Das dritte Buch der Reisen Marco Polos

In einem dritten Buche beschreibt Polo Indien, das er in Groß-, Klein- und Mittel-Indien teilt und im Dienste des Großkhans bei verschiedenen Gelegenheiten besuchte. Die großen indischen Kauffahrteischiffe, erzählt er, sind aus Tannenholz gebaut, haben ein einziges Deck, unter demselben aber bis zu 60 Kajüten für die Reisenden, zwei bis vier Masten und eben so viel Segel, die man aufrichten und niederlassen kann. Unter den Kajüten im Kielraum haben sie bis zu 30 Verschlägen aus dicken Planken, damit, wenn das Schiff in Folge der hier zahlreichen Felsen einen Leck bekommt, das eindringende Wasser innerhalb der einzelnen Kammer bleibt. Die Seiten der Schiffe sind nochmals mit Brettern verschlagen und innen wie außen mit Werg kalfatert, der Boden mit einer Mischung von Öl, ungelöschtem Kalk und klein geschnittenem Werg, die fester wird als Pech, eingeschmiert. Solche Schiffe erfordern 150—200 Mann Besatzung, führen 5 — 6.000 Körbe Pfeffer und haben zwei oder drei größere Barken, die gebraucht werden, um das Schiff vorwärts zu rudern, außerdem noch bis zu zehn kleine Boote, die an den Seiten des Schiffes hängen.

Im östlichen Ozean liegt das östlichste Eiland Zipango (japanesisch: Zi-pon oder Nipon), das „Land des Sonnenaufgangs“, wie Marco glaubt, 1.500 Meilen von Manji entfernt.


Seine Einwohner, von heller Gesichtsfarbe, sind wohlgebildet und von guten Sitten, unabhängig und von eigenen Königen regiert. Sie haben Gold in Überfluss, doch ist die Ausfuhr desselben verboten und nur wenige Kaufleute besuchen das Land. Des Königs Palast ist bis zum Dach innen und außen mit goldenen Platten belegt, und goldene Tische sind darin aufgestellt. Das Süd-Meer Cin (Chin-oder China) umgibt diese Inseln so groß und weit, dass in demselben, nach Marco Polos Versicherung, 7.440 Inseln liegen sollen. Fast alle galten für bewohnt und mit den duftendsten Gewürzen und Bäumen bewachsen, reich an Aloë, weißem und schwarzen Pfeffer, Gold und vielen andern Kostbarkeiten. Doch ist die Schifffahrt dorthin zu schwierig, um großen Vorteil zu bieten. Alle diese Inseln waren der Herrschaft des Großkhaus nicht unterworfen, weshalb Marco sie auch nicht selbst besuchte. 1.500 Meilen von Zaitun gegen Westen dehnt sich der Meerbusen Cheinon (Hainan) so weit aus, dass die Schiffe zwei Monate brauchen, um von der Provinz Manji bis zur nördlichen Küste zu segeln. Jenseit des Meerbusens liegt das Land Ziamba (ein Teil von Cochin-China), das ebenfalls von eigenen Königen regiert wird, doch einen jährlichen Tribut von Aloëholz und Elefanten an den Großkhan zu entrichten hat. Als Marco im Jahre 1280 hierher kam, hatte der König, der jedes ihm wohlgefällige Mädchen seines Reichs vor ihrer späteren Verheiratung zu sich zu nehmen das Vorrecht genießt, nicht weniger als 325 Kinder.

Steuert man von Ziamba noch 1.500 Meilen weiter zwischen Süden und Südosten, so kommt man, vorüber an dem zinnreichen Bintang, nach Groß-Iava (Java oder Borneo), einem Inselreiche, das von einem unabhängigen König regiert wird. Auch hier gibt es Gold, Pfeffer. Muskatnüsse, Galgant, Cubeben, Gewürze aller Art in Menge. Das Land wird besucht von vielen Schiffen und besonders von Kaufleuten aus Manji, die von hier eine unglaubliche Masse Goldes holen. 700 Meilen weiter zwischen Süden und Südwest, vorbei an den unbewohnten Inseln Sondur und Kondur(Kandorn), erreicht man auf dem Festlande die reiche unabhängige Provinz Lochak. Weiter gen Mittag kommt man nach dem hundert Jahre früher auf der Halbinsel Malakka gegründeten Königreich Malaiur (mit einer großen, wohlgebauten Hauptstadt mit beträchtlichem Gewürz- und Spezereihandel. 100 Meilen südlich liegt die Insel Klein-Java (Sumatra) mit acht Königreichen, jedes verschieden an Sprache und Sitte, von denen Marco selbst sechs besuchte, nämlich Felech, Basma, das dem Großkhan als Zeichen der Abhängigkeit Geschenke sandte, Samara (wol Sama-langa), wo Marco mit seinen 2.000 Begleitern wegen widriger Winde fünf Monate durch Gräben und Blockhäuser geschützt zubringen musste, Dragojan am Andragiri, dessen wilde Einwohner die eigenen Verwandten ersticken und verzehren, wenn sie unheilbar erkrankt sind, Lambri und Fanfur, beide berühmt durch ihre Spezereien, durch vorzüglichen Kampher, der mit Gold aufgewogen wird, und durch den Sagobaum, aus dessen Mark die Einwohner Kuchen und Brot backen. Seine drei Zoll dicke Rinde, die so schwer und hart ist wie Eisen, benutzen sie zu ihren kurzen Lanzen. — Die Insel Zeylan (Ceylon) schildert Marco als eine der schönsten Inseln der Welt und er schätzt ihren Umfang auf 2.400 Meilen, sie hat jedoch nur einen Küstenumfang von 160 deutschen Meilen. Sie ward von einem unabhängigen König Sandernaz beherrscht, trieb lebhaften Handel mit dem besten Farbeholz und kostbaren Rubinen, Saphiren, Topasen, Amethysten, Granaten und anderen Edelsteinen. Der König besaß angeblich einen Rubin, der eine Spanne lang, armesdick und ohne Flecken war und welchen er in hohen Ehren hielt.

Sechzig Meilen weiter westlich liegt die Provinz Maabar (Malabar), ein Teil des Festlandes von Ostindien, von vier Königen regiert. Zwischen Maabar und Zeylan, wo das Meer nur zwei bis höchstens 12 Faden Tiefe hat, findet Perlenfischern statt. Eine Anzahl Kaufleute bilden dazu eine Compagnie, legen sich mit vielen Booten und Schiffen sicher vor Anker und lassen dann die in Sold genommenen Perlenfischer hinunter tauchen und in Säcken von Netzwerk, die um den Leib befestigt sind, die Perlen heraufholen. So sammeln sie Tage lang und häufen Massen von runden, schimmernden Muscheln auf. Diese Fischerei breitet sich 60 Meilen weit an der Küste nach Süden hin aus, bis dorthin, wo den Tauchern die großen Fische gefährlich werden, und sie dauert vom April bis Mitte Mai. Im September und Oktober wird dann wieder auf 300 Meilen Ausdehnung gefischt.— Alle Bewohner, selbst der König, gehen hier nackt, doch trägt dieser ein Halsband von den köstlichsten Steinen und eine Schnur mit 104 großen Perlen und Rubinen über der Brust, denn so viele Gebete muss er nach den Regeln seiner Religion täglich sprechen. Auch um Arme und Beine trägt er goldene Bänder mit Perlen und Rubinen, an Fußzehen und Fingern Ringe von unschätzbarem Wert. Um sich hat er viele Vornehme, die sich seine Treuen in dieser und jener Welt nennen und, wenn er gestorben ist, sich mit seinem Leichnam verbrennen. Trifft hier ein Gläubiger irgendwo seinen Schuldner, der nicht zahlen will, so zieht er um ihn einen Kreis und bei Gefahr seines Lebens darf jener den Kreis nicht verlassen, bevor er bezahlt hat. Auch der König wurde, wie Marco selbst erlebte, auf diese Weise von einem Kaufmann zur Zahlung gezwungen. Die jungen Mädchen werden einzelnen Götzen geweiht und bilden bei Festen singende und spielende Banden, die vor den Opfertischen aufregende Täuze aufführen und dann über die Speisen herfallen, welche auf dem Tische liegen, im Glauben, der Götze habe sich unterdes am Dufte der Speisen gesättigt. Alle hier mit dunkler Haut Geborenen färben sich nach und nach ganz schwarz, indem schon die Kinder dreimal des Tages mit Sesamöl eingerieben werden. Auch ihre Gottheit stellen sie schwarz dar, die böse Gottheit aber weiß. — Weitere 500 Meilen gegen Mitternacht liegt das Königreich Murfili, wo in den ausgetrockneten Gießbächen Diamanten gefunden werden, die der Regen aus tiefen Schlünden und Abgründen herausgewaschen hat. Weiter gegen Westen liegt das Land Lak, woher die Bramanen ihren Ursprung herleiten. Sie gelten als die besten und ehrenwertesten Kaufleute, die man finden kann, voll Absehen gegen jeden Raub und Diebstahl erfüllt und der Vielweiberei abgeneigt. Als Erkennungszeichen tragen sie eine dicke wollene Schnur um Schulter und Brust. Alle Einwohner kauen Betel, um die Zähne und die Gesundheit zu erhalten, nähren sich nur von Pflanzenkost und so leben Manche bis zu 150 Jahren, obwohl sie stets nackt gehen und meist auch auf der nackten Erde schlafen. Sie stellen ihre Gottheiten im Bilde eines Stieres oder einer Kuh dar und tragen eine kleine goldene Stierfigur an der Stirn. Im Königreich Koulam, das 500 Meilen weiter gegen Südwesten liegt, wird außer Färbeholz und Pfeffer viel Indigo erzeugt. Die Einwohner rupfen das Kraut mit den Wurzeln aus, lassen es im Wasser faulen, pressen den Saft aus, und trocknen ihn an der Sonne zu einem Teig, den sie in kleine Stücke zerschneiden. Viele Kaufleute, besonders aus Manji und Arabien, kommen dieses wertvollen Farbstoffes wegen hierher. Von da gelangt man über Kumari (Cap Comorin) in das unabhängige Königreich Dely (Delhi), das einen viel besuchten Hafen besitzt, dann in das Königreich Mala bar. —Hier machen zahlreiche Seeräuber mit mehr als 100 Schiffen das Meer unsicher. Sie legen ihre Fahrzeuge in Zwischenräumen von je 5 Meilen vor Anker und wer zuerst einen Kauffahrer erblickt, gibt ein Feuerzeichen, worauf sich alle in einen Kreis zusammenziehen und das Schiff kapern: die gefangenen Schiffsleute setzen sie ans Land und empfehlen ihnen, bald mit neuer Ladung wiederzukommen. Pfeffer, Cubeben, indische Nüsse, die feinsten Baumwollzeuge etc. gibt es hier im Überfluss und die fremden Kaufleute tauschen diese gegen Kupfer, Gold und Silber, Goldbrokat, Seidenzeuge, Gaze und Spezereien um, die man auf Malabar nicht vorfindet. Jene Waren werden von hier über Aden nach Alexandrien geschafft und gelangen so in den europäischen Verkehr.

Gleich schlimme Piraten stechen vom Königreich Guzzerat (arab.Gujrât) aus, das auf der westlichen Seite vom Indischen Meere begrenzt wird, in die See, und es fehlt ihnen nicht an Beute: denn von dort aus gehen reiche Schiffsladungen gegerbter Tierfelle, Bettdecken und Kissen von weichem, rotem und blauem Leder, mit allerlei Figuren aus Gold- und Silberfäden gestickt, auf welchen die Sarazenen gerne ruhen. Überhaupt wird hier mit einer Kunst und Zartheit gestickt, wie sonst nirgends in der Welt. Gegen Westen liegen die Königreiche Kanam (Tanah), woher viele Schiffe kommen, um schwarzen Weihrauch zu holen, Kambaia am Meerbusen gleichen Namens, und Semenath (Sumenât), alle von Kaufleuten stark besucht. Die letzte Provinz von Großindien, nach Nordwesten zu, ist das Königreich Chesmakoran (wahrscheinlich Kidg-makran), womit Marco die Beschreibung der Reiche und Städte an den Küsten endigt.

Zum Schluss beschreibt Marco noch einige Inseln, zuerst zwei, von denen die eine nur von Männern, die andere nur von Weibern bewohnt gewesen sein soll. Sie gehören jedoch einer und derselben Rasse an und sind getaufte Christen, dem Bischof auf der Insel Soccotera untergeben. Im März, April und Mai weilen die Männer bei ihren Weibern, dann kehren sie mit ihren erwachsenen Söhnen auf ihre Insel zurück, um hier zu fischen, während die Frauen die Haus- und Feldwirtschaft besorgen. Die Kaufleute holen von hier und Soccotera viele frische und gesalzene Fische, Ambra und Walrath. Jenes wird aus den Eingeweiden, dieses aus dem Kopf des Walfisches gewonnen. Tausend Meilen südwestlich von diesen Inseln liegt Magastar (Madagaskar), eine der größten und fruchtbarsten Inseln der Welt, wo Kaufleute aus allen Weltgegenden gegen Brokat und Seidenstoffe Elefantenzähne, rotes Sandelholz, Ambra, das die Flut reichlich ans Ufer wirft, eintauschen. Wegen der heftigen Meeresströmung fahren die Schiffe über Magastar und Zanzibar nicht hinaus, denn während sie die Reise hierher in 20 bis 25 Tagen vollenden, brauchen sie zur Rückfahrt drei Monate, Während Groß – Indien sich von Maabar bis Chesmakoran erstreckt und 14 Königreiche umfasst, reicht Klein-Indien (Hinterindien) von Ziamba bis Mursili und umschließt acht Königreiche: in Mittelindien oder Abaseia (Habesch) herrschen sieben Könige, darunter vier christliche. Die Einwohner von Habesch (Abessynien) sind die besten Krieger in diesem Teile der Welt, doch in steter Feindschaft mit den Nachbaren. Ihr Land hat Überfluss an Elefanten, Giraffen, Tieren und Vögeln aller Art, besonders auch an Gold, und es ist deshalb von Kaufleuten viel besucht. Die Provinz Adem (Aden), von einem Sultan beherrscht, hat viele Städte und Burgen und in dem trefflichen Hafen von Aden den bedeutendsten Marktplatz dieser Länder, wohin die Schiffe aus Indien Gewürze und Spezereien bringen. Von da werden die Waren in kleineren Schiffen, den Arabischen Meerbusen hinauf, nach einem Hafen an der afrikanischen Küste gebracht. Hier werden die Waren auf Kamele geladen und 30 Tagereisen weit bis zum Flusse Nil getragen, auf dem sie dann nach Kairo und von hier auf einem Kanal nach Alexandrien geschafft werden. 40 Meilen nordöstlich liegt die Stadt Eseier (Schähr oder Sahar) mit viel besuchtem Hafen. Hier wie in Aden werden viele arabische Pferde ausgeführt, auch weißer Weihrauch, der Tropfen für Tropfen aus einem kleinen tannenähnlichen Bäume quellen und dann erhärten soll, sowie Datteln, ans welchen die Einwohner mit Neis und Zucker ein treffliches Getränk bereiten. Die Einwohner sind gute Fischer, fangen besonders viel Thunfische und füttern ihr Vieh damit, denn Pflanzen wachsen hier wegen der Hitze wenig. Sie hacken diesen Fisch klein, bereiten mit Mehl einen Teig daraus, lassen diesen in der Sonnenhitze erhärten und leben das ganze Jahr von solchem Zwieback. 20 Meilen weiter liegt Dul für (Dafur) mit schiffreichen Hafen, wohin die arabischen Pferde zur Verschiffung aus den inneren Gegenden gebracht werden: dann folgt Kalajati (Kathat im Lande Oman), dessen Hafeneingang mit einer Festung so geschlossen ist, dass kein Schiff ohne Erlaubnis hineinkommt, während jedes Schiff zu sehen ist, das vorbeisegeln will. 300 Meilen nach Nordosten liegt die Insel Ormus mit einer schönen, großen Stadt, von welcher Marco schon früher berichtete. Damit endigt des Weltreisenden Beschreibung von Indien und den asiatischen Inseln.

017 Pfefferernte. Nach dem Livre des Merveilles.

018 Perlenfischerei nach der Vorstellung des Miniaturisten.