Befreiung aus der Gefangenschaft

Der Hauptmann gab sich neuerdings Mühe, Krafts Befreiung zu erwirken, und er glaubte dem Gefangenen zu nützen, wenn er den Kadi für ihn günstig stimmte. Er veranlasste daher denselben, seinem Schützling eine Schlaguhr, die nicht mehr gehen wollte, zur Wiederherstellung anzuvertrauen. Mit großer Mühe legte Kraft die Uhr auseinander, entdeckte die zersprungene Feder und ließ diese von einem Goldschmied mit Silberstiften zusammennieten, so dass die Uhr bald wieder ging und schlug.

Der Kadi war sehr zufrieden, meinte, die Uhr gehe jetzt besser als vorher, ließ aber zum Verdruss des Hauptmanns von weiterer Dankbarkeit nichts merken. Bald erfuhr er, dass die Gläubiger, sobald sie von der Uhr gehört hatten, den Kadi durch ein neues Geschenk auf ihre Seite gebracht und ihn glauben gemacht hatten, es sei Jemand aus Frankreich unterwegs, um Kraft auszulösen. Durch den Hauptmann vom Gegenteil überzeugt, machte er nun selbst den Vorschlag, Kraft möge bei den französischen Kaufleuten so viel Geld aufzutreiben suchen, um den Gläubigern einen Vergleich anbieten zu können. Kraft erklärte zwar, es werde wohl Niemand für ihn soviel Geld hergeben wollen, ließ aber zugleich, nach geheimer Verabredung mit seinen Freunden, die Einleitung zu einem Vergleiche anbahnen.


Einige Franzosen sollten hiernach für ihn eintreten und ihm scheinbar eine Summe Geldes vorstrecken, diesen Betrag jedoch von den angelangten 1.800 Dukaten entnehmen. Auch der Konsul ging auf diesen Plan ein und teilte nun dem Hauptmann mit, dass er Hoffnung habe. 1000—1200 Dukaten als milde Gabe von den Christen in Tripolis zusammenzubringen. Der Kadi erwies sich aber wieder schwieriger, denn neue Geschenke der Gläubiger hatten ihn abwendig gemacht, und unwillig gab er dem Hauptmann zu verstehen, wenn Kraft sich so viele Freunde und Fürbitter machen könne, warum er denn gar nichts für ihn tue?

Da kam Kraft, während er vor Sorgen schlaflos auf dem Lager sich umherwarf, der Gedanke, dass der Kadi eine schöne weiße Lieblingsfrau habe: diese müsse durch ein Geschenk zu einer Fürbitte gewonnen werden. Als er dem Hauptmann diesen Plan mitteilte, rief dieser: „Das haben Dir die Engel eingegeben!“ Er legte die Hand auf die Brust und beteuerte, er freue sich von Grund des Herzens über solchen Vorschlag, denn er wisse, wie der Kadi seine Frau liebe, und wenn sie wolle, könne sie wohl die Freilassung bewirken. Der Konsul musste zwei schöne seidene Kleider kaufen, von grünem und karmoisinrotem Damast, welche der Frau des Kadi durch ihre Mohrin übergeben wurden. Die Mohrin brachte dabei die Bitte des Hauptmanns und der französischen Kaufleute vor, und die Frau hörte mit Teilnahme die Leidensgeschichte des jungen blonden Christen, den sie bei ihrem Herrn die Uhr hatte herrichten sehen. Sie erwiderte, da der Hauptmann und der Christ so gutes Vertrauen zu ihr hätten, sollten sie sich auch darauf verlassen, dass sie die Sache ordentlich anfangen werde: sie wolle die Kleider, die sie mit Dank annehme, ihrem Herrn als Beweis vorlegen.

Der Kadi hörte zuerst entsetzt auf die Bitte der Frau: als diese aber meinte: „Hat er mir schon so schöne Kleider verehrt, was wird er Dir noch schenken!“ — wurde er williger. Am 24. August ließ er den Hauptmann und Kraft zu sich kommen und fragte, ob Mittel vorhanden seien, die Befreiung so auszuführen, dass er es verantworten könne, denn die Schuldenlast betrage 24.000 Dukaten. Kraft erwiderte: „Ja, nach der Rechnung der Gläubiger, doch haben sie hohe Zinsen darauf geschlagen.“ „Dem sei, wie ihm wolle“, meinte der Kadi, „wie kann ich Dich für 1000 Dukaten bei einer so großen Schuldforderung freigeben?“ Kraft bewies nun, dass er erst in das Land gekommen sei, nachdem die beiden jetzt gestorbenen Genossen die Einkäufe schon zum größten Teile gemacht und sich dafür verbürgt hatten, dass er also der am wenigsten Verpflichtete sei.

Dies leuchtete dem Kadi ein und er fragte: „Wenn ich Deine Gläubiger zur Annahme der 1.000 Dukaten bewege und Dir davon helfe, was werde ich davon haben?“ Kraft meinte, vielleicht noch 100 Dukaten unter den Christen aufbringen zu können. Damit erklärte sich der Kadi zufrieden, denn viele Fürsprecher seien ihm über den Hals gekommen, ließ sich aber von Kraft versprechen, dass er ihm nach seiner Rückkehr in die Heimat eine schöne schlagende Uhr schicke. Nun wurde auch ein letzter Bestechungsversuch der Gläubiger abgewiesen, und am Nachmittag Kraft, der Konsul, der Dolmetscher und einige Franzosen, sowie die Gläubiger, vor den Kadi beschieden, der jetzt die Gläubiger mit vieler Beredsamkeit zur Annahme der 1.000 Dukaten bewog. Eine türkische Befreiungsurkunde wurde aufgesetzt, in welcher Kraft als Jan Ebn Jan, d. i. Hans Hansens Sohn, eingetragen wurde, worauf der Richter seine Rechte darüber ausstreckte und rief: „Sajjiboh!“ d. i. Frei!