Geschichte der Stadt Schwerin von 1651 bis 1655

1651. Zu Anfang d. J. fand eine Visitation der Kirchen und der Schule zu Schwerin statt. Aus dem darüber aufgenommenen Protokolle erfahren wir über letztere das Folgende: Rektor der Schule war seit 1641 Joachim Bannehr, *) ein geborener Bützower, welcher mitteilte, dass jeder Schüler für seine Aufnahme 1 Thlr. oder etwas weniger, aus den Kollekten des Domchors erhalte er vierteljährlich 2 Thlr. Wenn Examen sei, komme ihm aus einem Legate des Heinrich von der Lühe ein Rosenobel zu und ende E. E. Rat ihm zu Weihnacht und Ostern ein Stübchen rheinischen Weins nebst Weichelstuten (Weizenbrot). [Wegen der Besoldung der Lehrer s. d. J. 1621.] Der Konrektor Ernst Beuster, 1649 berufen, aus Pasewalk gebürtig, hätte, wie die übrigen Lehrer gleichfalls, vom Schelfwerder jährlich 6 Faden Buchenholz, 7 Fuß lang, breit und hoch, zu empfangen, für welche die Kirche den Haulohn, er selbst aber die Anfuhr bezahle. Er hätte auch jährlich für 5 Schweine freie Mast auf dem Werder, erteile von 10–11 Uhr Morgens und von 4–5 Uhr Nachmittags Privatunterricht, wofür ihm die Schüler vierteljährlich 1 Thlr. und zu Neujahr nach freien Willen eine Verehrung gäben. Der Cantor August Theophili, aus Hitzacker im Lüneburgischen gebürtig, sei i. J. 1647 berufen, erhielte sein Holz aus den Werder und freie Mast daselbst für 3 Schweine. Ebenso der Succentor Johannes Nennechow, ein Schweriner, berufen 1642, und der fünfte Lehrer Bartholomäus Kober aus Lantze bei Lenzen, welcher seit 1644 angestellt war; doch hätten beide letztere nur 5 Faden Holz. Der Rechenmeister Daniel Lose aus Rochlitz in Sachsen hatte zugleich die kleinen Knaben im Lesen zu üben und betete ihnen den Katechismus vor. Er bat um notdürftigsten Unterhalt, um seine Frau nach Schwerin kommen lassen zu können. Der Organist hieß Franz Schaumkell. Drei Stipendien hatte die Schule beim Rate stehen, das Cunow’sche, das Plessen’sche und das Lützow’sche, zusammen 6.200 Thlr, die Zinsen mit zum Kapital gerechnet. Es wird befohlen, dass der Kirchhof rein gehalten und kein Vieh, namentlich keine Schweine, darauf geduldet werde; die Leichen sollen mannstief in die Erde gesenkt werden. Der Leichengräber soll den Kirchhof immer gut verschlossen halten, wofür er jährlich 5 Gulden haben soll.

*) Von diesem Rektor befindet sich ein Brustbild in dem Dom über dem Eingange zum Schul-Kreuzgange. Dasselbe hat die Überschrift:
Hac tabula faciem Bannehri cerne viator.
Vis genium? Volitat docta per ora virum.
An der Seite steht: Joachimus Bannehr scholae suerinensis per 18 anmos rector dexterrimus. Obit anno Christi 1659, aetatis 53.


Der 18. Juli d. J. ward wieder ein Schreckenstag für die Stadt, da an ihm nahe an 150 Häuser (nach Anderen 70 Häuser) in Asche gelegt wurden.

                [siehe dazu Kapitel 45]

1652 im Juni verordnete Adolf Friedrich, dass zum Andenken an den großen Brand des vorigen Jahres am 18. Juli ein Buß-, Bet- und Fasttag in Schwerin abgehalten werden solle. Dieser Bußtag fand noch im 18. Jahrh. in den Kirchen Schwerins statt. Die obige Schilderung des großen Brandes haben wir größtenteils der Gedächtnisrede entnommen, welche i. d. J. der Superintendent Heinrich Bilderbeck*) im Dome hielt. Wir ersehen aus dieser Rede, dass während des seit dem Brande verflossenen Jahres schon nahe an 60 Wohnungen wieder erbaut waren, aber auch zugleich, dass es während dieses einen Jahres wohl an zehnmal wieder in den wenigen Häusern gebrannt hatte, welche stehen geblieben waren.

*) Bilderbecks Brustbild hängt im Dome an dem der Kanzel zunächst nach der Ostseite hin stehenden Pfeiler. Er starb am 29. September 1691.

