Baden

Das dem Elsass und der Rheinpfalz gegenüberliegende badische Land, dem wir schon in der Schweiz begegneten, wird in seinen malerisch und romantisch hervorragendsten Punkten in der Sektion Schwaben besprochen. Nur ausnahmsweise haben wir uns erlaubt bei Breisach zu landen, weil diese Rheinstadt in der Schilderung des alten romantischen Landes wegen ihres Bezugs auf die Heldensage nicht vermisst werden darf. Wir können aber unsere Blicke von diesem schönsten und glücklichsten deutschen Lande nicht wenden, ohne noch eine Bemerkung über seine ethnographische Lage beizufügen. Gegen Frankreich und die Schweiz begrenzt Baden das westliche und südliche Deutschland; von Württemberg wird es durch die Höhen des Schwarzwalds geschieden. Aber innerhalb seiner selbst, so wie gegenüber, wo sich Elsass und die Rheinpfalz berühren, begibt sich die wichtige Scheidung der rheinischen Völker in Alamannen und Franken, so dass Baden als die Vermittlung dieser Hauptunterschiede in der rheinischen Bevölkerung gelten darf. Auf den Breisgau folgt nämlich rheinabwärts die Ortenau, welche noch zum Herzogtum Alamannien oder Schwaben gehörte, während der nun folgende Uffgau, worin Badenbaden liegt, schon zum rheinischen Franzien gezählt wurde, demjenigen Herzogtum, in dem von jeher die Stärke des Reichs lag. So weit wir bisher dem Rheine gefolgt sind, floss er zwischen alamannischen Gauen hin, deren Charakter gleich dem des Volks ein vorherrschend idyllischer ist. Jetzt nähern wir uns einer andern deutschen Stammeigentümlichkeit, der fränkischen, die ein freieres Bewusstsein, eine heroischere Gesinnung auszeichnet. Der Alamanne ist mehr der Natur hingegeben, der Franke mehr dem Geiste; jener gehört der Empfindung und dem Genuss, dieser dem Gedanken und der Tat. Doch können sich diese Gegensätze hier nicht scharf gegenüberstehen, da das ganze rheinische Franzien ein einst von den Alamannen besetztes, diesen abgerungenes Land ist, in welchem dann die Sieger mit den Besiegten vermischt lebten und beider Stämme eigne Sinnesart sich durchdrang und ausglich.

Ursprünglich mochten die Alamannen um den Bodensee, die Franken am Nordmeer heimisch sein. Der noch heute gültige Gegensatz der Ober- und Niederdeutschen scheint in ihnen zuerst geschichtlich aufzutreten. Als diese Volker sich ausbreiteten und auf einander stießen, handelte es sich darum, welcher von beiden Stammcharaktern den in der Mitte wohnenden rheinischen Völkern aufgedrückt werden solle. Die berühmte Schlacht bei Zülpich entschied zu Gunsten der tatkräftigern Franken, die nun das herrschende Volk wurden und den Alamanuen alle deutsche Gauen zu beiden Seiten des Stroms, von Andernach bis zum Elsass, entrissen. Indem sich nun die siegenden Franken zahlreich in Gegenden niederließen, wo sich früher ohne Zweifel Alamannen angesiedelt hatten, geschah es, dass hier beide Stämme verschmolzen, jedoch, wenigstens in den untern Gegenden, mit merklichem Übergewicht des mächtigern fränkischen Elements.


Das von den Franken eroberte Land um die Ufer des Rheins und des Mains empfing nun den Namen Franken, welches in das östliche und westliche zerfiel, von welchen heutzutage nur jenes, das Land um den Mainstrom, die Benennung beibehält. Das rheinische Franken aber erlangte bald, vielleicht wegen seiner Lage im Herzen des damaligen Reichs, den Vorrang nicht nur vor dem östlichen, sondern vor allen deutschen Herzogtümern. Schon unter den Karolingern war es als die königliche Tafelprovinz die vornehmste des Reichs, unter den sächsischen Kaisern blieb ihm als dem Sitz des salischen Geschlechts, des edelsten Hauses in Deutschland, der Vorzug unangetastet, und als die Salier in den fränkischen Konraden und Heinrichen selbst den Thron bestiegen, befestigte er sich, der sächsischen Eifersucht zum Trotz immer mehr. Seitdem galten die Rheinfranken für das erste deutsche Volk, die Wahl des deutschen Königs musste auf fränkischem Boden geschehen, nicht minder die Krönung, wesshalb man die Erde Frankfurts nach Achen schaffen lies. Bei beiden feierlichen Handlungen ging der König fränkisch gekleidet und lebte fortan nach fränkischem Rechte. So war der Erzbischof von Mainz als der rheinfränkische Kurfürst der Primas des Reichs, und der Herzog des rheinischen Franziens der vornehmste unter den weltlichen Großen.

Die Bewohner der nördlichen Hälfte Badens, in der Schwebe zwischen fränkischer und alamannischer Volksnatur, scheinen sich doch mehr letzterer zuzuneigen als jener, die erst diesseits des Neckars entschiedener auftritt. Und auch darum preisen wir sie glücklich, denn der gemütliche Schwabe hat in seinem ruhigen Behagen größere Ansprüche auf irdisches Glück, als der von der Begierde zu wirken rastlos bewegte Franke.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland