Mitteilungen über den Großkhan

Im zweiten Buche seines Reisewerkes erzählt Marco die Taten Kublai-Khans, der im Jahre 1256, 27 Jahre alt, die Regierung antrat, nachdem er sich in allen Kriegen den Ruf des fähigsten und weisesten aller tatarischen Feldherren erworben hatte. Nach der Thronbesteigung übergab er die Kriegsleitung seinem Sohne und seinen Hauptleuten, nur den Krieg gegen Nayan, seinen Verwandten, der sich im Jahre 1286 mit Kaida, einem anderen mächtigen Fürsten, gegen ihn verband, führte er in eigener Person. In 20 Tagen sammelte er ein großes Heer und überfiel die Kriegsmacht des Nayan, während dieser noch schlief. Kublai leitete die Schlacht auf einem hölzernen Kastell, das vier Elefanten trugen, deren Leiber mit Panzern von gehärtetem Leder geschützt waren: golddurchwirkte Decken hingen über diese Panzer herab. Armbrust- und Bogenschützen umgaben ihn im Kastell und die große kaiserliche Fahne mit den Bildern der Sonne und des Mondes flatterte darüber. Sein Heer bestand aus 30 Abteilungen zu Ross, je von 10.000 Mann, welche Massen er in drei Abteilungen so ausbreitete, dass sie die Armee Nayans überflügeln mussten. Vor jeder Abteilung war Fußvolk aufgestellt, das sich hinten auf die Rosse schwang, sobald die Reiter sich zur Flucht wendeten, und heruntersprang, sobald diese einen neuen Angriff unternahmen. Auf den Befehl des Großkhans erschallte auf beiden Flügeln zugleich das Zeichen zum Kampf mit unendlichem Getön aus allerlei Blasinstrumenten, worauf Schlachtgesänge folgten. Dann schoss eine dichte Wolke von Pfeilen auf jeder Seite nieder und streckte ganze Reihen von Männern und Rossen zu Boden. Das Handgemenge folgte mit Lanzen, Schwertern und eisenbeschlagenen Kolben: haufenweise türmten sich die Leichname auf, so dass es für beide Parteien unmöglich wurde, vorzurücken. Der Sieg schwankte vom Morgen bis zum Abend, denn auch für Nayan, der sehr beliebt war, focht sein Heer mit verzweiflungsvollem Mute. Endlich wandte sich dieser zur Flucht, wurde aber ereilt und auf Kublais Befehl zwischen zwei Teppiche gelegt und so lange hin- und hergeschüttelt, bis er verschied, denn weder die Sonne noch die Luft durften Zeugen sein, wenn das Blut eines kaiserlichen Verwandten vergossen wurde.

Nach dem gewaltigen Siege hielt der Großkhan einen prächtigen Einzug in die Hauptstadt Kambalu (Peking) und residierte hier bis zum Osterfest. Bei diesem Feste gab er den Christen die unzweideutigsten Beweise, wie sehr er Jesus Christus als einen der vornehmsten Propheten und dessen Religion verehre, die von den Bekennern nichts verlange, als was heilig und gut ist. Doch weigerte er sich stets, Christ zu werden, denn er glaubte fest an die mächtigen Zauberkünste seiner Priester, deren die Christen nicht fähig seien. Aus seinen weisesten Fürsten erwählte er 12 in den obersten Rat und betraute sie mit der Aufsicht und der Sorge über sein Kriegsheer: nach ihren Berichten erteilte er Ehrenbezeigungen und Würden. Die Hauptleute über 100 Mann erhielten als Zeichen ihrer Macht Tafeln von Silber, die über 1.000 Mann solche von Gold mit dem Haupt des Löwen und einer Inschrift, welche bei Strafe des Todes gegen den Träger der Tafel Gehorsam gebot. Der Oberbefehlshaber trug eine große goldene Tafel mit den Bildern des Löwen, der Sonne und des Mondes: wenn er ausritt, wurde ein Sonnenschirm als Zeichen seines Ranges über sein Haupt gehalten, und wenn er sich setzte, ruhte er auf silbernem Sessel.


