Von dem Waschen und Baden des menschlichen Körpers in alter und neuer Zeit

Das Waschen und Baden des Körpers ist wohl so alt als der Mensch.

Die ältesten Völker des Orients haben gebadet, Inder, Perser, Hebräer, Ägypter, Assyrer, Scythen, auch die alten Deutschen folgten dieser Gewohnheit, und im ganzen Orient ist diese Volkssitte noch gegenwärtig allgemein und durch Religions-Gesetze geheiligt.


Das Waschen und Baden der Ägypter, das Moses zum Hauptgesetz machte, ging von diesen durch Pythagoras und Plato zu den Griechen über, auf eine Weise, dass es bei diesen zum Sprichwort wurde: „Das Meer wäscht alle Übel des Menschen weg.“

Der alten Griechen Neigung und Geist zur wissenschaftlichen Beobachtung erhob die regellose Anwendung der Bäder zur kunstgemäßen; Herodicas soll am ersten deren kunstgemäßen Gebrauch in Verbindung mit Friktionen und Einreibungen zur Erhaltung, zur Stärkung, und zur Wiederherstellung der Gesundheit angeraten haben, und Hippocrates, dessen Schüler, gibt uns schon umständlichen Bericht über die Anwendung der Bäder zur Stärkung der Gesundheit, und als Heilmittel in Krankheiten; und belehrt uns über den Nutzen und Nachtheil derselben.

Die Römer badeten. Und unter dem Einfluss der griechischen Ärzte in Rom vervielfältigten sich die öffentlichen und privaten Badeanstalten daselbst, die durch ihre Größe, Erhabenheit und Zweckmäßigkeit unsere Bewunderung und Erstaunen erregen.

Zur Zeit der Kaiser bestanden in Rom zwölf öffentliche große Bäder zum allgemeinen Volksgebrauche, und gegen achthundert Privat- Bade-Anstalten.

In diesen großartigen Werken der Baukunst war dafür gesorgt, dass der das warme Wasser- oder Dunst-Bad Verlassende im anstoßenden stark erwärmten Zimmer wohl abgetrocknet, gesalbt und frottiert werden konnte; von da gelangte er in ein zweites, weniger stark erwärmtes Zimmer; aus diesem in ein drittes, und viertes, um allmählich zur, kälteren äußeren Luft überzugehen. Nun konnte er in einem gegen Mittag gelegenen, gegen Windzug geschützten Zirkus das Sonnen-Bad nehmen, und sich bewegen, um die gleichmäßige Erwärmung des Körpers, und die naturgemäße Ausdünstung der Haut in Bälde wieder herzustellen. In einer andern Abteilung des weitläufigen Gebäudes gegen Abend und Norden, gaben Zimmer und Gewölbe Schatten und Kühlung an jenen Tagen, wo durch die große Sonnenwärme die äußere Luft schwül und lästig war. Ein großer Platz gab den Badenden Gelegenheit zum Spaziergange und zur , Leibesübung, zu gymnastischen Spielen, mit gegen, Mittag gelegenen Terrassen für die Zuschauer.

Diese weitläufigen Bade-Anstalten, zur Erhaltung und Stärkung der Gesundheit, zur Verhütung der Krankheit, und zur Heilung derselben bestimmt, waren auf das zweckmäßigste eingerichtet und administriert von Hausbeamten und einer großen Anzahl wohl unterrichteter Diener, um jene Zwecke der Badenden sicherer zu erreichen, und die Bequemlichkeiten derselben zu fördern.

Allein nicht nur in Rom, sondern auch auf den Dörfern, in den entferntesten Provinzen — für. die an den Grenzen des Reiches liegenden römischen Legionen wurden solche Bäder errichtet, wie wir aus den Ruinen solcher Bäder bei Neuwied, Bodenweiler, Baden an der Limat, Wiesbaden — noch heute ersehen.

Das Baden war somit allgemeine Sitte des römischen Volkes, und der größere Teil der bedeutenden Privatgebäude und Landhäuser hatte seine eigenen Bäder.

Die Ruinen und die noch sichtbaren Reste jener Thermen, die mit allem versehen waren, was der Geschmack und Luxus jener Zeit forderte: jene des Agrippa, des Constantins, des Caracala, in denen über 3.000 Menschen zu gleicher Zeit baden konnten; das Diocletian, zu deren Erbauung 40.000 Christen, nach Angabe, verwendet wurden, und andere, führen uns zur Vergleichung und Überzeugung, wie klein und gering, wie viel weniger zweckdienlich die Bade-Anstalten unserer Zeit — auch die gepriesensten, gegen jene Roms und Griechenlands — sind.

