Von der Gesundheit der Menschen im Allgemeinen, und von der Gesundheit und der Anlage zu Krankheiten unserer Generation

Die Gesundheit des Menschen ist eine bedingte, eine relative; die Alten bezeichneten sie mit guter und schlechter Gesundheit, (valetudo bona et adversa); solche ist im Allgemeinen abhängig von unserer Abkunft, unserer ersten Ernährungs-Weise, von dem Klima und der spätern Lebensart.

Der Vater, die Mutter, tragen ihre Gesundheit auf den Erzeugten über; wir tragen die ererbte Gesundheit, die ererbten Schwächen und Sünden unserer Ältern auf unsere Kinder über. Die Alten begingen auch Sünden wie wir — allein! sie führten eine andere Lebensweise, und kämpften nicht, wie wir, mit unnatürlichen Schwachheiten, die der fortschreitende Luxus erzeugt. Daher hat auch unsere Generation wohl nicht mehr jenen Grad von Gesundheit wie unsere Vor-Ältern, daher haben wir mehr Anlage zu Krankheiten, wie jene, und werden davon leichter und öfter befallen. Wie die Gesundheit des einzelnen Menschen, so ist auch die Gesundheit der Geschlechter, der Familien, der Völker, der Nationen, verschieden, relativ, und auch die Nationen stehen daher auf verschiedenen Graden der Gesundheit — nach deren physischem und moralischem Bestande.


Wir kennen Völker, die bei naturgemäßer, einfacher Lebensweise, und vielem Aufenthalte in freier Luft einer dauerhaften Gesundheit genießen, und selten nur von Krankheiten heimgesucht werden: wir sehen dagegen Völker, die Abkömmlinge von Ältern, die durch naturwidrige Lebensweise, durch verkehrte Erziehung, durch Leidenschaften und Weichlichkeit ihre Gesundheit zerstört hatten, und die mit mehr oder weniger entkräftetem oder siechem Körper erst Kinder zeugten, die in relativ schlechtem Gesundheits-Zustande und in großer Krankheitsanlage sich befinden und die bei fortererbten wirklichen Familien - Krankheiten in seltenen Fällen nur einer dauerhaften Gesundheit genießen.

Bei unserer Generation sehen wir ganze Geschlechter, ganze Familien, an angebornen Krankheiten dahin welken, allmählich aussterben, während andere Familien einer dauerhaften Gesundheit genießen, deren Mitglieder ein hohes und frohes Alter erreichen.

Die Griechen und Römer, die Gallier und alten Deutschen zogen zu Hunderttausend in Krieg, fochten unter sehr verschiedenen Klimaten jahrelang, und die Geschichtsschreiber erwähnen nicht, dass sie viel durch Krankheiten gelitten hatten; während unsere Heere, die doch aus dem relativ gesündesten Kerne der Völker bestehen, wenn sie zu Tausenden aus der Garnison ins Feld ziehen, nach wenig Wochen schon den sechzigsten bis vierzigsten Mann krank haben und später die Spitäler mit Hunderten füllen. In den letzten Kriegen von 1793 bis 1815 sind sehr wahrscheinlich dreimal mehr Opfer durch Krankheit, als in den Schlachten gefallen.

Die alten Schriftsteller sagen uns auch nicht, dass die epidemischen Krankheiten damaliger Zeit so verheerende Verwüstungen, und so häufige Todfälle veranlassten, und dass ganze Geschlechter an bestimmten Krankheiten dahin und ausgestorben sind, wie dies seit mehreren Jahrhunderten in Europa der Fall ist.

Wahr ist es daher, dass unsere Generation mehreren Krankheiten unterworfen ist, dass die Krankheits-Anlage wohl größer, der Übergang in wirkliche Krankheit leichter, dass unsere Generation bedingnisweise weniger gesund und kräftig ist, wie jene des Altertums, wie unsere Vorältern; wahr ist es, dass unsere Jugend nicht jenen frohen Sinn, jene Lebensfreude, Tätigkeit äußert, die sonst diesem Alter eigen waren, dass man in unserer Zeit viele Jünglinge und Mädchen mit ernsten und alten Gesichtern freudenlos dahin wanken sieht; und dass man 14 bis 20jährige, lebenssatte Selbstmörder in unserer Zeit findet!

Woher wohl dieser Wechsel, dieses Versinken der physischen und auch moralischen Lebenskraft unserer Generation? Einige Ärzte finden den Grund hievon in dem durch mehrere Generationen vernachlässigten Gebrauche der Bäder, als eines der vorzüglichsten Mittel zur Erhaltung einer dauerhaften Gesundheit: ich stimme dieser Meinung in so weit bei, erachte aber, außer der oben angegebenen allgemeinen Ursache der Erbsünden, als Hauptgrund der sichtbaren Schwächung der physischen und zum Teil moralischen Lebenskraft unserer Generation die dem Naturgesetze widersprechende, verkehrte physische und moralische Erziehungs-Weise des vorigen und des gegenwärtigen Jahrhunderts.

Die Pflanze, das Tier, und auch der Mensch bedarf einer bestimmten Zeit, in der er naturgemäß nur stufenweise seine körperliche Ausbildung vollendet. Zum Nachteil seiner körperlichen und geistigen Gesundheit, insbesondere zum Nachtheile seines Fortpflanzungs-Vermögens bemüht sich die Treibhaus-Erziehung des vorigen und noch mehr die des gegenwärtigen Jahrhunderts, jene bestimmte Zeit abzukürzen, und unsere Kinder körperlich und geistig vorzeitig auszubilden. Diese Erziehungs-Methode erziehet uns Virtuosen und Philosophen des Alters von 6 bis 12 Jahren, und diese kurzsichtige Generation erfreut sich des Anblickes solcher Wunder- Kinder! —

Doch ich kehre zu Meiner Aufgabe zurück, und sage, unsere körperlich schwache und zu Krankheiten geneigte Generation bedarf des Waschens des Körpers und des Bades als eines Mittels, wodurch wir die Anlage zu Krankheiten mindern und auch Krankheiten heilen können, und schließe mit Hufeland: „Der Wunsch ewiger Jugend ist der schönste, den ich kenne; das Baden kann, wenn nicht ewige, doch lange Jugend gewähren; denn es erhält alle festen Teile weich und geschmeidig, und die Gelenke biegsam, und arbeitet also jener schleichenden Krankheit, die wir Alter nennen, und die in Vertrocknung und Steifigkeit unserer Teile besteht, immer kräftig entgegen. Im Bade haben wir das beste Mittel, allen schädlichen Einflüssen unsers unbeständigen Klimas und unserer Lebensart etc. entgegen zu arbeiten, und wieder gut zu machen, was jene Gesundheitsfeinde verdarben.“

Das Bad ist das große Mittel, sich auf einige Zeit dem ganzen Einfluss der Atmosphäre zu entziehen.

Ich kenne auch in der Tat keine angenehmere, keine wohlbehaglichere Empfindung als jene, die ich empfand, wenn ich an heißen, schwülen Sommertagen dem so lästigen Elemente der schwülen Luft auf einige Zeit mich gänzlich entzog, und mich im Kanale oder im See badete, im Wasser und unter demselben umherschwamm. Wie erfrischend, und wie erquickend ist nicht diese Leibes-Übung, welches Gefühl des Wohlseins durchströmt den Körper, in und unmittelbar nach dem Seebade, das, könnte man es fixieren, oder aus der Apotheke verschreiben, das größte und wohltätigste Heilmittel der Kunst, für keinen Preis zu teuer erkauft würde!


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bade- und Brunnenarzt
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