Von dem Waschen des Körpers

Nach der Geburt und nach dem Tode, beim Ein- und Ausgang aus dieser Welt, wird der menschliche Körper in der Regel gewaschen, und die Gewohnheit, nach dem Schlafe Gesicht und Hände täglich mit Wasser zu waschen, ist bei gesitteten Völkern allgemein.

Außer der Reinigung der Haut wirkt dieses Waschen eigentümlich auf die Tätigkeit der Haut und auf Erhaltung der Gesundheit.


Diese Wirkung des Waschens und Badens auf die Gesundheit gründlicher zu erkennen, möchte es für den Laien zuträglich sein, Nachstehendes über die Beschaffenheit und die Lebenstätigkeit der Haut des Menschen anzuführen:

Die Haut des Menschen, die den Körper nach Außen bedeckt, und die bei allen Mündungen und Öffnungen auch nach den innern Organen sich fortsetzt, besteht eigentlich aus drei an sich verschiedenen Gebilden, Häuten;

a) der Oberhaut (Epidermis) eines dünnen feinen mit kleinen unzähligen Öffnungen — Poren — versehenen, farb- und gefühllosen Häutchens;

b) der eigentlichen Haut (Chorion cutis) dem Alle einer durch ein Netz von Gefäßen und Nerven dicht gewobenen Haut, unter der

c) die Fetthaut, (membrana adiposa) mit mehr oder weniger Zell- und Fettgeweben versehen, liegt.

Durch diese Häute atmet und ziehet der Mensch Licht und Luft, die darin enthaltenen Stoffe, auf eigentümliche Weise ein, und durch dieselben Häute dünstet er wieder tierische Stoffe, Feuchtigkeit und Luft aus. —

In diesem Haut-Gebilde befinden sich aufsaugende und ausscheidende Gefäße in unendlicher Anzahl, und das feinste Nerven-Gewebe. Diese Gefäße und Nerven-Verzweigungen sind stets in Wechselwirkung mit der sie umgebenden Luft, mit dem Licht, der Sonne, Wärme und Kälte, mit den feineren Ausstößen der Gewässer und den uns noch verborgenen Einwirkungen der sie umgebenden Thier-, Pflanzen-, Mineral- und Planeten-Welt.

Durch zuverlässige Versuche ist bekannt, dass ein gesunder Erwachsener von dem Quantum, das er an Speise und Getränke zu sich nimmt, innerhalb 24 Stunden 5/8 durch die Haut und Lungen verdünstet, während nur gegen 3/8 durch den Darm-Kanal und durch die Urin-Wege ausgeschieden werden: allein welche Stoffe, und wie viel durch die Lunge und durch die Haut von der sie umgebenden Luft und Außenwelt eingesogen und aufgenommen werden, ist noch nicht zuverlässig bekannt; wohl wissen wir, dass die feineren Lebens-Prozesse durch die Haut- und Lungen-Tätigkeit bedingt sind, und dass Licht und Luft zum Leben unentbehrlich die geistigere Lebens-Nahrung gewähren. Auf der Oberfläche, auf der Haut und durch deren Fortsetzung nach innen, durch die Lungen, sauget der Mensch Licht, Luft und Feuchtigkeit durch Millionen von Poren, und durch die feinsten Gefäße ein, und dünstet so auch wieder Luft und tierische Feuchtigkeit durch dasselbe Gebilde aus.

Dieser Wechsel von Einsaugung und Ausdünstung bestehet durch das ganze Leben, und von dessen normalmäßig, ununterbrochenem Fortgange hängt das Gefühl des Wohlbefindens und die Gesundheit des Menschen größtenteils ab; so wie wohl 3/4 der verschiedensten Krankheiten, welche den Menschen befallen, nach dem Zeugnisse der erfahrensten Ärzte, durch Störung der normalmäßigen Haut-Funktion entstehen.

Von dieser Einatmung und Ausdünstung durch die Haut, von deren ununterbrochenen und normalen Verrichtung und Wechselwirkung hängt die Gesundheit des Einzelnen größtenteils ab; jede Unterbrechung oder Störung der normalen Hauttätigkeit gibt Veranlassung zu mehr oder weniger Unwohlsein, Unbehagen, und zur Krankheit.

Die große Kunst, die Gesundheit zu erhalten, besteht daher vorzüglich darin, jene Hauttätigkeit und Wechselwirkung von Einsaugung und Ausdünstung in ihrem naturgesetzlichen (normalen) Zustand zu erhalten, und momentane, zufällige Störungen derselben sogleich zur Normalität, zur naturgesetzlichen Tätigkeit wieder zurückzubringen, was durch zweckmäßiges Waschen und Reiben der Haut, und durch geeignete Bekleidung und Schützung derselben vor äußern nachteiligen Einflüssen am besten, bezweckt werden kann.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Bade- und Brunnenarzt