Erste Kontakte mit den Türken

Erst am 20. kam wieder ein günstiger Wind, eine „sanft luftige, von Mittag herschwebende tramontana“, mit welcher sie am 21. das Ende der Insel Candia erreichten und bis zum nächsten Morgen an 60 französische Meilen über die Insel hinauskamen. Hier begegneten sie einem französischen Fahrzeuge, das nach Marseille zurückfuhr und Briefe an die Herren Mannlich mitnahm. An Bord desselben erfuhr Kraft, dass Rauwolfs Bruder Georg, der gleichfalls in Diensten dieses Hauses stand, auf Cypern gestorben sei: doch verschwieg er seinem Gefährten die Nachricht, um ihn für den übrigen Teil der Reise nicht traurig zu stimmen. Mit dreimaligem lauten Geschrei „Addio! Addio, Addio!“ und dem Losbrennen einiger Geschütze trennten sich die Schiffe.

Am 25. bei Sonnenaufgang erkannten sie schon in der Ferne den Libanon, an dessen Fuß Tripolis liegt, und warfen Anker vor dem Hafen von Salines oder Famagusta auf Cypern. Da sie hier einen Diener der Mannlichs aufsuchen sollten, ließen sich Kraft, Rauwolf und der Hauptmann ans Land rudern. Hier aber wurden sie alsobald von drei Türken zu Pferde in Empfang genommen und in das nahe türkische Lager gebracht. Der oberste Befehlshaber desselben saß in einem weiten, schön geschmückten Zelt auf buntgewirktem Teppich auf dem Boden, zwischen drei schwellenden runden Kissen, die mit Gold, Silber und Seide reich geziert waren. Es war ein dicker, feister Mann, mit einem Kaftan von feinem Scharlachtuch bekleidet, er hatte den Kopf mit einem weißen Bund bedeckt und hielt in der Hand ein eine Elle langes und einen Finger breites Eisen, das außen mit Gold geätzt, innen mit rauem schwarzen Bein bekleidet war, und das er wie andere vornehme Türken gebrauchte, um die Haut und besonders den Rücken damit zu kratzen. Ihm zu beiden Seiten saßen zwei einfacher gekleidete Herren, hinter ihm befanden sich die mit Büchsen, Säbeln und Tartschen gerüsteten Wachen, neben ihm ein gewaltiger, in Pelz seltsam gekleideter Krieger mit eisernem, von Spitzen starrendem Faustkolben.


Solche Gesellen nannten die Türken Deli: sie waren der Obersten Vorfechter und gewöhnlich waghalsige, gewaltige Kriegshelden. Zwei andere Türken traten jetzt ein, legten die rechte Hand auf die Brust, neigten ihr Haupt, streiften, ohne die Hand zu gebrauchen, die Schuhe ab und setzten sich neben den beiden Herren auf den Teppich. Rauwolf und Kraft erhielten Stühle außerhalb des letzteren: der Schiffshauptmann, mit den türkischen Sitten vertraut, setzte sich mit ausgezogenen Schuhen auf die Spitze des Teppichs. Vermittelst des Dolmetschers beantworteten die Reisenden des türkischen Obersten Fragen nach Allerlei, besonders nach dem damals mit dem Sultan verbündeten französischen König, dann beurlaubten sie sich mit denselben Förmlichkeiten, unter denen sie gekommen, und zogen ihre Straße nach Salines weiter.

Diesen Ort, der seinen Namen von den Salzgruben hat, fanden sie noch in Folge der Eroberung der Insel, also vom Jahre 1571 her, gänzlich zerstört, von 50 Häusern zeigte kaum eines ein Dach. Bei griechischen Christen, des Patrons Bekannten, nahmen sie vor dem Hause einen Vespertrunk: gelben, wohlriechenden und starken Wein, der aber von den Krügen, in denen er aufbewahrt wurde, einen Pechgeschmack nachließ, samt schönem weißen Brod, kalten Fischen, Fleisch und Früchten. Da sie aber alsbald erfuhren, dass kein Diener ihres Hauses anwesend sei, kehrten sie sogleich auf das Schiff zurück und fuhren noch in derselben Nacht gegen Tripolis. Unterwegs wurde dem Dr. Rauwolf zu seiner größten Betrübnis der Tod seines Bruders mitgeteilt, denn er meinte wenn er nur früher gekommen wäre, hätte er ihn doch noch retten können. Eine mehrtägige Windstille zwang das Schiff, 10 Meilen von Tripolis (Tarabulus) vor Anker zu gehen. Da aber übermannte den Kraft die Ungeduld. Er ließ sich, so sehr auch der Hauptmann abriet, von vier Matrosen in den Hafen rudern und ritt, von einem Matrosen begleitet, auf gemieteten Eseln in die Stadt ein.