Rheinpfalz

Von Strassburg abwärts wird der Rhein für den Handelsverkehr in Ober-, Mittel- und Niederrhein eingeteilt; drei Stromstrecken, welche die Natur selber durch größere Schiffbarkeit unterschieden hat. Jeder derselben entspricht einer der drei Hauptpunkte an dem handeltreibenden Rhein, Strassburg, Mainz und Köln, welchen die Notwendigkeit der Umladung auf die geeigneten Schiffe ein natürliches, dann auch vom Reiche anerkanntes und verbrieftes Stapelrecht verliehen hat. Der jugendliche Rhein oberhalb Strassburg fällt ganz außerhalb dieser Einteilung. Noch sind aber die zwischen Strassburg und Mainz fahrenden Schiffe von minderer Ladungsfähigkeit als die, deren man sich auf dem Mittelrhein, zwischen Mainz und Köln, oder gar auf dem Niederrhein, zwischen Köln und der Nordsee bejlient. Und gleichwohl erhält ein oberländisches Schiff in Strassburg noch nicht die volle Ladung, sondern diese wird auf mehrere kleine angehängte Fahrzeuge verteilt, von welchen sie erst zu Neuburg oder Schröck (Leopoldshafen bei Karlsruhe) auf das Hauptschiff zusammengebracht werden darf. Denn indem er sich der Rheinpfalz nähert, legt der Rhein allmählig sein Ungestüm ab und nimmt einen regelmäßigem Lauf an. Auch hat nun sein Bette die für schwerer beladene Schiffe erforderliche Tiefe und für die Schifffahrt gefährliche oder bedenkliche Stellen kommen erst unterhalb Bingen wieder vor. Dagegen ist in diesen Ebenen der Rhein zu Überschwemmungen geneigt und muss in frühern Zeiten sein Bette mehrfach gewechselt haben. Die Gegend unterhalb der alten Reichsfestung Philippsburg wird das Prurhein (prorhenum) genannt. Der Hauptort desselben war Bruchsal, das wie Brüssel von Brüchen und Sümpfen genannt scheint. So hat auch das benachbarte Durlach von dem See (Lacus) den Namen, welchen hier der Rhein gebildet haben soll. Endlich wurde der Mettersheimer Hof zwischen Germersheim und Philippsburg sonst Kleinholland genannt. Alles dies deutet auf Verheerungen, die hier der Rhein angerichtet hat, ehe Natur oder Menschenhand ihm festere Ufer bildete.

Der Name der Rheinpfalz ist jetzt nur dem rhein-bayerischen Lande offiziel und im gewöhnlichen Sprachgebrauch außerdem noch dem benachbarten Rheinhessen verblieben, während auf dem rechten Rheinufer die alte Hauptstadt der Kurfürsten von der Pfalz samt ihrer Umgebung badisch geworden ist. Die wichtigsten Momente aus der Geschichte der Pfalz zu erzählen werden wir von Zeit zu Zeit Gelegenheit finden. Auffallend ist es, wie die Pfalz gleichsam eine Reise den Rhein hinauf und wieder hinab gemacht hat. Zuerst nämlich treten die Pfalzgrafen zu Achen, am Niederrhein auf. Bald darauf erfahren wir, dass der Tomberg, zwischen Bonn und der Eifel, ihnen von Alters her gehört hat. Weiterhin finden wir sie als Herrn von Lach bei Andernach zwischen der Mosel und der Nette stark begütert, wo noch heute der Name Alt- und Neupalenz im Andenken ist. Seit Hermann von Stahleck erscheinen sie dann in der seitdem sogenannten Unterpfalz, wo sie Bacharach u. s. w. als kölnisches Lehen besassen. Immer rheinaufwärts strebend erwarben sie zuletzt Besitzungen in dem alten Lobdengau und gründeten Heidelberg, erhoben es zum Sitz ihrer Herrschaft und verbreiteten sie von dort aus als Kurfürsten von der Pfalz über die ganze Nachbarschaft. Als sie aber nach dem Jülich-Kleveschen Erbfolgestreit die Herzogtümer Berg und Jülich an sich brachten, schien die Pfalz gleichsam zu ihrem ersten niederrheinischen Ursprung zurückzukehren.


Ehe die überrheinische Pfalz diesen Namen empfing, gehörte sie zum Speiergau, zum Teil auch zum Wormsfeld, welches Mainz mitbegriff. Von Bingen abwärts folgte dann das Nah- und Trachgau. Rechts reihte sich an das Kraichgau, in welchem die Kraich in den Rhein fällt, das schon erwähnte Lobdengau, worin Ladenburg (Lupodunum) und Heidelberg, seine Hauptorte, liegen. Diesem schloss sich das obere Rheingau an, welchen der Main von dem untern scheidet, das heutzutage allein noch den Namen führt. Das Wormsgau wird auch Wonnegau genannt, ein Name, der zugleich auf die Lieblichkeit des Landes und auf die alten Vangionen deutet. Aber auch die Burgundionen, sieben Fuß hohe Männer mit langem Haupthaar, haben eine Zeitlang hier gewohnt und unter den römischen Adlern gefochten. Von Attilas Hunnenscharen bedrängt, zogen sie an die Rhone, gründeten dort ein neues Reich und machten Lion zu ihrer Hauptstadt. Die Erinnerung, dass Worms einst die Hauptstadt des burgundischen Reichs war, hat sich außer den Nibelungen noch in dem Volksliede von dem Staar und dem Badwännlein (Rheinsagen Seite 298) erhalten, wo die arme Dienstmagd durch das burgundische Wappen an dem Badwännlein als die Tochter eines rheinischen Königs erkannt wird:

„Grüß Gott, grüß Gott, mein Schwesterlein,
Dein Vater ist König an dem Rhein.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland