Paris, Sonntag den 13ten Junius. - Die englischen Papiere auf der Bibliothek beziehen sich zum großen Theile auf die Spezialgeschichte Frankreichs, ...

Paris, Sonntag den 13ten Junius. - Die englischen Papiere auf der Bibliothek beziehen sich zum großen Theile auf die Spezialgeschichte Frankreichs, doch vergeht kein Tag, wo ich nicht mancherlei auszuziehen finde. Sehr anziehend sind ferner die procès verbaux der Reichsstände von 1593 und 1614, mit welchen ich mich jetzt beschäftige, und die nie gedruckt oder gebührend benutzt sind. Denn so viel die Franzosen auch politisiren, bezieht sich's doch fast immer nur auf den letzten Tag, und alles Frühere, selbst aus ihrer eigenen Geschichte, erscheint ihnen meist geringhaltig und unbrauchbar.

Es ist einleuchtend, daß das Auffinden eines Codex, einer Handschrift oder irgend einer Curiosität viel öfter einen glücklichen Zufall, als große Weisheit erweiset. In Deutschland überschätzt man dergleichen Curiositäten und Zufälle, und wollte ich mir etwa etwas darauf zu Gute thun, jetzt auch einige Gewinne in dieser Lotterie gezogen zu haben; so kommt vielleicht morgen einer, der ein Paar Nummern niedriger oder höher eingesetzt, ein zehnmal glücklicheres Loos gezogen hat und mich vor aller Welt als einen dummen Teufel auslacht! — Dies kann jedoch die Gleichgültigkeit nicht rechtfertigen, welche selbst da Hand anzulegen verschmäht, wo es fast keine Nieten giebt; es kann auch denjenigen Männern ihr großes und eigenthümliches Verdienst rauben, welche, wie Muratori, Mabillon, Brequigny, Marlene, Niebuhr, Hormayr, Perz, Ranke u. a. überall an der rechten Stelle zu suchen, zu finden, zu benutzen verstanden. Von manchem gilt hingegen das alte Sprichwort: eine blinde Henne findet auch ihr Korn. Daß übrigens die blinde Henne ihre Augen nicht angreift, ist, wie ich jetzt spüre, kein geringer Gewinn.