Kublai-Khan — so schildert Marco seinen mächtigen Gönner — war mittelgroß, von wohlgebildeten Gliedern und ebenmäßiger Gestalt: seine Gesichtsfarbe licht, mit leichtem Rot überflogen, wie der liebliche Schein der Sonne, sein Wesen voll Anmut: seine Augen dunkel und schön, die Nase wohlgebildet und vortretend. Er besaß vier Frauen vom ersten Range, deren erstgeborene Söhne zur Nachfolge berechtigt und deren Kinder alle rechtmäßig sind. Jede von ihnen heißt Kaiserin, hat ihre besondere Hofhaltung und nicht weniger als 300 Jungfrauen von großer Schönheit zu Dienerinnen mit vielen Frauen, Edelknaben und Verschnittenen, so dass sich ihr Hofstaat auf 10.000 beläuft. Außerdem verfügt der Großkhan über eine Menge Sklavinnen, die alle aus der Provinz Ungut (wahrscheinlich das chinesische Alpenland Ninguta) geholt werden, denn alle Einwohner sind hier berühmt wegen ihrer schönen Gesichtsbildung und lichten Hautfarbe. So oft es ihm gefällt, sendet der Großkhan dorthin seine Beamten, welche alle Jungfrauen der Provinz zusammenrufen und 4- bis 500 der schönsten auswählen. Von besonders darin erfahrenen Männern wird dann die Schönheit der Gestalt, Haar, Auge und Mund geprüft, ihr Wert nach Karat, 16, 18, 20 und mehr, abgeschätzt und die von 20 bis 22 für den Hof zurückbehalten. Hier werden sie abermals von einem besonderen Ausschuss geprüft und 20 bis 30 nach der höchsten Schätzung für den Großkhan zurückbehalten. Diese werden nun Nachts von vornehmen Frauen beobachtet, ob sie keine sonstigen Mängel haben, nicht schnarchen, von reinem Atem und frei von üblen Ausdünstungen sind. Haben sie auch diese Prüfung überstanden, so versehen sie in Abteilungen von je fünf in den innersten Gemächern des Palastes den Dienst, denn hier ist die Aufwartung nur jungen Mädchen vertraut: die geringer geschätzten werden den Herren der Hofhaltung zugewiesen und bei diesen im Kochen, Kleidermachen u. s. w. unterrichtet. Wünscht ein Herr vom Hofe eine solche zur Frau zu nehmen, so gibt der Großkhan eine reiche Mitgift. Deshalb freuen sich alle Väter, wenn ihre Töchter für den Hof hübsch genug befunden werden, und glauben in solchem Falle, dieselben seien unter günstigem Stern geboren, da der Großkhan sie am besten verheiraten kann.

Des Großkhans Palast in Kambalu, wo er vom Dezember bis Februar residiert, steht an der südlichen Seite der Stadt, von einer Mauer und einem tiefen Graben umgeben, und bildet ein Viereck, dessen Geviertseiten je acht (chinesische) Meilen in der Länge haben, und ein Tor, das stets von Volk aus allen Gegenden umlagert ist. Innerhalb der Mauer ist ein Zwischenraum von einer Meile in der Breite für die Truppen: dann folgt eine zweite Mauer, die ein Viereck von sechs Meilen im Umfang einschließt und drei Tore auf der südlichen und drei auf der nördlichen Seite hat, durch deren mittlere der Großkhan allein aus- und einzieht. Acht große Gebäude stehen in diesem Bezirk, gefüllt mit dem kaiserlichen Kriegszeug. Der dritte Bezirk, von 20 Fuß hohen, mit weißen Zinnen gezierten Mauern umgeben, umschließt ein Viereck von vier Meilen, hat sechs Tore und acht große Gebäude mit des Kaisers Kleidung und Hofgeräte. Überall sind schöne Waldungen und Wiesen, mit zahmen und wilden Tieren aller Art, überall ist üppige Weide. Drei Fuß hohe, gepflasterte Fußwege führen nach allen Richtungen, so angelegt, dass das Regenwasser sogleich auf die Wiese abläuft. In dieser innersten Mauer steht der Palast des Großkhans, an Größe ohne Gleichen, denn er reicht vom nördlichen bis zum südlichen Ende der Mauer und umschließt einen weiten Hof, über den aber nur Personen von Rang und die Wache schreiten dürfen. Er besteht aus einem Erdgeschoss und einem Dach und steht auf einer zehn Spannen über dem Boden erhabenen gepflasterten Plattform, die ringsum von einer Marmormauer mit schönem Säulengeländer umgeben ist. Die Wände der Hallen und Zimmer zieren vergoldetes Schnitzwerk, Figuren von Kriegern, Drachen und allerlei Vögeln, Darstellungen von Schlachten und Jagdvergnügungen, und auch an der innern Seite des weit vorspringenden Daches sieht man nichts als Gold und Malerei. Auf jeder Seite des Palastes führt eine große Freitreppe von Marmorstufen hinauf und in die Halle, die nur zu den Gastmählern gebraucht wird und eine ungeheure Menge Volks fasst. Außerdem enthält der Palast eine große Zahl bewunderungswürdig schöner Zimmer mit Fenstern so durchsichtig und klar wie Kristall. Der hintere Teil des Palastes bewahrt in vielen Zimmern den Schatz, Gold und Silber, Edelsteine und Perlen und die köstlichsten Gefäße. Hier sind auch die Zimmer der Frauen und Kebsweiber, und in dieser Abgeschiedenheit vollendet der Großkhan am liebsten seine Geschäfte. Diesem Palast gegenüber steht der Palast seines Sohnes Cingis, ähnlich jenem in Allem. An seiner nördlichen Seite ist ein künstlicher Hügel von 100 Schritt Höhe und einer Meile in der Grundfläche, mit den schönsten immergrünen Bäumen besetzt, denn wo nur der Großkhan einen prächtigen Baum sieht, lässt er ihn ausheben und auf Elefanten hierher schaffen. Auf diesem „grünen Berge“ steht ein zierlicher grüner Pavillon, und alles dies zusammen gewährt einen wunderbar köstlichen Anblick. Gegen Norden, noch in dem Bezirk der Stadt, ist die Höhlung, wo die Erde zu diesem Berge ausgegraben wurde: ein Bach ist hineingeleitet und das Ganze zu einem schönen Teich, das Vieh zu tränken, umgewandelt. Von hier läuft die Strömung über einen Aquädukt in ein weites Bassin zwischen den kaiserlichen Palästen, das die Tafel des Großkhans mit Fischen versorgt und am Ab- und Zufluss mit metallenen Gittern geschlossen ist. Schwäne und Wasservögel aller Art beleben den Teich und eine schöne Brücke führt von einem Palast zum andern.

Neben dieser ältern Stadt Kambaku, d. i. Stadt des Herrschers, hat der Großkhan aus Furcht vor Empörung, welche ihm seine Sterndeuter verkündigten, auf der anderen Seite des Flusses, an dem die Stadt liegt, eine neue erbaut Taidu (Ta-tü, d. i. neuer Hof) und alle Einwohner, welche aus der Provinz Kataja stammen, mit Ausnahme nur weniger Begünstigter, hierher versetzt. Auch diese neue Stadt, von einer weißen Mauer umgeben, hat die Gestalt eines Vierecks und 24 Meilen im Umfang. Sie ist durchaus rechtwinklig angelegt, so dass schnurgerade Straßen, zu beiden Seiten mit Buden und Kaufläden besetzt, von einem Tor zum andern führen. Alle Grundbesitzungen sind ins Geviert verteilt und stehen in gerader Linie zu einander, so dass die Stadt völlig einem Schachbrett gleicht. Der Wall hat 12 Tore, drei an jeder Seite, über jedem Tore und in jedem Raum zwischen zwei Toren steht ein großes Gebäude, wo die Waffen der Stadt aufgestellt sind. Jedes Tor wird von 1.000 Mann bewacht. Im Mittelpunkt der Stadt hängt in einem hohem Gebäude eine große Glocke: wenn diese des Nachts angeschlagen wird, darf sich Niemand mehr auf der Straße sehen lassen, er habe denn einen Totkranken oder eine Frau in Kindesnöten im Hause, und auch dann muss er ein Licht tragen. Wer von den Wachen, die 20 bis 40 Mann stark jede Nacht umziehen, gefangen wird und sich nicht genügend entschuldigen kann, erhält die Bastonnade. Vor jedem Tor ist eine Vorstadt, die bis zum nächsten Tore reicht, so dass die Vorstädte zusammen größer sind als die Stadt. In diesen sind in Zwischenräumen von einer Meile Gasthöfe und Karawanserais für die fremden Kaufleute gebaut, für jedes Volk besondere.

Des Großkhans Leibwache besteht aus 12.000 Reitern, den Kasitan oder Quiesitan, d. i. Getreue des Herrn. Sie werden von vier Hauptleuten befehligt, deren jeder mit seinen 3.000 drei Tage und drei Nächte die Wache hat: doch dürfen auch die Übrigen ohne Erlaubnis den Palast nicht verlassen. Hält der Großkhan feierlichen Hof, so steht eine Tafel vor seinem erhabenen Thron. Er sitzt auf der nördlichen Seite der Halle, das Gesicht gegen Süden gewendet, ihm zur Linken die Kaiserin, zur Rechten auf etwas niedrigeren Sesseln seine Söhne und Enkel: dann folgen die anderen Prinzen, die Reichsbarone und Ritter auf noch tieferen Sitzen: in gleicher Ordnung sitzen auf der linken Seite des Thrones die Gemahlinnen der Anwesenden. Der größte Teil der Ritter und ihrer Frauen schmaust auf Teppichen, und außen vor der Halle steht eine ungeheure Menge Volkes mit Geschenken und Bitten. Von seinem Thron aus überschaut der Großkhan das Ganze. — In der Mitte der Halle befindet sich ein prachtvolles Kunstwerk in Gestalt eines viereckigen Schreins, drei Schritte in der Länge und drei in der Breite, mit schönen Tierfiguren geziert und ganz übergoldet. Im Innern birgt es ein kostbares, einem Kruge ähnliches Gefäß, das ungefähr eine Tonne fasst und mit Wein gefüllt wird. Auf jeder der vier Seiten steht ein kleineres Gefäß, etwa einem Oxhoft gleich, das Stuten-, Kamelmilch und andere Getränke enthält. In demselben Büffet sind auch die Trinkgefäße und Pokale aus Gold, deren jedes für 8 — 10 Personen ausreicht und vor je zwei Personen, Männer wie Frauen, gesetzt wird, zugleich mit einem silbernen oder goldenen Löffel in Gestalt eines Bechers zum Ausschöpfen. Besondere Hofmeister sorgen für die Rang- und Tischordnung. An jeder Tür stehen zwei Männer von riesiger Gestalt mit Stäben, um die Eintretenden zu hindern, dass sie beim Überschreiten nicht die Schwelle mit den Füßen berühren, denn dieses halten sie für ein Zeichen von böser Vorbedeutung. Die Herren, die den Großkhan bedienen, verhüllen Nase und Mund mit Schleiern und seidenen Tüchern, damit Speise und Wein nicht von ihrem Atem berührt werden, treten zurück und knien nieder, sobald sie den Becher überreicht haben, worauf die Hofherren und Alle, die zugegen sind, das Gleiche tun. Die Musiker schlagen ihre Instrumente, so lange der Großkhan trinkt: setzt er den Becher ab, so nehmen Alle ihre Plätze wieder. Nach dem Mahl werden die Tische entfernt, Schauspieler und Sänger, Gaukler und Zauberer treten ein und ergötzen den Großkhan und seine Gäste, bis Alle nach Hause gehen. — Der Geburtstag des Großkhans, der 28. Mondestag des Septembers, ist im ganzen Reiche ein großes Fest. Der Kaiser kleidet sich dann in ein köstliches, golddurchwirktes Gewand und 20.000 Fürsten und Vornehme in eben solche Gewänder von Seide und goldschimmernder Farbe mit golddurchsticktem Gürtel und ähnlichen Stiefeln, mit Steinen und Perlen, oft im Werte von 20,000 Byzantinern. An dreizehn großen Festtagen werden diese Kleider getragen, und wenn die Herren so köstlich geschmückt sind, meint man wohl, es seien lauter Könige. Zieht der Großkhan ein anderes Gewand an, so tragen auch die Großen ähnliche, doch sind es Kleider, die meistens 10 Jahre dauern. Noch großartiger ist das Weißfest. Die Tataren rechnen den Anfang des Jahres vom Monat Februar und an diesem Tage legt der Großkhan mit allen seinen Untertanen weiße Gewänder an, denn die weiße Farbe bedeutet Glück. Alle, welche Länder und Ämter unter dem Großkhan verwalten, überreichen ihm wertvolle Geschenke, Gold, Silber und edle Steine, mit vielen Stückchen weißen Tuches, als Zeichen ihres Glückwunsches. Ähnliche Geschenke machen sich gegenseitig die Großen und Vornehmen und umarmen sich mit lauten Freudenbezeigungen und den Worten: „Möge gut Glück Dich das Jahr begleiten und Alles, was Du unternimmst, nach Wunsch gedeihen!“ Am liebsten verehrt man dem Großkhan an diesem Tage weiße Rosse, die in diesen Ländern nicht ungewöhnlich sind, und wer es vermag, in der Zahl neunmal neun. So schenkt eine Provinz wohl 81 Pferde, oder eben so viele Stücke Gold und Tuch. Auch die Elefanten des Großkhans, an Zahl 5.000, werden an diesem Tage in prachtvollem Zuge vorgeführt, desgleichen die Kamele, alle beladen mit dem, was zum Hofstaat gehört. Am Morgen aber, zu Anfang des Festes, ziehen die Fürsten, Hauptleute und Beamte in der großen Halle vor dem Throne auf: die nicht hinein können, bleiben draußen, so dass der Großkhan sie übersehen kann. Wenn Alle nach ihrem Range geordnet sind, ruft der Obermarschall: „Bückt Euch und betet an!“ worauf sich Alle mit dem Antlitz zur Erde neigen. Wieder ruft Jener: „Gott segne unsern Kaiser und erhalte ihn lange in der Freude des Glücks und im Überfluss aller Länder!“ — und Alle antworten: „Gott, erhalte den Kaiser: Gott, gib es!“ und werfen sich vier Mal nieder. Dann schreitet der Würdenträger zu einem reichgeschmückten Altar, auf welchem eine rote Tafel mit den Namen des Großkhans steht, und beräuchert diese mit einer Räucherpfanne. Nun nahen auch die Übungen und bringen ihre Gaben dar. Nachdem der Großkhan darauf einen Blick geworfen, werden die Tafeln hergerichtet und das Mahl in der oben beschriebenen Weise beginnt. Während seines Aufenthalts in Peking, vom Dezember bis Februar, veranstaltet der Großkhan auf vierzig Tagereisen weit ein allgemeines Treibjagen. Dazu lässt er aus den Nachbar-Provinzen Wild aller Art senden: dann werden die Plätze, wo das Wild sich aufhält, von allen Leuten, die in dieser Provinz Land besitzen, in immer engeren Kreisen umstellt und hierauf: das Wild mit Hunden und Pfeilen getötet. Leoparden, Luchse und schöne Tiger lässt der Großkhan zur Jagd abrichten, und es gewährt einen prächtigen Anblick, wenn ein solches Tier losgelassen wird und mit wütender Schnelligkeit den Eber, den wilden Stier, Hirsche und Bären überholt. Sie werden in Käfigen auf Wagen mitgeführt und ein kleiner Hund ist ihnen beigegeben, mit dem sie sich bald befreunden. Auch Adler werden abgerichtet, auf Wölfe zu stoßen, und sie sind so groß und stark, dass kein Wolf sich ihnen entwinden kann. Zwei Ober-Jägermeister befehligen jeder 10.000 Jäger. Die eine Abteilung trägt rote, die andere lichtblaue Kleider und jede führt gegen 5.000 Hunde mit sich. Auf der Jagd besetzt jene das Feld rechts, diese links, und so rücken beide vor, bis sie einen Landstrich von einer Tagereise besetzt haben, dass kein Wild ihnen entgeht. Es ist ein heiteres Schauspiel, diese Jäger in ihrem Treiben und die Klugheit der Hunde zu sehen, wenn der Großkhan mitten im Kreise ist und die Hirsche, Bären und zahllose andere Tiere nach allen Richtungen verfolgt werden. Von Anfang Oktober bis Ende März müssen die beiden Jägermeister dem Hofe täglich tausend Stück Wild und eine Menge Fische liefern. Im Anfang März verlässt der Großkhan Kambalu und zieht zwei Tagereisen nach Nordwesten gegen den Ozean, begleitet von 10.000 Falknern und Voglern, um mit Sperbern, Sakern und Geierfalken das Wild an den Flüssen zu jagen. Dazu kommen noch 10.000 Taskaol (Wächter), die in kleinen Trupps über die weite Gegend verteilt sind, mit der Pfeife die Jagdvögel an sich locken und sie dann, mit der Kappe verwahrt, den Falknern zurückbringen, denn jeder Vogel trägt ein silbernes Täfelchen am Bein mit den Namen des Eigentümers. Ein besonderer Beamter, Bulangazi, der sein Zelt auf dem erhabensten Punkt des Feldes mit seinem Fähnlein aufgeschlagen hat, führt die Aufsicht über diese Wächter und alles Gefundene wird zu ihm gebracht: wer Etwas verloren hat, meldet sich dort. Der Großkhan sitzt in einem Pavillon, der in den Pässen von zwei, auf der Ebene von vier Elefanten getragen wird, und innen mit golddurchwirktem Tuch, außen mit Löwenfell überzogen ist. Zwölf seiner besten Geierfalken und zwölf seiner begünstigtsten Barone sind bei ihm, viele Andere reiten ringsumher und geben Kunde, wenn Vögel in der Nähe sind. Dann erhebt er den Vorhang, lässt die Falken fliegen und sieht von seinem Ruhebette aus, wie diese nach langem Kampfe die Kraniche bewältigen. Hat er sich an diesem Schauspiel gesättigt, so begibt er sich an den Platz, wo die Pavillons und Zelte seiner Söhne und Großen rings um sein kaiserliches Zelt, das wohl 10.000 Mann fasst, stehen. Dieses ist gegen Morgen mit einem zweiten Zelte verbunden, das in einer weiten Halle den Großkhan mit seinen Vertrauten aufnimmt und eine zweite zum Schlafen für ihn enthält. Daneben stehen die prächtigen Zelte seiner Gemahlinnen, während andere Zelte und Zimmer die Dienerschaft und den Haushalt bergen. Die Zelte sind außen mit gestreiften Tigerhäuten, innen mit Hermelin und Zobel so dicht bedeckt, dass weder Regen noch Wind eindringen kann: die Seile sind von Seide und alle Hallen von drei geschnitzten und vergoldeten Säulen getragen. Man meint in einer volkreichen Stadt zu sein, denn des Kaisers sämtliche Familie und Hofstaat begleiten ihn. So jagt er bis zum Osterheiligenabend an den Flüssen und Seen, ein Vergnügen, dessen Großartigkeit Niemand begreifen kann, der es nicht gesehen hat.

In die Hauptstadt zurückgekehrt, hält der Fürst drei Tage lang prächtigen Hof mit glänzenden Festen, und auch die Herrlichkeit dieser Tage geht über alle Begriffe, die Menge des Volkes in der Stadt ist nicht zu zählen. In der inneren Stadt wird keine Leiche begraben noch verbrannt, Niemand hingerichtet. Wo auch immer der Kaiser seinen Hof hält, dahin strömen Kauf- und Gewerbsleute aller Art und erfüllen die innere Stadt und die Vorstädte. Aus dem ganzen Kataia strömen die Waren zusammen und viele tausend Wagen kommen allein mit roher Seide, denn goldene Gewebe und Seidenstoffe aller Art werden hier in ungeheurer Menge verfertigt. Rings um die Hauptstadt liegen viele Städte, deren Einwohner nur vom Hofe leben.

In Kambalu ist auch die Münze des Großkhans. Papiergeld verstand man schon damals im fernen Ostasien zu fertigen und zwar folgendermaßen. Man nimmt den dünnen Bast, der zwischen der Borke und dem Holz der Maulbeerbäume sitzt, lässt ihn einweichen, in einem Mörserzerreiben und gewinnt daraus ein Papier, das dem Baumwollenpapier gleicht-, aber schwarz ist. Dieses wird in länglich viereckige Stücke von verschiedener Größe zerschnitten: das kleinste gilt einen Pfennig, größere einen bis zehn Groschen, noch andere einen bis zehn goldene Byzantiner. Solches Papier wird mit großem Aufsehen und Gepränge verfertigt, als ob es lötig Silber oder klares Gold wäre, denn eine Anzahl besonders dazu angestellter Beamten schreibt ihren Namen darauf und der oberste Münzmeister stempelt es mit einem in Zinnober getauchten Siegel. Wer es nachmacht, erleidet Todesstrafe, und wer sich weigert es anzunehmen, wagt sein Leben. Zu verschiedenen Zeiten des Jahres langen große Karawanenzüge mit kostbaren Waren an, welche auf Befehl des Großkhans von 12 erfahrenen Männern geschätzt werden: ein billiger Gewinn wird darauf geschlagen und alle Zufuhr gegen Papiergeld vom Großkhan angekauft. Beschädigtes Papiergeld wechselt die Münze gegen neues um, doch mit Abzug von drei Prozent, gibt auch edles Metall dafür dem, der es braucht. Das ganze Heer wird nur mit Papiergeld bezahlt, und so gebietet der Großkhan über einen größeren Schatz, als irgend ein Monarch in der Welt: denn an Papiergeld fehlt es dem glücklichen Manne nie.

Dem gesamten Heerwesen wie den inneren Angelegenheiten stehen zwei höchste Behörden vor von jemalig 12 Personen: jener, der Thai, d. i. oberster Hof, entscheidet über Alles, was das Heer betrifft: dieser, der Sing d. i. zweiter Hof, leitet die Regierung des ganzen Reiches wie der einzelnen Provinzen und hat in Kambalu einen großen Palast mit einer Unzahl von Beamten.

Hochstraßen führen von der Hauptstadt nach allen Provinzen, auf denen in Zwischenräumen von 20 bis 30 Meilen Posthäuser eingerichtet sind, so schön, dass Könige in geziemender Weise aufgenommen werden können. Jede Station hat 400 gute Pferde, von denen die Hälfte immer auf der Weide, die andere zum Dienst bereit ist. Auch in den gebirgigsten Gegenden hat der Großkhan solche Posthäuser mit allem Nötigen einrichten lassen und Bewohner hingeschickt, so dass ganze Dörfer in der Nähe entstanden sind. So sind im ganzen Reiche wohl 200.000 Pferde und 10.000 Posthäuser für das Postwesen bestimmt. Diese praktische, erfolgreiche Einrichtung dünkte unserem Reisenden so wunderbar, wie man sich leicht vorstellen kann. Zwischen den Posthäusern sind von drei zu drei Meilen kleine Dörfer angelegt, jedes mit etwa 40 Hütten, wo die Fußboten des Großkhans wohnen. Sie laufen nur von einem Dorf zum andern und tragen am Gürtel kleine Schellen, um ihr Kommen anzuzeigen, damit der Ablösende sogleich bereit steht: so durcheilen die Nachrichten in kürzester Zeit weite Strecken, und oft wird eine Frucht Morgens in Kambalu gepflückt und am nächsten Abend dem Großkhan in Ciandu überreicht, wozu man sonst zehn Tage brauchen würde. Ein Schreiber auf jeder Station zeichnet die ankommenden und abgehenden Kuriere auf und andere Beamte untersuchen monatlich alle Stationen. Die Kuriere sind frei von Steuer und erhalten gute Löhnung, ihre Pferde werden von den Bewohnern der Stationen verpflegt und alle Dörfer und Städte sind verpflichtet, eine gewisse Anzahl von Postpferden zu stellen und zu unterhalten. An Flüssen und Seen müssen die nächsten Städte stets drei bis vier Kähne bereit halten und an den Wüsten für die Fortschaffung der Gesandten und Boten Sorge tragen. Mit außerordentlichen Depeschen reiten solche Boten 200 — 250 (chinesische) Meilen in einem Tage und tragen dann eine Tafel mit dem Geierfalken als Zeichen der höchsten Eile. Sie umgürten den Leib fest, binden ein Tuch um den Kopf und reiten so schnell sie können: in der Nähe des Posthauses stoßen sie in ein weit schallendes Horn und finden sogleich frische Pferde bereit, reiten auch wohl, wenn kein Mondlicht ist, die ganze Nacht, von Läufern mit Fackeln begleitet.

Jedes Jahr schickt der Großkhan Abgeordnete aus, um den Stand der Ernte in allen Provinzen zu erfahren. Wo Misswachs ist, treibt er keine Schatzung ein und füllt die Speicher mit dem Getreide, das er bei guten Ernten aufkauft und stets nur zur Zeit der Not um den Marktpreis verkauft. Findet irgendwo eine Viehseuche statt, so entschädigt er die Betroffenen aus den eigenen Herden. So steht er überall dem Volke bei, damit es von seiner Arbeit leben und seinen Wohlstand mehren kann. Auch hat er zu beiden Seiten der Landstraßen zwei Schritt von einander Bäume pflanzen lassen, die im Sommer Schatten geben und im Winter, wenn Schnee liegt, den Weg zeigen. Geht die Straße durch felsiges Gebirge, so lässt er Steine setzen und Wegsäulen aufrichten.

Die Einwohner der Provinz Kataja bereiten eine Art von Wein aus Reis und Spezereien, der klar und angenehm von Geschmack ist und, heiß getrunken, schneller berauscht als irgend ein anderes Getränk. Auch verbrennen sie schwarze Steine (Steinkohlen), die zwar keine Flamme geben, sondern nur etwas auflodern, aber viel Hitze ausströmen. Die ungeheure Menge der Einwohner braucht zum Heizen, Baden und Kochen so viel Feuerung, dass das Holz nicht ausreichen würde, während dieser Feuerungsersatz im größten Überflusse vorhanden und überaus wohlfeil ist. Erfährt der Großkhan von einer achtbaren Familie, die in Armut geraten ist, so gibt er her, was zu ihrem Jahresaufwand gehört. Ein besonderes Hofamt ist nur mit Verwaltung der Armen-Angelegenheiten betraut. Niemand wird Speise verweigert, der darum bittet, und kein Tag vergeht, an welchem nicht vom kaiserlichen Hof 20.000 Schüsseln Reis, Hirse u. a. verteilt werden. Deswegen beten die Armen zu dem Großkhan wie zu einer Gottheit.

Gegen 5.000 Astrologen und Schicksalsdeuter sind in Kambalu, für welche der Großkhan fast allein sorgt. Nach Astrolabien, auf denen die Planeten und die Stunden, in welchen diese den Meridian passieren, sowie die verschiedenen Aspekte für das ganze Jahr verzeichnet sind, bestimmen sie den Lauf und die Stellung der Gestirne und sagen die Erscheinungen der einzelnen Monate voraus, Sturm, Erdbeben, Seuchen, Verschwörungen und Kriege. Solche Wahrsagungen schreiben sie auf kleine Vierecke, Takuini genannt, und verkaufen das Stück zu einem Groschen. Wer etwas Neues unternehmen will, lässt sich jedes Mal vorher von ihnen über den Erfolg wahrsagen. Die Zeit berechnen die Tataren nach einem Cyklus von 12 Jahren und geben jedem Jahre den Namen eines Tieres, Löwe, Ochse, Drache, Hund u. s. w., die dann im nächsten Cyklus in derselben Ordnung wiederkehren. An einer hohen Stelle ihrer Zimmerwand hängen sie eine Tafel mit dem Namen des höchsten Gottes, opfern hier täglich Weihrauch und beten um Glück und Gesundheit, indem sie die Hände emporheben und mit dem Antlitz drei Mal auf den Boden schlagen. Unter dieser Tafel steht das Bild Natagais, des Gottes über alle irdischen Dinge, mit seinem Weibe und seinen Kindern. Sie glauben, die Seele wandere unmittelbar nach dem Tode in einen anderen Leib und habe es dann, je nachdem sie es verdiene, besser oder schlechter. Im Umgange unter einander sind sie zierlich und höflich, grüßen sich mit freundlichster Artigkeit und zeigen in Allem gute Erziehung, Anstand und höchste Sauberkeit. Kindliche Undankbarkeit wird aufs Strengste bestraft. Übeltäter sperren sie ins Gefängnis, doch werden sie entlassen, wenn der Großkhan alle drei Jahre die Gefängnisse öffnet: zuvor aber erhalten sie ein Brandmal auf die Wangen. Alle Glücksspiele und Betrügereien, denen die Katajer mehr als Andere ergeben sind, hat der Großkhan verboten. Wenn sie sich auf eine 1/2 Meile dem Platze nahen, wo der Monarch sich aufhält, so nehmen sie schon eine demütige Stellung an, so dass man kein Geräusch, kein lautes Sprechen vernimmt. Alle Vornehmen führen ein kleines Gefäß mit sich, in das sie spucken, und haben sie gespuckt, so legen sie den Deckel.darauf und machen eine Verbeugung. Wenn sie bei Hofe eintreten, ziehen sie Stiefel von schönem weißen Leder an und geben die, welche sie getragen haben, den Dienern, um die Teppiche nicht zu beschmutzen.

009 Kunlai-Khan in seinem Elefantenwagen (Nach dem Livre des Merveilles.)

010 Vornehme begeben sich an den Hof des Großkhans. (Nach dem Livre des Merveilles.)

011 Alte chinesische Banknote.