Daneben meldet uns der Redner, dass um diese Zeit manche Zeichen und Wunder seien gesehen worden. Er führt als solche auf dass Einer oder der Andere im Brote Blut gesehen habe, und dass sogar Korn, wie Weizen, Gerste Hafer und Erbsen, in den benachbarten Holzungen auf den Bäumen wachsend gefunden worden sei. „Solches möchte vielleicht – fügt er hinzu – nichts Gutes bedeuten.“

1653. Die Bauern auf den benachbarten Dörfern waren in Folge der Kriege sehr verwildert. Die Zippendorfer und Ostorfer hatten sich, während ihr Ackerwerk darnieder lag, daran gewöhnt, aus den nahen fürstlichen Waldungen Holz zu stehlen und dasselbe in Schwerin zu verkaufen. Wegen der jetzt so häufigen Bauten in der Stadt mochten diese Diebereien wohl in größerem Maße betrieben werden und die Aufmerksamkeit der fürstlichen Beamten erregen. Die Bauern pflegten ihren Weg über den Siechenbaum zu nehmen, wo bisher keine Aufsicht gewesen war; deshalb wurde jetzt der Baumwärter beauftragt, auf die einpassierenden Holzwagen genau zu achten. Wahrscheinlich war dieser seiner Aufgabe nicht gewachsen, weshalb i. J. 1658 nahe beim Siechenbaum eine Holzwärterwohnung errichtet wurde (s. d. J. 1663.)

Auch die Lankower Bauern hatten sich vielfache Übergriffe auf städtischen Acker erlaubt. Seit mehreren Jahren waren darüber Grenzstreitigkeiten zwischen der Stadt und dem Amte, als Gerichtsbehörde der Dorfschaft, entstanden. Am 26. Mai d. J. wurden jene, nach dem viele Zeugen vernommen waren, durch gemeinschaftliches Begehen der Grenzen geschlichtet. Die Grenze, welche durch einen Graben bezeichnet werden sollte, begann am Medeweger See hinter dem Gosewinkel, ging von dort an einem noch kenntlichen alten Graben entlang bis zur „Brücke vor Lankow“, dann am See hinunter, vom Klotzwerder über den See, diesen mitgerechnet, durch den Erlenbruch jenseits des Holzes und dann jenseits der Wadeheuge bis zum Neumühlenischen See, gerade so, wie die Grenze der städtischen Feldmark hier noch heute ist. Die Brücke, welche vor Lankow lag, war eine Brücke mit Schlagbaum und gehörte der Stadt; das hohe Holz und die Wadeheuge waren und sind noch Teile des Thurower Feldes (des Außenfeldes der Stadtfeldmark)

Die i. J. 1608 erbaute städtische Frohnerei war vielleicht im großen Brande mit eingeäschert worden, weshalb Adolf Friedrich jetzt der Stadt befahl, den Scharfrichter wieder unter Dach und Fach zu bringen. Die Frohnerei war für die damalige Justizpflege ein unentbehrliches Gebäude, da sie die Gefängnisse für peinlich angeklagte Verbrecher enthielt. Für die Geschichte der Stadt ist das Gebäude insofern interessant, als es der Scharfrichterstraße den Namen gegeben hat. Die ältere, 1608 erbaute Frohnerei lag wahrscheinlich ganz nahe an der Stadtmauer hinter dem zu Minet’s Hofe gehörigen Garten neben dem Schelftore, ungefähr bis zur Ausmündung der Münzstraße. In den Akten nämlich heißt es, dass bei der Frohnerei ein Gefangenturm gewesen sei, dessen Rückseite zum Teil die Stadtmauer gebildet habe, und ferner, dass die neu zu erbauende Frohnerei weiter ostwärts gelegt werden müsse, weil die Bewohner der Schelfe, denen sich auch die Domprediger angeschlossen, gebeten hatten, sie nicht wieder so nahe neben den Aufgang zur Schelfe zu legen, wo sich die mit großen Kosten errichtete Pumpe befinde, deren Wasser durch die Scharfrichterei verdorben werde, die Bürgerschaft aber durchaus nicht entbehren könne.*) Die Schelfner wünschten, dass die Frohnerei jenseits des Grabens, des alten Stadtgrabens, welcher hinter den Häusern an der Nordseite der Scharfrichterstraße beim „Beutel“ in den See geht, errichtet werden möge. Dem Herzoge schien dieser Ort auch der zweckmäßigste zu sein, er ließ ihn durch den Prinzen Carl wiederholt besichtigen und schlug ihn den Magistrate vor. Dieser aber war gegen die Stelle, weil sie so morastig und sumpfig sei, dass man mit einer langen Pike keinen Grund habe finden können, und wenn darin auch gerade kein unübersteigliches Hindernis liege, so verursache es doch große Kosten, der die Stadt nicht gewachsen sei, wenn erst ein Rost gelegt werden müsse. Man einigte sich nach längeren Verhandlungen dahin, dass der Rat Hans Zanders Gartenplatz, zwischen des Blaufärbers Hans Zieglers Scheune und Thies Siggelkows Garten belegen, erwerben und dort die Frohnerei erbauen solle. Dies geschah; i. J. 1656 war das Gebäude in den Mauern vollendet, mit einem gewölbten Torwege, rechts davon des Frohners Wohnstube, links zwei Gefangenstuben, hinter dem Hause ein großer Hof bis zum alten Stadtgraben. Die Bewohner der Schelfe hatten den vierten Teil der Kosten getragen. Diese Frohnerei lag nun in der Ecke an Vorsprunge der jetzigen Scharfrichterstraße diesseits der Grünenstraße und umfasste den Raum, auf welchem das jetzige städtische Spritzenhaus und das früher Gramm’sche, jetzt Janssen’sche Haus stehen (s. d. J. 1694)