Doch auch jene großartigen Thermen unterlagen wie das römische und deutsche Reich, der gesetzlichen Zerstörung der Zeit: — die Bäder kamen in Abnahme und Verfall, und erst im achten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung brachten arabische Ärzte den kunstgemäßen Gebrauch der Bäder im Orient und auch in Spanien wieder in Ansehen.

Durch Karl des Großen Liebhaberei zu baden und zu schwimmen, und seine Söhne, Freunde und Hofleute baden und schwimmen zu lassen, wurde der Gebrauch der Bäder im übrigen Europa mehr verbreitet. Die Kreuzzüge nach dem Orient, die von dort mitgebrachten Hautkrankheiten, der Aussatz etc. und die sogenannten Seelenbäder (balnea animarum), die durch die Klöster gepflegt wurden, brachten die Bäder mehr in Gebrauch und zu Ansehen.

Allein der Missbrauch der Bäder und vorzüglich die bei dem Gebrauch derselben herrschende Sittenlosigkeit des vierzehnten Jahrhunderts, die Verbreitung der Lustseuche, die Ansteckung und Mitteilung dieser damals furchtbaren Krankheit in den gemeinschaftlichen Bädern, bereiteten den allmählichen Verfall der öffentlichen und gemeinschaftlichen Volksbäder, besonders in Deutschland. Die Baderstuben, wo der gemeine Mann sein Bad einzeln nahm, und sich schröpfen ließ, kamen dann mehr in Aufnahme und Gebrauch. Das Baden zu gewissen Zeiten und Umständen blieb damals Pflicht und Gewissenssache. Dem Ritterschlag mußte Jedesmal das Bad, der kirchlichen Trauung das sogenannte Brautbad, vorangehen; kein Hochzeitgast durfte ungebadet erscheinen, und die Handwerksbursche wurden Sonnabends von einem Chor-Badejungen durch Beckenmusik zum Bade eingeladen. Viele wohlhabende Bürger unterhielten in ihren Häusern einzelne Bade-Zimmer; allein nach und nach verschwand dieser wohltätige Volksgebrauch in Deutschland beinahe gänzlich: und nur in Russland und Ungarn haben sich die öffentlichen Volksbäder als solche erhalten.

In England fing man mit Anfang des vorigen Jahrhunderts, jedoch an, die kalten und die See-Bäder zur Stärkung der Gesundheit allgemeiner, und als nervenstärkendes Heilmittel zu empfehlen und zu benützen. Die französischen italienischen und Schweizer- Ärzte machten in derselben Zeit auf den großen Nutzen lauwarmer Bäder aufmerksam, wodurch es geschah, dass seit Mitte des 18ten Jahrhunderts in Italien, besonders in Frankreich und in der Schweiz, die Bade-Anstalten mehr in Aufnahme kamen.

Das Beispiel der Nachbarländer wirkte auch auf die Deutschen, und durch die dringenden Ermahnungen eines Halm, Marcand, Ferro, Hufeland, wird nun in Deutschland das warme und kalte, und das Fluss-, See- und Soolen-Bad mit jedem Jahrzehnt mehr in Anwendung gebracht. Allein die öffentlichen, eigentlichen Volks-Bäder, wie sie früher bestanden, sind weder in Frankreich, noch in Italien, noch in Deutschland wieder eingeführt. Doch öffentliche Reinigungs-Bäder bestehen gegenwärtig in allen größeren Städten von Europa; von denen, die ich gesehen, erkenne ich als die zweckmäßigsten und bequemsten Bad-Anstalten der Art, jene in Paris, besonders die auf der Seine und die in Wien, und jene zu London und Bath in England.

Die Bade-Stuben unserer Bader in Deutschland sind größtenteils mit der Zeit eingegangen, und seitdem werden Tausende unseres gemeinen Volkes begraben, welche, außer in der heiligen Taufe, und in den ersten Wochen-Bädern, ihren Körper eigentlich nie gewaschen und gebadet haben.

Der Arzt, der den Körper solcher Menschen entblößt zu sehen bekommt, erkennt wohl in der eigentümlich entarteten Haut, dass hier nie eine Reinigung vorgenommen wurde; und dass in Krankheiten keine wohltätige Ausscheidung (Crisis) durch dieses so ausgebreitete Haut-Organ erwartet werden kann.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bade- und Brunnenarzt
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