An Bord der "St. Croce"

Mit Ende August war die „St. Croce“ segelfertig. Die Principale brachten unsern Ulrich und den Doktor mit Lautenspiel und Gesang unter Begleitung aller Freunde an Bord. Sie hatten ihre Diener mit allem Nötigen versorgt, insbesondere mit zwei trefflichen Schinken, zwei Pasteten von indischem Geflügel, mit gutem Wein in großen Flaschen, Rosenessig, sowie mit einer Reiseapotheke. Nach dem Abschied von ihren Herren gelobten sich Rauwolf und Kraft, brüderlich einander in Freud und Leid beizustehen, sich nicht zu verlassen, sondern Leib und Leben für einander zu wagen, und sie riefen des Allmächtigen väterlichen Beistand dazu an. Kraft hatte die Aufsicht über Schiff und Ladung erhalten und ihm war die Bestimmung der Fahrt überlassen, dem Schiffshauptmann blieb nur der Befehl über die Mannschaft.

Die ,,St. Croce“ war nur ein gewöhnliches Schiff und hatte wenig über 3.000 Zentner an Kurzwaren geladen. Außer Kraft und Rauwolf, denen ein besonderes Kämmerlein auf dem Schiffe angewiesen war, bestand die Schiffsmannschaft aus dem Patron, dem Nocchiere oder Leutnant, dem Piloten, der über den Kompass gesetzt war, dem Schreiber, der Rechnung führte über Alles, was aus- und einging, dem Guardian, der die Ordnung auf dem Schiffe handhabte, dem Aguzzin, der die Strafen am Schiffsvolk vollzog, drei Büchsenmeistern, zwei Kalfaterern, einem Küfer, der den Wein und das Wasser zu besorgen hatte, einem Koch und seinem Küchenjungen, die täglich 48 Personen zweimal zu speisen hatten, und 21 Schiffsgesellen von 18 — 40 Jahren. Außerdem waren noch 6 Schiffsbuben von 10—14 Jahren an Bord, welche die Schifffahrt erst erlernen sollten, von Jedermann gehänselt wurden und regelmäßig täglich zweimal bei Aufgang und Untergang der Sonne das Schiffsgebet verrichten mussten. Das Dienstgeld wurde von Monat zu Monat ausbezahlt und nur auf eigene Kosten erhielt die Mannschaft Speise und Trank von Denen, welchen der Vorrat im Schiff gehörte. — Auch zu ernsthaftem Kampfe war die „St. Croce“ wohlbewehrt mit 13 verschiedenen Geschützstücken, welche auf niedrige Räder gestellt waren. Außerdem hatte jedes Geschütz noch drei bis vier Mörser, so dass, ehe der eine losgebranut wurde, der andere schon wieder geladen und zugeschlagen war. Diese Einrichtung gesiel dem Kraft so sehr, dass er sich ein Modell von Holz darnach fertigte, um es mit nach Deutschland zurückzunehmen. An Munition hatte das Schiff 1.120 Pfd. Pulver mit ungezählten Kugeln und 100 Pfd. Blei, an Waffen noch zwei Doppelhaken und sechs gewöhnliche Soldatenhaken, zwölf lange Spieße, sechs runde Schilde, eine Anzahl Jagdbüchsen, eine Trompete und eine Trommel, an Esswaren Rindfleisch, lebende Hammel, Hennen, Eier, gesalzene Fische, Biskuit usw.


Am 2. September 1573, als sich ein starker Nordwestwind erhoben hatte, versammelte der Patron die ganze Schiffsgesellschaft um sich, redete zu ihnen in ernsten Worten, dass wer die Fahrt fürchte, noch ans Land zurückkehren möge: welche aber ernstlich gesonnen seien mitzufahren, die sollten jetzt einander verzeihen, friedlich und gottesfürchtig mit einander leben, dem Schiffshauptmann und Vorgesetzten gehorchen und ihres Amtes mit Leib und Leben warten. An Eides Statt musste Jeder zwei Finger aufheben mit dem Versprechen, diesem Allen treulich nachkommen zu wollen. Die Anker und das Boot
wurden jetzt in das Schiff gewunden, die Segel des Vordermastes fielen herab und die „St. Croce“ gewann die offene See. Alle warfen sich jetzt auf die Knie, beteten drei Ave Maria, das Vater Unser und den Glauben, und der Leutnant empfahl Schiff und Insassen gegen Sturm und Feinde der Barmherzigkeit des Allmächtigen, wozu Alle laut riefen: „Amen, Amen, Amen!“

Man hatte in den ersten Tagen viel mit widrigen Winden, die mit Windstillen wechselten, zu kämpfen, so dass erst am 11. September Sizilien erreicht ward. Im Venetianischen Golf (Ionisches Meer) vertrieb sich die Mannschaft die Ungeduld mit Angeln, denn das Schiff wurde auch hier tagelang hin und her geworfen. Man fing unter anderen Fischen zwei pilzförmige, sogenannte glatte Rochen, welche Krafts und Rauwolfs Aufmerksamkeit erregten. Es waren Fische von missgestalteter Form, ohne Schuppen, Knochen und Eingeweide, und hatten nur Knorpel und schwarzes Blut. Die Schiffsleute kochten diese Meeresbewohner und bereiteten sie mit Essig und Öl zu, darauf verspeisten sie dieselben mit großem Behagen. Kraft und Rauwolf kosteten aus Neugierde die Speise und fanden die Fische zäh und unschmackhaft.

Am 14. September frühmorgens erhob sich mit einem Male unter den Schiffsleuten ein Lärmen und Aufschreien. Es sei heute Kreuzerhöhungstag, so sagten die Leute, und weil das Schiff das „Heilige Kreuz“ heiße, müsse ein Feiertag abgehalten werden. Der Patron versammelte sogleich die Schiffsgesellschaft und ließ sie früh um 7 Uhr für die bisher glücklich vollbrachte Fahrt ein Dankgebet verrichten, worauf drei Falconettlein gelöst und dem Tage zu Ehren ein Hauptfrühstück gehalten wurde. An dem selben Nachmittage um drei Uhr ging die See hoch und hohl, ohne dass die Luft sich bewegte. Alsbald brauste auch schon der Sturm heran, so ungestüm und heftig, dass alle Segel bis auf das Mittelsegel eingezogen werden mussten und die Wogen über das Schiff hinweg gingen. Alle sahen den Untergang vor Augen und nur durch die Geschicklichkeit des Steuermannes entrannen sie der Gefahr, wiewohl vom starken Schwanken des Schiffes gar Mancher zu Boden geworfen wurde. Nach zwei Stunden beruhigte sich das Meer und ein guter Nordwest trieb das Schiff so gewaltig vorwärts, dass sie am Dienstag in aller Frühe schon Candia oder Creta in Sicht bekamen. Neue Stürme warfen jedoch das Schiff bis zum 17. wieder hin und her.