Intrigen und ihre Folgen

Zu Ende Mai kamen acht Frauen, die vornehmsten von Tripolis, um die Frau des Hauptmanns, ihre Gespielin, zu besuchen, und vergnügten sich auf dem Schlosse während einer vollen Woche mit Essen und Trinken, Stricken, Nähen und allerlei Kurzweil. Der Hauptmann war unterdes in der Stadt bei seinen drei anderen Frauen, denn nur die vornehmste hatte er bei sich im Schlosse. Die türkischen Frauen erscheinen auf der Straße stets nur in Gesellschaft von vier bis acht, Alle gleichmäßig gekleidet, mit verhülltem Antlitz. Kein Mann darf sie anreden, nicht einmal die eigene, wenn sie mit anderen sich ergeht, so misstrauisch und eifersüchtig sind die Türken.

Die Frauen-Gesellschaft im Schlosse zeigte sich sehr neugierig, kaufte von dem Gefangenen Knöpfe und trat selbst zu ihm ins Gemach. Da Alle sehr freundlich mit ihm redeten und unverhüllt waren, betrachtete Kraft sie mit Muße und ohne Gefahr. Sie hatten zarte, weiße Gesichtsfarbe und waren von schlanker, schöner Gestalt. Die eine aber war eine Mohrin mit glänzenden Augen und weißen Zähnen. Nachdem sie ihre Neugier befriedigt hatten, nahmen sie aufs Freundlichste Abschied. Bald sollte Kraft die türkischen Frauen noch näher kennen lernen.


Am 5. Juli, während der Hauptmann in die Moschee gegangen war, kam eine zarte, kleine Frau mit unverhülltem Antlitz zu ihm ins Gemach, grüßte freundlich: „Friede sei mit Dir!“ und fragte auf Arabisch, wie es ihm gehe? Als er erwiderte: „Gut!“ sprach sie: „Dank sei dem arabischen Gott!“ und ließ ihn nachsprechen: „Es ist nur ein Gott!“ Das tat er: als er aber weiter sagen sollte: „Muhamed ist der Höchste nach Gott!“ begnügte er sich, still mit dem Kopf zu schütteln. Nun brachte sie andere Dinge zur Sprache und als er ängstlich und immer besorgter wurde, denn er fürchtete, belauscht zu werden, sprach sie lachend: „Fürchte Dich nicht, Du liebes Auge!“ und streichelte mit der rechten Hand seinen Bart unter dem Kinn. Jetzt wurde es ihm angst und bange, und als sie ihre Zärtlichkeitsbeweise wiederholte, stand er entschlossen auf, nahm sein Knopfkästlein und eilte in den Hof. Hinter sich schlug er die Haustür so fest zu, dass Niemand heraus noch hinein konnte.

Am andern Morgen erfuhr er von dem jungen Mohren, der ihn bediente, dass es die Frau des Hauptmanns gewesen und dass sie zornig die Treppe hinauf in ihr Gemach geeilt sei. Nun wusste er, dass er sich vor ihrer Rache wohl zu hüten habe. Bald darauf, am 20. Juli, arbeitete Kraft neben dem Lehrer im Hofe, da ging der Masure an ihm vorüber in seine Kammer. Weil er ihm zu lange darin blieb, ging Kraft nach und fand ihn auf seiner Matte, als ob er schlafe. Als Kraft ihn anrührte, spie er und stieß mit dem Fuße nach ihm, und als Kraft ihn endlich beim Rock nahm, sprang er auf, warf ein langes Hackemesser von sich, lief in den Hof und schrie, der Franke habe ihn ermorden wollen. Sogleich erschien auch die Frau am Fenster und mehrte den Lärmen.

Als der Hauptmann kam, wurde ihm dieselbe Lüge mit großem Geschrei vorgebracht, worauf er Kraft in ein finsteres, unreines Gefängnis abführen ließ. Hier blieb er mehrere Tage, trotz den Bitten des französischen Konsuls und des Dolmetschers: selbst der Kadi nahm sich seiner an und der Lehrer sprach überall zu seinen Gunsten. Der Hauptmann tat immer noch sehr erzürnt, ließ Kraft aber wissen, er könne ihn doch nicht eher losgehen, als bis ihm Etwas verehrt worden sei, da es sonst aussehe, als ob er ihm Unrecht getan habe. Kraft schenkte ihm zehn und seinem Sohne zwei Dukaten, worauf der Hauptmann den Masuren für schuldig erkannte, den Kraft nur durch seine Fürbitte von der Prügelstrafe befreite.