Die übrigen Rheinfälle

Stolz auf die neu gewonnenen Schätze, die ihn um mehr als das Doppelte bereichert haben, eilt nun der Rhein den vier Waldstädten zu, nicht jenen eidgenössischen, sondern den andern im ehmals österreichischen Fricktal. Auch von diesen, Waldshut, Lauffenburg, Seckingen und Rheinfelden, ist eine vom Walde genannt, wie dort der Schweizerkanton Unterwalden, der in ob und nid dem Wald zerfällt, deutlich auf Wald hinweist. Sonst bliebe wohl erst zu untersuchen, ob der Name beider vier Waldstädte nicht eher von Gewalt abzuleiten sei. Nach dem Walde, welcher den rheinischen Waldstädten den Namen gegeben haben solle, brauchen wir nicht lange zu fragen, da links das Juragebirge, rechts der Schwarzwald zur Hand sind. Dass Ersteres die noch zu besprechenden Rheinfälle verursache, ist viel unbezweifelter, als bei den schon besprochenen. Am bedeutendsten und schönsten, obwohl dem schaffhausischen bei Weitem nachstehend, ist unter jenen der kleine Lauffen bei der zweiten Waldstadt Lauffenburg. Er hindert die Talfahrt nicht ganz, indem die Schiffe ausgeladen und an Seilen hinabgelassen werden. Es wäre keineswegs unmöglich eine sichere Strombahn durch das Felsenriff zu sprengen; aber den Lauffenburgern geschähe damit so wenig ein Gefallen, als den Schaffhausern, wenn man nach dem Vorschlage, der im ganzen Ernste gemacht worden ist, den dortigen Stromsturz durch einen bequemen Handelskanal abgrübe und umginge. Man hat diesen Gedanken, der uns um eins der schönsten Naturschauspiele brächte, einen gottlosen genannt. Wer weiß indess, wie bald ihm in unsrer industriösen Zeit die Ausführung bevorsteht. Und am Ende fragt es sich noch, ob nicht in einem frommem Weltalter, als dieses ist, die Lücke im Felsendamm des mittlem Rheinfalls von Menschenhänden gesprengt worden ist? Um den großen Lauffen freilich wär' es Schade ; doch hier kann man es wohl dem Strom überlassen, sich selbst sein Bette zu ebnen. Er wird es früher vollbracht haben, als man gewöhnlich glaubt.

Der vierte Rheinfall, der Höllhaken, das Gewild, oder die Wölfe genannt, beginnt schon eine Stunde oberhalb Rheinfelden und hat eine, wiewohl sehr schmale Durchfahrt, bei der es aber der grössten Behutsamkeit bedarf. Zu Seckingen pflegt man erfahrene Steuerleute einzunehmen, um die Schiffe über diese gefährliche Stelle bis nach Rheinfelden zu steuern, wo der Fall unter der Brücke aufhört und der Strom sich beruhigt.


Seckingen, die dritte Waldstadt, würde uns veranlasst haben, die Legende des heiligen Fridolin, der als ihr Stifter gelten kann, einzuflechten, wenn diese nicht in allen Reisebüchern erzählt würde. Mit dem Fridolin in Schillers Gang nach dem Eisenhammer hat er nichts gemein. Vermutlich verdankt aber der Kanton Glaris diesem Heiligen den Namen. Ihm ward es nämlich zu Ehren des heiligen Hilarius, welchem Fridolin besondere Andacht gewidmet hatte, geschenkt. Wer die Kehllaute der schweizerischen Mundart kennt, wird den Übergang von Hilarius in Glaris begreiflich finden. Schwerer ist Seckingen selbst abzuleiten. Weder der Sack, den die Stadt im Wappen führt, noch die alten Sequaner, die freilich den meisten Anspruch haben, wollen dazu gefallen. Die reizende Lage des Orts, auf einer Rheininsel, von anmutigen Höhen umgeben, macht die dritte, an sich schon barbarische, Ableitung, weil sie gleichsam in einem Sack liege, gar zu Schanden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das malerische und romantische Deutschland