und dahin seine alte Gewohnheit mit sich genommen hatte, jedem Gönner oder anderen Menschen, mit dem er bekannt geworden war, er sei vornehm oder gering, Herr oder Dame eine Patschhand zu geben, so dass die Leute, wenn sie ihn auf der Straße kommen sahen, lieber in eine Nebengasse einbogen, nur um vor seiner zutraulichen Patschhand-Begrüßung in Sicherheit zu sein. In meiner kindischen Eitelkeit hätte ich gern aller Welt gefallen mögen, weil mir, ohne dass ich dieses erkannte, die Welt selber gefiel. Dass mir dieses nun jenes Mal gar nicht glücken wollte, sondern dass alle Welt, so wie es in der Oper „die Schweizerfamilie“ heißt, welche ich in Ludwigslust bei Hofe aufführen sah*), gleichsam davon lief, „wenn sie mich nur von Weitem sah“, das wollte meinem Naturell gar nicht gefallen, sondern tat demselben doch recht wehe. Ich fühlte mich, wie ich schon oben sagte, recht verirrt und verlassen, wie in einer Wüste, wo ich weder Steg noch Weg zum Hinauskommen sah. Denn so viel ich auch über die Zukunft der ganzen europäischen Christenheit schwatzte, hing mir doch vor meiner eigenen Zukunft ein dichter Schleier.

Nun, ich will es kurz mit der Beschreibung meiner damaligen Stimmung und Lage machen: das wahrhaft krankhafte Heimweh meiner lieben Hausfrau war in so gesteigertem Maße über mich gekommen, dass ich den Ausbruch bei mir nicht mehr verhindern konnte, und ich erinnere mich noch wohl, dass mich der Zorn über mein unbesonnenes Hinweggehen aus Nürnberg einmal in einem solchen an mir sonst wohl selten vorgekommenen Maße ergriff, dass ich den Hut auf einem Spaziergange heftig zur Erde schleuderte, und die innere Nachwirkung dieser Zornwut noch lange nachher spüren musste. Aus dem Zorne wurde eine Wehmut und Kleinmütigkeit, die mich fast zur Verzweiflung brachte. In solcher tiefgedrückter Stimmung schrieb ich an meinen teuren Lehrer Schelling und dieser antwortete mir darauf in einem Briefe vom 13. November 1817, aus welchem ich hier einige Stellen heraushebe.

- - „Was soll ich Ihnen über den Inhalt Ihres letzten Schreibens sagen? Zuerst, dass ich Ihnen für die treue Darstellung aller Umstände danke. Ich sehe daraus, dass Sie mir so weit vertrauen, als ein Mensch dem anderen vertrauen soll, und Sie haben sich in mir nicht geirrt, wenn Sie auf meine herzliche Teilnahme rechneten. Könnte ich nun nur mehr tun, als bloß diese mit Worten beweisen, Ihnen mit Rat, wenn auch nicht mit Tat, beistehen. Denn dass Sie in der gegenwärtigen Lage in die Länge nicht bleiben können, sehe ich völlig ein. Inzwischen tragen Sie dies Kreuz mit Geduld, unter Glauben und Hoffnung. Es wird gewiss anders werden, wenn wir es auch gleich jetzt nicht einsehen noch begreifen. Wie manche schnelle und unerwartete Veränderung ereignet sich in unseren Tagen. - - - So bleibt denn nichts als das stille Harren, unter der großen Zuversicht, dass, wo die Not am größten, die Hilfe am nächsten. Der leidigste Umstand ist die Wirkung der dortigen Umgebung und Verhältnisse auf Ihre liebe Frau. Suchen Sie diese also vor allem auf andere Gedanken und ihr Herz wieder in die Höhe zu richten. Dieses ist, was ich Ihnen jetzt schreiben kann — wenig, wenn mit meinem innigen Wunsch verglichen, Ihnen irgend woher Hilfe, oder doch kräftigen Trost zu zeigen. Allein diese gibt nur der innere, weil uns liebende, unsere Schwachheit sanft teilende, aber auch uns vertretende, helfende, rettende Geist. Diesem empfehle ich Sie, und bitte Sie, festzuhalten in der Liebe zum Gemeinsamen, und durch dieses auch zu Dem, der Ihnen hierin verbunden ist und bleibt Ihr treuergebener.“

So wenig auch Schellings Brief mir, was ich wohl gehofft hatte, ein Licht über meine nächste Zukunft, einen Fingerzeig auf einen Ausweg aus meiner damaligen Stellung geben konnte, war er mir dennoch sehr tröstlich und bekräftigend gewesen. Auch hatte er, in einer Stelle des Briefes, die ich hier weggelassen habe, weil sie auf Verhältnisse sich bezieht, in welche Schelling selber durch die Misshelligkeiten mit Jacobi getreten war („es ist Alles zerrissen und aus den Fugen“) mich ermahnt, dem so wohlwollend gegen mich gesinnten Herrn Minister von Lerchenfeld meine Lage zu eröffnen. Dieser könne für meine Zurückberufung nach Bayern das Beste tun. Wie dieses geschehen und was die Folge davon gewesen, das werde ich nachher sagen.