München, den 10. Juni 1842.

Liebe Mutter!

Am 11. Mai habe ich mein Bild, welches ich für die Zürcher Ausstellung bestimmt habe, der Fuhre übergeben; der Fuhrmann sagte mir, daß es in zwölf oder dreizehn Tagen nach Zürich kommen werde; ich glaubte also, das Bild sei schon längst dort, und wunderte mich, daß ich noch keine Nachricht von niemandem darüber erhielt. Heute bekommen Hegi und ich einen Brief von einem Freunde, namens Tschudi, welcher in Zürich studiert und mir schreibt, daß er mein Bild vergebens auf der Ausstellung gesucht habe, und daß es gar nicht dort sei. Ich weiß also gar nicht, warum es nicht angekommen oder auf der Reise stecken geblieben sei, oder was sonst damit passiert ist; ich bin daher sehr besorgt, indem nicht nur die Arbeit von zwei Monaten, sondern auch ein Rahmen, der mich 22 Gulden kostet, damit verloren ginge, wenn es zum Teufel wäre. Auf jeden Fall ist es mein Nachteil; denn wenn es auch endlich noch ankommt, so wird es zu spät zum Verkaufe sein; es würde mit den andern Sachen nach Bern kommen, wo mich niemand kennt und wahrscheinlich niemand empfehlen könnte. Sei so gut und schreibe mir doch sogleich, ob es noch nicht da ist, wenn mein Brief ankommt, und frage bei der Künstlergesellschaft nach, denn es ist auch in dieser Hinsicht ärgerlich, weil die Herren meinen könnten, ich wolle sie zum besten haben, wenn ich schreibe, daß ich etwas schicken wolle, sie es in den Katalog setzen, und dann nichts kommt. Meine Schuld ist es nicht ...


Ich grüße Euch alle tausendmal.

Dein treuer Sohn
G. Keller.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Briefe