Die Kaiserburg Trifels und Richard Löwenherz

Die Rheinpfalz wird von dem Hardtgebirge, einer Fortsetzung der Vogesen durchzogen, an dessen Fuße jene fruchtbaren, weintriefenden Höhen sich wölben, die der Gott der Reben zu Lieblingssitzen erkoren hat. Die Reise über Landau, Edenkoben, Neustadt, Deidesheim, Forst, Dürkheim, Ungstadt und Grünstadt, lauter dem Oenologen wie dem Weintrinker wohltönende Namen, gehört zu den schönsten, die man am Rheine machen könnte. Für diesmal liegt sie nicht in unserm Plane ; jedoch gedenken wir in die hohem Gegenden Rheinbayerns vom Nahgau aus zurückzukehren. Wir erwähnen nur einzelne hervorragende Punkte. Fast an der Grenze des Elsasses und Rheinbayerns liegt die Kaiserburg Trifels (im Annweiler Thale bei Landau), wo einst die Reichskleinodien verwahrt wurden, und Richard Löwenherz eine Zeitlang gefangen saß, bis ihn sein getreuer Blondel auffand und seine Freigebung bewirkte. Die Sage meldet, Blondel habe den Aufenthalt des Königs in den dunkeln Verliesen der Reichsburg durch Gesang entdeckt. Das Nähere wird verschieden angegeben. Nach Einigen hatte der König die Weise des Liedes, welches die Entdeckung herbeiführte, in den Tagen seiner freudigen Heldenjugend selber erfunden. Zum Verständnis der nachstehenden Behandlung der Sage erinnern wir an die Sitte des Mittelalters, die in den Liedern jener Zeit so häufig benutzt wird, wonach der Wächter von den Zinnen des Turms, wie sich bei unsern Nachtwächtern noch ein schwacher Überrest davon erhalten hat, ihre Meldungen singend zu verrichten pflegten, und daher wohl für gesangliebende und gesangkundige Leute gelten mochten. Die untern Räume des Turms aber wurden gewöhnlich zu Gefängnissen benutzt.

Richard Löwenherz.
Der Wächter an der Zinne.


Diese Weis und immer diese,
Tag und Nacht,
Singt der König im Verliese
Bis der Morgen lacht.
Sieh, schon durch des Schwarzwalds Forchen
Blickt sein Strahl,
Seinem Winke zu gehorchen
Eilen Berg und Tal.
Möcht' er Dem die Freiheit bringen,
Der mit schwindem Schwertesschwang
Weiß die Heiden zu bezwingen
Und die Herzen mit Gesang.

Blondel.

Löwenherz, von Dir erfundnen
Liedeston
Sing ich nun am vielgewundnen
Rheine lange schon.
Dich mit Liedern auszuforschen
Nicht gelang,
Nie erwiedern mir die morschen
Türme den Gesang.
Horch doch, ist es nicht die Weise,
Die von jener Zinne dringt?
Fiel sie hier so tief im Preise,
Dass sie schon der Wächter singt?

Wächter.

Der da unten mit der Cither
Schleicht einher.
Mehr ein Sänger als ein Ritter,
Was ist sein Begehr?
Horch, die Töne sind es wieder,
Täuscht michs nicht.
Die so gern in seine Lieder
Der Gefangne flicht.
Im Verständnis mit dem Helden
Mag der schlaue Fremdling sein:
Soll ich ihn mit Blasen melden?
Pflicht wohl wärs, doch herbe Pein.

Richard.

Singen lehrt ich Wand und Spache
Dieses Lied,
Seit des Oesterreichers Rache
Mich von Menschen schied.
Nach von unten, nach von oben
Klingt es hold,
Wie zum Wettgesang erhoben
Um den Ehrensold.
Dort der Wächter; wärs mein treuer
Blondel, der mir unten sang.
Klang es wohl mit anderm Feuer!
Freiheit ist der schönste Klang.

Blondel.

Bist Du's, Richard, Herz des Leuen?
Heil Dir, Held!
England ließ sich nicht gereuen
Schweres Lösegeld.
Immer konnte man Dich milde.
Gütig schaun:
Männer boten Helm und Schilde,
Ring und Schmuck die Fraun.
Sieh des Reiches Brief und Siegel
Gab mir Kaiser Heinrichs Macht,
Ungewiss, wo Oestreichs Riegel
Dich verborgen hielt in Nacht.

Richard.

Blondel, Bruder! Reich und Krone
Dank ich Dir;
Aller Frauen Schönste lohne
Was Du tust an mir.

Blondel.

Deines Volkes Lieb und Treue
Dankst Du sie,
Deiner Milde, die ihr neue
Kraft und Fülle lieh.

Wächter.

Und mich dünkt, des Lobs gebührte
Auch der Weise wohl ein Korn,
Die euch hier zusammenführte:
Fröhlich stoß ich nun ins Horn.

Trifels liegt auf dem dreifach gegipfelten Sonnenberg; die beiden andern Felsenspitzen tragen die Reste der später gegründeten Burgen Anebos (Amboss) und Scharfenstein. Hieraus erklärt sich, nach dem Verfasser der Zusätze zur Weltchronik Rudolfs von Ems, der Name. Bei Neustadt an der Hardt ist das alte Winzingen merkwürdig, wohin die Grafen des Speiergaus ihren Sitz verlegten. Das benachbarte Hambacher Schloss, von dem aus einst der unglückliche Heinrich IV. seinen schimpflichen Zug nach Canossa barfuß antrat, hat auch neuerdings wieder durch die Volksfeste, die man hier beging, und die Vorfälle, die sich daran knüpften, eine nicht minder traurige Berühmtheit erlangt. An der Stelle der Abtei Limburg bei Dürkheim stand einst die alte Stammburg der rheinfränkischen Herzoge, die seit Konrad II. den deutschen Kaiserthron einnahmen. Er und Gisela seine Gemahlin verwandelte sie, als ihr Sohn Konrad von den Mauern der weitschauenden Liraburg herabgestürzt war, in ein Kloster. Nicht weit davon liegt der Drachenfels, wohin die dortige Volkssage Siegfrieds Kampf mit dem Drachen verlegt. Aber schon Limburg (Lintburg) erinnerte an den Lindwurm. Die dem Drachenfels benachbarten Ruinen mit den wunderlichen Namen: Murr mir nicht viel, Schau dich nicht um, so wie die Waldgegend Kehr dich an nichts scheinen auf eine märchenhafte Gestaltung zu deuten, die dies Abenteuer Siegfrieds in der Volkserzählung angenommen haben mag.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland