Altan, Stückgarten, Terrasse im Schlossgarten

Drei Punkte sind es, die uns zunächst anziehen. Dem Leser, der je in Heidelberg gewesen ist, werden sie erinnerlich sein. Zunächst der große Altan, vor der Nordseite der Burg, mit den beiden Erkern, dann der Stückgarten unter den hohen Linden vor dem kolossalen dicken Turm und dem engländischen Bau, mit dem Blick in Klaras Garten, oder auf die epheuumrankte Bildsäule des unglücklichen Winterkönigs, endlich die Terrasse im Schlossgarten, wo die Burgruine sich so groß und edel darstellt, wenn das Auge nicht in die schnellen Fluten des Neckars hinabtaucht, oder auf den Ziegeldächern der fröhlichen Musenstadt ruht, oder gar die Windungen des Neckars verfolgend den Rhein und die blauen Berge des Wasgaus aufsucht. Welche Sonnenuntergänge, welche Mondscheinnächte haben wir hier genossen! Und doch ist es noch schöner, von den wenigen Mauertrümmern der altern Burg herab, den blutigen Tod der Sonne zu erleben; wenn ihr letztes Rot die offnen Fensterbogen der untern Burg vergoldet, die schweigend zu unsern Füßen liegt und bei dem Blick in das Meer des Glanzes auch ihrer alten Herrlichkeit zu gedenken scheint.

Die Römer sollen zuerst auf dem kleinen Geissberge, wo hernach das obere Schloss stand, ein Castell gehabt haben, so wie ein anderes jenseits auf dem heiligen Berge. Aus diesen erwuchs in fränkischer Zeit dort die Abrinesburg, hier die sogenannte alte Pfalz, welche von dem Gebirge Heidelberg*), auf dessen Abhang sie erbaut war, den Namen empfing und ihn auf den Ort übertrug, der zu ihren Füßen lag. Es ist gewiss, dass Konrad von Hohenstaufen, Friedrich des Rotbarts Halbbruder, schon ehe er zur Pfalzgrafschaft gelangt war, diese Burg bewohnt hat. Die Grafschaft auf dem Stahlbühel oder im Lobdengau, zu welcher sie gehörte, soll König Dagobert der Zweite sich vorbehalten haben, als er dem Hochstifte Worms mit der Stadt Ladenburg, deren Bezug auf diese Grafschaft nun schon bekannt ist, viele königliche Rechte im Lobdengau schenkte. Es scheint aber, dass die Bischöfe von Worms sie unter Heinrich II. an sich brachten und die rheinfränkischen Herzoge aus dem salischen Hause als Schirmvögte ihres Hochstifts damit belehnten. Als der salische Konrad II. den Kaiserstuhl bestieg, besaß sein Vetter, Konrad der Jüngere von Worms, das rheinfränkische Herzogtum, mithin auch unsere Grafschaft. Nach seinem Tode fiel sie auf Kaiser Konrads II. Nachfolger im Reiche, so dass sie bis auf Heinrich V. mit dem rheinfränkischen Herzogtum bei den Raisern blieb. Von jetzt an bitten wir die Leser zu bemerken, welche Rolle der Name Agnes in dieser Geschichte spielt. Als Kaiser Heinrich V. kinderlos starb, gingen seine Stammgüter, ja späterhin auch das Reich, durch seine Schwester, die erste Agnes, auf die Hohenstaufen über. Mit Friedrich I., Herzog von Schwaben, hatte sie zwei Söhne, Friedrich und Konrad, jener erhielt Schwaben, dieser Rheinfranken und späterhin als Konrad III. das Reich. Auch wieder Friedrich der Einäugige, Herzog von Schwaben, hatte zwei Söhne, Friedrich und Konrad, jedoch von zwei verschiedenen Gemahlinnen: jenen gebar ihm Judith, eine Herzogin von Bayern, diesen Agnes von Zwei- und Saarbrücken. Judiths Sohn war der nachmalige Kaiser Friedrich der Rotbart; der zweiten Agnes Sohn unser Herzog Konrad von Hohenstaufen. Friedrich hatte von seinem Vater das Herzogtum Schwaben ererbt, seinem Bruder Konrad gab er, als es ihm nach dem Tode seines Oheims Kaiser Konrad III., mit dem Reiche anfiel, das rheinfränkische Herzogtum. Außerdem hatte Konrad von seiner Mutter, der zweiten Agnes, viele eigene Güter im Rheintal, besonders im Speiergau und Wormsfeld ererbt. Aber noch höher stieg seine Macht, als ihm jetzt sein kaiserlicher Halbbruder auch noch die erledigte Pfalzgrafschaft erteilte.


*) d. h. Haideberg, mons sylvaticus, nicht mons myrtillorum, denn an die Haidelbeeren braucht dabei nicht gedacht zu werden. Dieser Ableitung ist Jacob Grimm beigetreten.

Der bisherige etwas trockene Bericht war nötig, um den Leser zu überzeugen, dass das Herzogtum des rheinischen Franziens, wozu auch die Grafschaft Stahlbühel, mithin Heidelberg gehörte, wirklich auf Konrad von Staufen gekommen, und dass es kein leeres Vorgeben dieses und der spätem Pfalzgrafen war, dass sie an die Stelle der alten Herzoge von Rheinfranken getreten seien. Von der Pfalzgrafschaft, mit der sich in Konrad das Herzogtum Franken verband, um dann bis auf den Namen zu verschwinden, haben wir schon erwähnt, dass sie, lotharingisch-ripuarischen Ursprungs, zuerst in Aachen auftritt, und sich dann allmählig den Rhein hinaufzog. Den Titel eines Pfalzgrafen bei Rhein hatte zuerst Heinrich von Lach geführt. Sein Nachfolger Siegfried nannte sich gar einen Pfalzgrafen der rheinischen Franken. Beide Zusätze drücken schon den Anspruch auf die Pfalzgrafschaft im Herzogtum Rheinfranken aus. Wenn die Pfalzgrafen ursprünglich von den Kaisern eingesetzt waren, um die Macht der Herzoge in Schranken zu halten, so war wohl in jedem Herzogtum ein solcher. Im rheinischen Franzien sind aber anfänglich keine eigenen Pfalzgrafen nachzuweisen, vermutlich weil hier die Kaiser selbst Herzoge waren, und also keiner Pfalzgrafen bedurften, um ihre Rechte gegen Eingriffe der Herzoge zu wahren. Wenn nun die Pfalzgrafen im Herzogtum des untern oder ripuarischen Franziens sich schon unter den salischen Heinrichen Titel beilegten, die den Anspruch verraten, auch im obern oder rheinischen Franzien die pfalzgräfliche Würde zu üben, so können das eben nur anspruchsvolle Titel gewesen sein, zumal da diese Pfalzgrafen im rheinischen Franzien noch keine Besitzungen hatten. Als aber nach dem Aussterben des altern lotharingischen Hauses der Pfalzgrafen diese Würde Hermann III. verliehen wurde, welcher Stahleck, die bekannte Burg über Bacharach, also an der Grenze Ripuariens und Rheinfrankens, als kölnisches Mannlehen besass, betrug sich dieser ganz als wäre ihm die Pfalzgrafschaft auch im obern Franzien übertragen, und befehdete im Bunde mit den benachbarten Grafen die geistlichen Fürsten, den Erzbischof von Trier und die Bischöfe von Speier und Worms, welche unterdess viele, dem Kaiser vorbehaltene Rechte und Besitzungen an sich gezogen hatten; und als ihn Arnold, Erzbischof von Mainz, desshalb in den Bann tat, fiel er auch diesem in sein Gebiet und verwüstete es mit Feuer und Schwert. Die Folge war, dass ihn Kaiser Friedrich wegen Landfriedensbruch mit einer schimpflichen Strafe belegte. Der Gram darüber scheint ihn getötet zu haben. Kaiser Friedrich gab hierauf die Pfalzgrafschaft mit allen Besitzungen der frühern Pfalzgrafen, also auch Bacharach und Stahleck, seinem Halbbruder Konrad, der schon Herzog von Franken war. Indem aber dieses Herzogtum mit der Pfalzgrafschaft verschmolz, nannte sich Konrad und seine Nachfolger nicht mehr einen Herzogen in Franken, sondern Pfalzgrafen bei Rhein. Die Fehde seines Vorgängers Hermann von Stahleck gegen die geistlichen Fürsten setzte er fort, namentlich kriegte er mit dem Bischof von Worms um die Grafschaft auf dem Stahlbühel, in welcher er sich, hier auf Heidelbergs älterm Schlosse, bereits festgesetzt hatte. Der Kaiser schlichtete den Streit, Konrad nahm den Lobdengau von Worms zu Lehen und Köln verwandelte zu Gunsten der dritten Agnes, der Erbtochter Konrads, das Mannlehen Stahleck in ein Kunkellehen. Konrad wählte jetzt Heidelberg zum Hauptsitz seiner Macht, obwohl eigentlich Stahleck noch immer als die pfalzgräfliche, das alte Schloss Heidelbergs als die rheinfränkischherzogliche Burg zu betrachten war. Den Ort unter letzterer soll er mit Mauern umgeben und zur Stadt erhoben haben.

Seinen Söhnen, Friedrich und Konrad, die ihn aber nicht überlebten, hatte er den heiligen Eberhard, den Sohn seines Burgwarts auf Stahleck, zum Erzieher gegeben, welcher hernach das Frauenkloster Kumbd auf dem Hundsrücken stiftete. Diesen trieb ein brünstiges Verlangen zur Lesung der heiligen Schriften, welche ihm sein Vater strenge untersagt hatte. Im Schloss zu Heidelberg hoffte er dazu bessere Muße zu finden. Allein auch Konrad, der ganz ein Staufe war, wollte die unbezwungene Heldenkraft seiner Söhne durch mönchischen Unterricht nicht schwächen lassen. Da baute sich Eberhard im Walde hinter der Burg, nach dem Königstuhl hin, einen kleinen Altar, wohin er täglich kam und betete. Auf diesen stellte er ein gemaltes Bild des Gekreuzigten, welches er seinem Psalterium entnahm, höhlte einen Stein aus, goss Wasser darein, und umwickelte, so gut er konnte, Docht mit Wachs, um Nachts ein Licht vor dem Altar zu haben, welches er durch ein Wunder immer brennend fand, Tags aber mit einem Gefäß bedeckte. Der Pfalzgraf pflegte an seinem Hofe täglich sieben Arme, an Festtagen zwölfe, zu speisen ; die Sorge für dieselben übernahm Eberhard, welcher alles Kostbare diesen zuwandte, sich selbst mit Wegwurf begnügte. So heilig war der Mann, dass ihn die Engel von Schönau, dem Zisterzienser-Kloster im nahen Odenwald, wo sich Eberhard mönchen ließ, zu mehrern Malen nach Stahleck und wieder zurück trugen. Eberhard hatte in seinem Dienste ein Mädchen, welches Lust bezeigte, gleichfalls in den geistlichen Stand zu treten. Diesem sagte er: Domicella Jutta, oculi tui apparent ita pleni prolibus, ut hoc fieri non posset.

Noch andere Punkte in der Nähe erinnern an Konrad von Staufen. Zunächst Stift Neuburg, das jenseits des Neckars, da wo er in das Tal eintritt, welches Heidelbergs heilige Ruinen beherrschen, dem noch zu erwähnenden Wolfsbrunnen schier gegenüber, auf einem anmutigen Rebenhügel liegt, von welchem noch einige Pfeiler der schönen Brücke gesehen werden. Um das Jahr 1048 hatte hier Anshelm, ein edler Franke, auf den vielleicht römischen Grundmauern seiner Altenburg, die er von Lorsch zu Lehen trug, Mönchszellen und eine Kirche erbaut. Jene schuf Konrad, auf Antrieb seiner Gemahlin, in ein Frauenkloster um, und setzte ihm seine eigene Tochter Kunigunde als erste Äbtissin vor. Später ward es in ein adeliges Fräuleinstift verwandelt. Der reizende Weg dahin führt über den Haarlass, ein Name, der daraus erklärt wird, dass hier die dem Kloster gewidmeten Jungfrauen die Zierde ihrer Locken zum Opfer brachten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland