Schönau, Kloster und Kirche

Eine kleine Meile von Neuburg, doch schon im Odenwald, liegt in einem stillen von der Steinach bewässerten Wiesengrunde das Städtchen Schönau, das von der schon erwähnten, einst sehr reichen Zisterzienser-Abtei den Namen, das Dasein aber von französischen Flüchtlingen, meist Tuchwebern, empfing, die wegen Gewissenszwanges aus ihrem Vaterland flüchtend, hier nach Aufhebung des Klosters eine Freistätte fanden. Burkard, Bischof von Worms, nicht der Gesetzgeber und Erbauer des Doms, sondern der andre des Namens, hatte, von der Abgeschiedenheit des Ortes angezogen, das Kloster zu Ehren der heil. Jungfrau gestiftet. Pfalzgraf Konrad, der es zu seinem Erbbegräbnis erwählte und kurz vor seinem Tode noch reichlich begabte, ist mit seinen ihm vorangegangenen Söhnen, auch Gemahlin und Enkel, in der Kirche begraben. Aber Kloster und Kirche sind bis auf einen großen Torbogen, im strengen vorgotischen Stil, zerstört, das Kapitelhaus von Neuem zum Gottesdienst eingerichtet, und welcher fromme Deutsche jetzt zu dem Grabmal Konrads von Hohenstaufen wallfahrten will, der muss in den Keller eines Tuchmachers hinabsteigen und die ohnedies nicht allzulesbare Inschrift und den seltsamen Schwan des Wappens mit spärlichem Lampenlicht beleuchten. — Die Legende der heil. Hildegunde von Neuss, die als Bruder Joseph zu Schönau im Noviziat verstarb und wegen der keuschen Sorgfalt, womit sie ihr Geschlecht verhehlt hatte, in den Kalender kam, ist bei Cäsarius nachzulesen. Sie gehört zu den Cruditäten der Zeit, welche für unsern Geschmack schwer zuzurichten sind.

Nach Konrads Tod fiel die Pfalz durch seine Erbtochter Agnes an deren Gemahl, Heinrich von Braunschweig, den Sohn Heinrich des Löwen. Von dieser Verbindung, welche den alten Streit der Weiblinge und Welfen beizulegen schien, erzählen wir das Nähere schicklicher bei Bacharach: die gewünschten Früchte gingen aber nicht aus ihr hervor, denn der Pfalzgraf Heinrich zeigte sich zwar Anfangs getreu, konnte aber doch den Welfen nicht verleugnen, denn in dem Streit der Gegenkönige Otto IV. und Friedrich II, ergriff er die Partei seines Bruders gegen Friedrich von Staufen. Dies war der Anlass zur Erhebung des wittelbachischen Hauses, das noch heute in den pfalzbayerischen Landen herrscht. Kaiser Friedrich II. verlieh, da den Pfalzgrafen Heinrich die Reichsacht getroffen hatte, dem Bayernherzoge Ludwig von Wittelsbach, aus dem Stamme der Schyren, die Pfalzgrafschaft. Aber noch war Heinrich von Braunschweig mächtig am Rhein, und als Ludwig nach Heidelberg kam, um die Pfalz in Besitz zu nehmen, ward er gefangen nach Schönau gebracht und musste sich auslösen. Nur durch Unterhandlung mit Heinrich und Verlobung seines Sohnes Otto des Erlauchten mit Heinrichs Erbtochter, der vierten Agnes, gelang es ihm, die Pfalz an sein Haus zu bringen.


Otto dem Erlauchten gebar die Pfalzgräfin Agnes zwei Söhne. Der ältere war Ludwig der Strenge, welchem bei der Teilung der Lande die Pfalz und das Herzogtum Oberbayern zufiel, während Heinrich Niederbayern mit der väterlichen Burg Landshut erhielt. Für Oberbayern baute sich Ludwig in München eine neue Hofburg. Er selbst ist in Heidelbergs altem Schlosse geboren und gestorben. Ein entsetzliches Beispiel der Strenge, von der er genannt ist, gab er in dem blutigen Gericht, das er über seine unschuldige Gemahlin, Marie von Brabant, ergehen ließ. Wir werden im Nahtal darauf zurückkommen.

Ludwigs Regierung fiel in die traurigen Zeiten des Zwischenreichs. Er aber trug zu dessen Beendigung wesentlich bei, indem er bei der Wahl für Rudolf von Habsburg den Ausschlag gab. Zum Lohn erhielt er Mechtilde, die schönste der Töchter des neuen Königs der Deutschen. Von dieser seiner dritten Gemahlin hinterließ er zwei Söhne, Rudolf und Ludwig, jener der Pfälzer, dieser der Bayer zubenannt, denn dem einen war die Pfalz, dem andern das Herzogtum Bayern zu Teil geworden. Ludwig der Bayer war es, der nachmals mit Friedrich dem Schönen von Österreich, nach Schillers Worten, „um den Szepter Germaniens stritt.“ Rudolf der Pfälzer hatte gegen seinen eigenen Bruder für Friedrich von Österreich Partei ergriffen. Dennoch siegte Ludwig, Rudolf flüchtete nach Oesterreich und starb, seiner Länder beraubt, im Elende. Doch seiner unschuldigen Söhne nahm sich Kaiser Ludwig an, uud setzte den ältesten, Adolf den Einfältigen, in das Erbteil seines Vaters wieder ein. Von diesem stammen alle späteren Kurfürsten und Pfalzgrafen bei Rhein, ja sein Geschlecht blüht jetzt auf Bayerns Thron, nachdem das Haus Bayern, das von Kaiser Ludwig stammt, im Jahr 1777 mit dem letzten Kurfürsten Maximilian Joseph erloschen ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland