Paris, Montag den 21sten Junius. - Meine Briefe erwähnten schon so oft des Wetters, und ich beginne auch den heutigen mit diesem trivialen Gegenstande. ...

Paris, Montag den 21sten Junius. - Meine Briefe erwähnten schon so oft des Wetters, und ich beginne auch den heutigen mit diesem trivialen Gegenstande. Seit vier Wochen regnet es fast täglich, und in den letzten Tagen in solchem Übermaaße, daß Überschwemmungen und eine schlechte Ärndte zu besorgen sind. Was dem Städter zunächst nur unbequem erscheint, bekömmt von anderem Standpunkte eine hohe Wichtigkeit. — Trotz des Übeln Wetters wanderte ich gestern zu Hrn. L. — der, wie Du weißt, durch seine geschichtlichen Kenntnisse und seine amtliche Stellung im Stande ist, gründliche Urtheile über die französischen Städte und Stadteinrichtungen zu fällen. Als ich eintrat, machte er ein sehr langes Gesicht, ließ mich niedersetzen, stellte sich aber vor mir hin als wollte er sagen: stehen Sie wieder auf und machen Sie, daß Sie fort kommen. Sobald er indeß erfuhr, ich sey keiner von den vielen Supplikanten, die ihn wohl überlaufen mögen, als ich ihn überzeugte daß ich, ein Berliner, sein Buch gelesen habe, zu würdigen wisse - und in diesen Dingen wohl zu Hause sey, ward er sehr freundlich und gesprächig und zeigte mir zuletzt vieles aus seinen großen und seltenen Sammlungen für die französische Geschichte, Ich will versuchen, einige von seinen Äußerungen mitzutheiten.

Es ist nicht zu läugnen, daß in früherer Zeit die meisten Maires in Frankreich von den Königen ernannt, die meisten übrigen städtischen Beamten aber erwählt wurden. Der Versuch, alle, einschließlich des Maire, wählen zu lassen, hat keine guten Früchte getragen, und würde auch jetzt meist nur zu Umtrieben, ehrgeizigen Parteiungen u. s. w. Gelegenheit gegeben. Die preußischen Formen (ich machte ihn in der Kürze damit bekannt) können wir nicht annehmen: das französische Volk hat zu viel esprit und zu wenig sens commun, ist unfähig, in der preiswürdigen Mitte zu verharren, geht immer aufs Äußerste und gefällt sich in Extremen, ist nie begnügt mit dem Dargebotenen, und bedarf einer starken und festen Regierung. Das Losbinden von dieser regierenden Aufsicht hat während der Revolution die schändlichsten Vergeudungen des Communalvermögens nach sich gezogen, und Wenige haben sich bereichert, während die Masse der Bürgerschaft einbüßte und die Commune als solche verarmte. Doch hat es keinen Zweifel, daß manche Gegenstände der alleinigen Entscheidung der Gemeinen können überwiesen werden, und ein angemessenes Gesetz für dieselben noth thut. Das zuletzt vorgeschlagene bedurfte erheblicher Verbesserungen, wäre indeß durchgegangen, wenn man es nicht mit dem über die Departements in Verbindung gesetzt hätte. Eine solche Unabsetzbarkeit der Beamten, wie in Preußen vorhanden ist, würde hier sogleich allgemeinen Ungehorsam derselben nach sich ziehen und die Regierung zum Stillstand bringen, und eben so würden die Gerichtshöfe alle Gewalt an sich ziehen, und nach Willkür auslegen und entscheiden, wenn man ihnen le contentieux administratif zuwiese.