Sonntag, den 6ten Junius. Als ich heut das wieder durchlese, was ich gestern niederschrieb, muß ich von neuem darüber erstaunen. ...

Sonntag, den 6ten Junius. Als ich heut das wieder durchlese, was ich gestern niederschrieb, muß ich von neuem darüber erstaunen. Zuvörderst, wie es möglich ist ganz einfache, unläugbare Thatsachen zu verkennen und der Wahrheit ins Angesicht rund abzuläugnen, z. B., daß die Könige von Frankreich vor der Revolution Auflagen ausgeschrieben hätten, daß die Charte den Franzosen irgend lieb und werth sey, daß alle Gerichtshöfe unbewilligte Abgaben jetzt für gesetzwidrig erklärten u. s. w. Ferner möchte man es für unmöglich halten, einem leitenden Grundsatze treu zu bleiben und ihn heilbringend zu nennen, wenn er in fortschreitenden Experimenten bis zu völliger Auflösung des geselligen Lebens führt. Aber H. geht, darüber unbekümmert und weder rechts noch links blickend, mit verstopften Ohren vorwärts und tritt alles Gegebene rücksichtslos zu Boden, um in sein politisches Eldorado zu gelangen. Der bitterste Feind der Jakobiner und doch ihr Kollege hinsichtlich des Götzendienstes mit ganz negativen, abstrakten Sätzen, der Gleichgültigkeit in Wahl der Mittel und des Aberglaubens an das unfehlbare, glänzende Ziel. Gleich den jakobinischen, haben die Grundsätze H — s eine solche zersetzende Schärfe und Säure, daß ihnen nichts widersteht, und indem er überall das Recht zu ergreifen meint, setzt er die blinde Gewalt auf den Thron. Der ganze Unterschied zwischen ihm und den Jakobinern besteht darin: daß er den Begriff des Rechts so beschränkt auffaßt, daß nur das Privatrecht Platz findet, während diese das Privatrecht ganz vernichteten, um für ihr Staatsrecht doppelten Raum zu gewinnen. Jede Theorie und Praxis aber, die nicht Privatrecht und Staatsrecht gleichmäßig zu würdigen und festzuhalten weiß, führt ins Verderben. Vor der Zuchtruthe des jakobinischen Staatsrechts verschwand alles Eigenthum, und die Einzelnen wurden als völlig bedeutungslos allgemeinern Träumen und künftigen Geschlechtern geopfert. Bei H — s Gedanken, oder Nichtgedanken, von den mit jedem Einzelnen über Steuern oder Nichtsteuern, Dienen oder Nichtdienen u. s. w. abzuschließenden Verträgen löset sich der Staat in lauter Atome auf, aus denen nicht einmal eine Mosaikmalerei hergestellt werden kann. Das Freiwillige, das er preiset, ist nichts als der Naturstand und die volonté générale der Jakobiner, nur in eine andere Terminologie übersetzt und durch eine täuschende Brille von anderer Farbe betrachtet. Er hat eine wahrhaft kindische Freude, daß, seinen Rathschlägen folgend, der König zuletzt sagen könnte: helft euch selber, was kümmert mich der Staat, ich bin und bleibe doch der reichste Privatmann! Und er spürt gar nicht, baß er alle wesentlichen Rechte des Königs sinnlos preis giebt, wenn er ihn nur als Privatmann betrachtet und Privatrechtliches für ihn vindicirt; daß dies Aufgeben alles Regierens nichts ist als die scheußlichste Anarchie, und aus der Masse, die sich selbst helfen soll, nothwendig ein Tyrann hervorwächst der keinen ehemaligen König neben sich duldet, wenn er sich auch nur als reicher Privatmann anmelden läßt! Bürger- und Religionskriege endlich, welche zu hindern und vorzubeugen alles Staats-, Privat- und Kirchenrecht bezweckt, erscheinen dem Restaurator nicht als die ärgsten Krankheiten, sondern er stellt sie in seiner Apotheke als heilsame Mittel auf, und bereitet sie in seiner Gift- und Sudelküche als die vornehmste Speise für Leute, deren Magen und Zunge er allmälig erzogen und auf die wahre politisch-diätetische Höhe hinaufgeschraubt hat.