Montag, den 7ten Junius. - Ist man einmal auf die politische Fährte gerathen, kann man doch sehr schwer wieder loskommen. Dies gilt besonders für Paris, ...

Montag, den 7ten Junius. - Ist man einmal auf die politische Fährte gerathen, kann man doch sehr schwer wieder loskommen. Dies gilt besonders für Paris, wo man ja fast nichts hört, sieht, riecht, schmeckt und fühlt, was nicht mit Politik geschwängert, durchzogen, gesalzen oder gepfeffert wäre. Ohne Zweifel ist dies einseitig, ja krankhaft, und erinnert an andere Länder und Zeiten, wo andere Gegenstände, z. B. Theater, Weiberintriguen, Theologie oder was sonst, in ähnlicher Weise wirkten und herrschten. Unnützes Geschwätz in der modigen Tonart gilt dann für Weisheit und Pflichterfüllung, und wollte jemand darauf aufmerksam machen, daß nur einige Chorführer den Waizen, alle Andern aber unermüdlich leeres Stroh dreschen, man würde selbst gedroschen.

So habe ich in zu großem Eifer unhöflich auf Hrn. v. H. losgedroschen, und muß mir doch die Frage vorlegen: warum er denn eine bedeutende Zahl von Anhängern gewonnen hat? Zuvörderst, weil manche seiner geschickteren Angriffe allerdings die schwachen Stellen seiner Gegner treffen; dann, weil seine breite, oft ganz unwissenschaftliche Methode, vielen Leuten der sogenannte unwiderlegliche gesunde Menschenverstand zu seyn scheint. Drittens, weil es leichter ist, aus dem jakobinischen Extrem in seines überschlagen, als sich in der wahren Mitte festhalten. Endlich, weil selbst stumpft Nasen spürten, das System praktisch angewandt, bringe ihnen Vortheil. Während nach dem revolutionairen Staatsrecht der Einzelne Nichts war, hörten sie jetzt daß jeder Einzelne eine Art von Staat sey, mit dem die Regierung wie mit einer selbständigen fremden Macht pacisciren müsse. Jeder nahm sich also in der Stille vor, nie zu dem ja zu sagen, was ihm unbequem erscheine, und wenn man zuletzt auch nicht mit jedem Bürger und Bauer einen neuen pacte d’union d constitution u. s. w. abschlösse, würden doch die Edelsten und Vornehmsten sich dabei schon gut zu betten wissen. Daher die pfiffige Begeisterung, welche Manche für Hrn. von H. haben, um Steuerfreiheit und Bierzwang, ausschließliches Anrecht auf Stellen und Leibeigenschaft, oder wie die Elemente ihres Staates im adeligen Schlaraffenlande sonst heißen, unter der Firma einer weltbeglückenden Restauration einzuschmuggeln.


Gestern fand ich endlich M— t zu Hause, den ich euch als einen lebendigen und einnehmenden Mann bezeichnete. Wenn er in anderem Sinne liberal ist, als ich es bin, sehe ich darin zunächst eine Folge seiner größern Jugend und meines höhern Alters; dann, daß er als Franzose ganz andere Dinge erklären, entschuldigen, vertheidigen möchte, als ich. — Revolution also heißt allen diesen Männern, die Abschaffung alter, verjährter Einrichtungen und Übel; Contrerevolution heißt ihnen die Herstellung jener, oder anderer Mißbräuche. Ihre Widersacher verstehen dagegen unter Revolution den Inbegriff aller begangenen Thorheiten und Verbrechen; unter Contrerevolulion, die Herstellung der Ordnung, des Gehorsams, der Religion u. s. w. Es ist sehr leicht, diese entgegengesetzte Bedeutung des Wortes aufzufassen und im Gespräch dasselbe so oder anders zu gebrauchen. Die Schwierigkeit beginnt, wenn man nun in das Einzelne eingeht und fragt: was Mißbrauch, Verbrechen, Ordnung, Gehorsam, Religion u. s. w. sey? Da treten die schroffsten Gegensätze heraus, welche Lexikon und Grammatik nicht vermitteln und ausgleichen. Doch, dies Allgemeinere jetzt vermeidend, komme ich auf M. zurück. Nach mannigfachem Gespräch trat er mir bei: 1) daß die Gefahr in Frankreich jetzt noch lange nicht die höchste Spitze erreicht habe, und das Ministerium in Folge dieser oder der nächsten Wahlen ohne Gewalt und Bürgerkrieg zusammenstürzen könne. 2) Daß die Schwächen und Fehler der herrschenden Linie jetzt noch gar keinen zureichenden Grund darböten, einen Wechsel der Dynastie auch nur zu versuchen. Von hier aus schloß er aber weiter und sagte: der Fall des Ministeriums beendet die Spaltung nicht. Denn wenn wir auch voraussetzen, daß die Liberalen nie der Mäßigung vergessen, nie zu weit gehen werden; so müssen sie doch danach trachten ihren Sieg zu benutzen und Gesetze zu erstreiten, welche für die weitere Entwickelung Frankreichs nothwendig sind. Schon dies Bestreben heißt der Gegenpartei revolutionair im bösen Sinn; gelingt es nun gar, so wird der Hof von neuem in die jetzige Stellung gerathen, und lieber mit Gewalt seine Ansicht durchsetzen, als weiter nachgeben wollen. Die regierende Linie ist durch und durch der Revolution feindlich, sieht in ihr und in ihren Folgen und Änderungen lauter Übel, möchte alles Alte herstellen und erzieht, um jede Aussicht abzuschneiden, selbst den Herzog von Bordeaux im System der Ultras und der Jesuiten. Die Linie Orleans dagegen ist auf die Ansichten der Revolution eingegangen, der jetzige Herzog hat für dieselben gekämpft, seine Kinder sind im Sinne des heutigen Frankreichs erzogen. So ist eine gegründete Hoffnung vorhanden, diese Linie werde angemessen und zeitgemäß herrschen, und wenn sie einst diese Herrschaft aus den Händen Frankreichs annimmt, so giebt die nun wechselseitige Stellung eine hinreichende Bürgschaft, und die in der andern Richtung ohne Ende fortdauernde Unruhe, Mißstimmung, Argwohn u. s. w. ist für immer beseitigt. — Dies sind einige Punkte aus dem mannigfaltigen Gespräch, was sich auf die frühere Geschichte Frankreichs, auf Deutschland, Preußen, Verhältniß unserer Rechtspflege, Communen, Zölle und Steuern u. s. w. wandte; meine Zeit ist indeß jetzt so ungemein beschränkt, daß ich dies Alles nur andeuten kann und zu Valparesso's Depeschen aus England hineilen muß.