*) In einer Aufzeichnung des Superintendenten Bilderbeck v. J. 1651 heißt es, dass „des Scharfrichters Haus“ in der Faulen Grube, nahe neben dem Heiligen-Geist-Hause gelegen habe und im Brande zerstört worden sei.

Dies Jahr hatte sich durch eine sehr milde Witterung ausgezeichnet und brachte eine so reiche Ernte, dass man den großen Scheffel Roggen und Weizen für 12 Schill. kaufen konnte, auch war ein Überfluss an Eichen- und Buchenmästung vorhanden.

1654. Die Bauten in Schwerin gingen, weil es häufig am Gelde mangelte, sehr langsam vor sich. Um Lätare war das Rathaus noch nicht soweit wieder fertig, dass die Bürgersprache aus ihm abgelesen werden konnte. Doch wurde es noch im Herbste d. J. fertig, dasselbe Gebäude, welches noch jetzt als Rathaus dient, im unteren Teile freilich etwas anders eingerichtet. Noch in diesem Jahre wurde der Ratsweinkeller auf 5 Jahre für eine jährliche Pacht von 75 Thlrn. ohne Kaution verpachtet, seit 1659 zahlte der Pächter jährlich 100 Thlr. Der große Saal in dem oberen Stocke des Hauses wurde als Tanzboden benutzt, namentlich auch bei Schützenbällen; Versammlungen der Bürgerschaft fanden noch im Freien statt. Lätare 1655 wurde auch die Bürgersprache zum ersten Male wieder aus dem Fenster des neuen Rathauses abgelesen; das Gebäude, welches jetzt wohl Niemand für ein schönes hält, machte damals den Bürgern viele Freude.

1655. Der Januar d. J. brachte eine so strenge Kälte, dass die kleineren Flüsse und Bäche bis auf den Grund ausfroren und man mit schwerbeladenen Wagen meilenweit über die Ostsee fahren konnte. Im Februar fiel darauf eine große Menge Schnee, welcher um die Mitte d. M. plötzlich schmolz und bedeutende Überschwemmungen veranlasste. Die Elbe bei Dömitz z. B., wo sich das Eis gesetzt hatte, stieg bis über die Festungsbrücke, so dass die Bewohner dieser Stadt kaum ihr Leben retten konnten.

Aus einem in diesem Jahre aufgenommenen Protokoll erfahren wir über die damaligen Verhältnisse der Zippendorfer Bauern. Das Dorf gehörte bekanntlich der Stadt, welche auch das Besitztum an den Hofwehren und Gebäuden der 9 Bauern hatte. Der Acker umfasste 10 1/2 Hufen (1550:314 Morgen), war aber „ein sandiger, größtenteils pauverer“ Acker, fast ohne alle Wiesen, so dass die Bauern ihr Vieh in den benachbarten Heiden (der Kirchenheide und Göhrenschen Heide), ferner im Hasel- und Buchholze weiden mussten. Die Bauern, von denen 6 jeder eine, die übrigen 3 jeder 1 1/2 Hufe besaßen, bezahlten an den Herzog zusammen 4 Gulden 16 Schill. 8 Pfenn. Königsbede, 1650 an die Stadt 66 Gulden 16 Schill. Pacht, i. J. 1701 von jeder Hufe 6 Thlr. (wobei wir erfahren, dass die Domanialbauern um diese Zeit von der Hufe 16 bis 20 Thlr. Pacht geben mussten.) Dafür aber hatten die Zippendorfer manche Nebenleistungen zu beschaffen. Sie mussten jährlich auf dem Ostorfer Felde 3 Tage mit den Pflug dienen, nämlich 1 Tag im Frühjahre und 2 Tage im Herbst, und Jeder musste an allen Montagen des ganzen Jahres ein Fuder Brennholz im Haselholze hauen und dasselbe auf das fürstliche Schloss oder auf den Jägerhof fahren, im Ganzen 468 Fuder. Hierfür bekam jeder Bauer von Alters her eine notdürftige Feuerung an Leseholz aus dem Haselholze. Ferner musste ein Jeder auf dem Ostorfer Felde einen Tag Erbsen mähen, wofür ihnen zusammen 1/2 Tonne Bier, so viel Brot, wie von einem halben Scheffel Mehl gebacken werden kann, und 1/2 Seite Speck verabreicht wurden (s. d. J. 1669) Wenn der Herzog auf dem Zippendorfer Felde Hasen jagte, ein Recht, welches er seit dem Jahre 1587 (s. d. J.) erworben haben muss, so sollten die Bauern treiben („kloppen“), auch musste jeder einen Burschen zur Fuchs- und Lerchenjagd stellen. Sodann mussten sie mit 8 Mann, so oft sie angesagt wurden, auf dem See eisen, und zwar die Seite des Schlosses nach dem großen See hin offen halten, während dies auf dem Burgsee den Ostorfer Bauern mit 6 Mann zukam. Für das Eisen erhielten sie Mittags- und Abendessen. In die fürstliche Küche lieferten die 3 größeren Bauern jeder jährlich 2 Lämmer, die übrigen jeder eins. Wenn der Rat der Stadt ein Hochgericht hielt, so mussten „alter Gewohnheit nach“ die Zippendorfer und Ostorfer, wenigstens 16 Mann stark, den Kreis dazu (das Plankwerk) umsonst schließen und die andrängenden Zuschauer abhalten. Dafür wurde ihnen nach vollzogener Exekution in einem Wirtshause außerhalb der Stadt (in der Vorstadt) 1/2 Tonne Bier gegeben.

Damals war die Dorfschaft in Consrade eingepfarrt und erhielt der Prediger außer dem Vierzeiten-Pfennig von jedem Bauern einen Scheffel Roggen und zu Ostern 10 Eier. Im J. 1795 gingen die Zippendorfer nach Plate zur Kirche.

Jährlich, gleich nach der Ernte, hielt der Magistrat eine Visitation der Gehöfte und verlas aus dem Fenster des Schulzenhauses den auf dem Hofe stehenden Bauern die Morgensprache (die Dorfordnung) Die Bauern mussten dazu Pferde in die Stadt schicken und die Ratspersonen in „E. E. Rats Gutsche“ (Kutsche) holen lassen.

Wir haben schon erwähnt, dass auch Zippendorf während des Krieges gänzlich verwüstet wurde. Von 1636 bis 47 kam aus dem Dorfe gar keine Pacht auf, in den Jahren 1648 und 49 zahlten schon 7 Bauern wieder ihre Pacht; die übrigen waren wohl im Kriege untergegangen oder von ihren Stellen gelaufen. J. J. 1655 sind schon wieder 9 Bauern vorhanden und zahlten alle ihre Pacht. Im Verlaufen ihrer Stellen waren übrigens die Bauern um jene Zeit stark und wir glauben, dass manche der besitzlosen Bauerhufen im ganzen Lande von ihren Besitzern verlassen waren, welche den Anbau und die Wiederannahme derselben verweigerten. Sobald der Magistrat um diese Zeit und später noch eine Forderung an die Bauern stellt, welche diesen nicht gefällt, sie mag noch so berechtigt, vernünftig oder an sich unbedeutend sein, so weigern sie kurzweg deren Erfüllung und erklären, sie würden lieber ihre Stellen verlaufen, wo sie doch ihr Brot nicht finden könnten. Der Magistrat ist dann in den mehrten Fällen gezwungen, ihrem Eigenwillen nachzugeben (s. a. d. J. 1698 und 1701).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin