Fünfzehntes Capitel: Vorstädte von Danzig. — Danzig. — Franzosischer Waffenplatz. — Danzigs Eroberung.

Lage. — Handel. — Physiognomie der Stadt. — Danziger Lachs. — Kaaz. — Mustadt. — Goddenstau. — Luppau. — Stolpe. — Slave.— Pockenen.,— Cöslin.— Cörlin. — Wahrzeichen am Ostseestrande. — Sepin. — Pinau. — Plate. — Naugarten. — Massau. — Stargard. — Piritz. — Bahn. — Grünberg. — Freienwalde. — Ankunft in Berlin. — Vom 20sten bis 25sten Mai 1808.

Die Vorstädte von Danzig lagen noch da als Schutthaufen. Nur hier und dort wurde wieder ein neues Haus auf der alten Stelle erbaut. Noch sah man die Bastionen auf den nahe liegenden Bergen, von welchen aus die Stadt beschossen war, und noch waren sie mit Franzosen besetzt.


Danzig, durch den Frieden von Tilsit als freie Stadt anerkannt, war gleichwohl Französischer Waffenplatz geblieben und als solcher eines der bedeutendsten Außenwerke des Französischen Reichs. Durch die Eroberung von Danzig, welches dem Französischen Marschall Lefevre am 24sten Mai 1807 übergeben wurde, hatte sich derselbe den Titel eines Herzogs von Danzig erworben. Den General Kalkreuth, damaligen Kommandanten der Festung, trifft kein Vorwurf, wie so manchen andern Preußischen Festungs-Commandanten jener unseeligen Zeit. Den Belagerten fing an das Pulver zu mangeln. Die Franzosen hatten sich im bedeckten Wege des fast ganz zerstörten Hagelberges genähert und beabsichtigten einen Hauptsturm mit 50,000 Mann gegen 6000 Mann Besatzung. Der Erfolg war nicht mehr zweifelhaft. So war es denn ein sonderbares Spiel des Schicksals und zugleich ehrenvoll für den Commandanten der Festung, daß der Marschall ihm dieselben Bedingungen der Capitulation verwilligte, welche ihm selbst der General Kalkreuth im Jahre 1793 bei der Einnahme von Mainz bewilligt hatte.

Danzig liegt überaus anmuthig am Ausflusse der Weichsel in die Ostsee, 67 Meilen von Berlin entfernt. Wichtig als Handelsstadt und Festung, besitzt sie einen schönen Hafen und neuerlich bedeutend erweiterte Festungswerke. Ihre Lage ist als Festung sehr günstig*). Nach der Weichsel zu ist sie durch Wälder und Moräste beinahe unzugänglich und die Niederungen umher können leicht unter Wasser gesetzt werden. In Hinsicht des Handels wird Danzig mit Recht die Kornkammer Preußens genannt. Unermeßlich ist die Ausfuhr aller Getraidearten nach England, Holland und den Hansestädten, welches aus Polen auf der Weichsel zugeführt wird. Auch die übrigen Ausfuhrgegenstände an Holz, Leder, Wolle, Pelzwerk, Butter, Talg, Wachs, Honig, Pottasche, Hanf und Flachs sind nicht unbedeutend, so wie auch ansehnliche Fabriken, von welchen besonders die der goldnen und silbernen Borten berühmt sind, den Wohlstand erhöhen und die Wunden des Krieges schneller als in andern Theilen des Preußischen Staats heilen. Doch jetzt lag auch der sonst so blühende Handel darnieder. Abgetakelt sah man zahllose Schiffe aller Art und Größe im Hafen liegen; verschlossen sind die unermeßlichen Speicher und stehen leer. Die Physiognomie von Danzig gleicht der aller übrigen Ostseestädte, nur ist der Charakter des alterthümlichen wohlhabenden Bürgerwesens ihr noch mehr aufgedrückt. Die Häuser, fast alle von Stein erbaut, mit den hohen, durch Bildhauerei verzierten Giebeln nach der Straße gerichtet, erheben sie sich auf den langen, oft krumm und schmal dahinlaufenden, schlecht gepflasterten Straßen und würden einen düstern melancholischen Anblick gewähren, wenn nicht freundliche Linden unter den erhöheten Ruheplätzen vor den Hausthüren, zu welchen steinerne hohe Treppen hinanführen, diesen alten soliden Bürgerhäusern den Charakter einer ruhigen Gemüthlichkeit aufdrückten, bei welchem Gedanken man nicht umhin kann, die Leiden einer sturmvollen Kriegeszeit als doppelt hart empfunden sich vorzustellen.

Die Umgegend von Danzig, mit den einst so reichen und schönen Dörfern ist jetzt verwüstet; Kanäle durchschneiden nach Holländischer Art, von erhöhten Dämmen eingefaßt, die tiefer liegende Niederung, deren reiche Vegetation menschlicher Fleiß dem Meere abgewonnen hat.

Wer in Danzig ein Pfund Danziger Lachs fordert, wird sich, wenn er ein Fremder ist, wundern, statt des erwarteten Fisches eine wasserhelle Flüssigkeit in einer wohl verstöpselten Flasche zu empfangen. Es führt nämlich der berühmte Danziger Liqueur (Danziger Goldwasser) von der großen Liqueurfabrik der Lachsischen Erben im gewöhnlichen Leben den Namen Danziger Lachs.

Mit einigen Flaschen desselben versehen, fuhr ich durch die noch unbeschädigte schöne lange Vorstadt, Altschottland, dann durch stark verpallisadirte Außenwerke der Festung, in einer schönen Allee auf der Straße nach Gmünd hinaus.

In der Nacht und am folgenden Tage (den 21sten Mai) passirte ich Kaaz, Mustadt, Goddenstau, Luppau und kam gegen Abend in Stolpe an.

Jetzt ist auch diese Mittelstadt, welche sonst einen nicht unbedeutenden Handel hatte, verarmt.

Unsre Straße zog sich nun immer ziemlich nahe am öden Ostseestrande fort über Slave, Pockenen, Cöslin und Cörlin.

Auf der letzten Station kamen wir auf den höchsten Punkt der ganzen Gegend, welcher eine unermeßliche Aussicht auf die endlosen Ebnen des weiten Küstenlandes, über Sandstrecken und unfruchtbare Haide hin und nach der andern Seite auf die eintönig grauen Wellen der Ostsee gewählt, deren Horizont sich in die Nebelwand des Hintergrundes verliert. Auf dieser Höhe befindet sich eine Signalstange aufgerichtet, welche den Schiffern zum Wahrzeichen dient.

Auf der ganzen Straße von Danzig nach Stolpe erblickte ich die Ostsee oftmals und sah unter andern ein dreimastiges Schiff, welches vielleicht die zurückkehrende Fregatte Eurydice seyn konnte. Die Reise über Sepin, Pinau, Plate, Naugarten, Massau, Stargard (der Hauptstadt in Preußisch-Pommern), dann weiter über Piritz, Bahn, der kleinen Landstadt Königsberg in der Neumark, ferner über Grünberg, wo ich die alte und neue Oder passirte, dann über Freienwalde, mit dem Königl. Lustschlosse bis Berlin, gewährt wenig Abwechselung und noch weniger Stoff zu Bemerkungen.

Die Königliche Residenz erreichte ich am 25sten Mai.




*) Bekannt ist es, daß Napoleon bei seinem Rückzuge aus Deutschland 1813 ein bedeutendes Corps von 30,000 Mann unter General Rapp in Danzig stehen ließ. Dieses hielt sich dort 11 Monat gegen das russische Blockadecorps verschanzt, und unbeschreiblich waren die Leiden der Stadt. An 300 Häuser und Speicher waren während dieser Blockade niedergebrannt, 1115 Gebäude waren beschädigt, 90 Menschen waren im buchstäblichen Sinne verhungert. D. B.