Kaffeehaus

Der oben erwähnte Tumult hat auch uns wieder in Umlauf gesetzt und wir befinden uns vor einem Kaffee. Die so genannten Räume, die noch weniger als die Läden fränkischen Ansprüchen an Eleganz und Komfort entsprechen, finden sich in Menge in jedem Städtchen und Flecken vom einfachen Stroh- pferch bis zur geräumigen, architektonischen Schmuckes nicht ganz baren Säulenhalle, besonders wo sie reicheren Privatleuten oder Moscheenstiftungen als Vermietern angehören. Von gewichsten Kellnern, aufgeputzten Buffetdamen, blitzenden Spiegelwänden haben wir abzusehen. Selbst der Teppich, die Basis alles orientalischen Komforts, ist verschwunden, und stattdessen sind einfache Strohmatten auf die lehmige Erde oder die Lehm- und Steinbänke ausgebreitet. Oder man kann sich auf einem Gitterkorb aus Palmzweigen oder einem schwerfälligen Strohgeflechtstuhl vor der Halle gegen die Straße hin niederlassen. Es gehört nicht gerade sehr zum guten Ton, ein solches Kaffee zu besuchen, die Gäste gehören meist den untern Ständen an. Aber für unser gutes Geld dürfen wir schon einen Trunk wagen; für wenige Para bekommen wir ein winziges Schälchen des bitteren salzigen Labetranks. Der Eingeborene trinkt fast nur unversüßten Kaffee, der Zucker soll die freudig stimmende Wirkung des Kaffees aufheben oder vermindern. Verlangen wir Kaffee à la Franka, so bekommen wir nicht etwa eine Tasse Kaffee mit Milch, Rahm und Cognac, ein solches Gemisch ist dem Eingeborenen ganz unbegreiflich, sondern bloß schwarzen Kaffee mit einem Stückchen Zucker darin. Der Kaffeewirt ist immerhin auch über dieses ungewohnte Verlangen in einen Zustand der Aufregung geraten und hat seine Trabanten express auf den Markt geschickt, um das Zuckerstückchen beizuschaffen. Für ein anderes Mal tun wir am besten, nach dem Vorbild mancher einheimischer Leckermäuler für den Fall eines Besuchs im Kaffee stets ein Stückchen Zucker in der Tasche bereit zu halten und uns selbst den bitteren Kelch zu versüßen. Da ein solches Kaffee die Haltung eines Buchhalters oder Schreibers nicht aushält, der Kaffeewirt selbst aber, den niedersten Ständen angehörig, des Schreibens nicht kundig ist, so malt er die Zehrung der Gäste mit Strichen an die Wand, wobei ihm — was liegt näher? — als Tinte der Kaffeesatz dient. Das Kaffeehaus selbst ist nicht gerade unrein, immer aber ist's der Kaffeewirt, der an dem Kohlenherd mitten in der Kaffeebude steht, wie der Heizer an der Maschine. Eine große Kanne mit heißem Wasser ist stets über dem Feuer, ein kleines Kännchen ohne oder mit sehr unvollkommenem Deckel dient zur Abfertigung der jedesmaligen Bestellung. Das bereitete Getränk ist vortrefflich, trotzdem dass ein guter Teil des Aroma durch die weiten Lücken am Deckel verflogen ist. Mokka ist nahe, und die Cichorie fast unbekannt. Das gewöhnliche Surrogat zur Ersparnis sind geröstete Kichererbsen, die gar nicht übel zu gemessen sind, zumal wenn ein kleiner Zusatz von Gewürznelken, wie es häufig geschieht, einen edlen Beigeschmack gibt. Das Stoßen der Bohnen mit einem schweren Stempel zu einem feinen Mehl, wie es die Kaffeemühle nie zu Stande bringt, trägt wesentlich zur Hervorbringung einer gesättigten Kaffeelösung bei. Der Kaffeestösser, ein besonderer Gewerbsmann, begleitet jeden Stoß seines wuchtigen Stempels mit einem lauten Stoßseufzer aus seiner Brust.

Die Stammgäste sind, wie gesagt, kleine Leute: Handwerker, Kleinkrämer, Amtsdiener, türkische Soldaten, selten ein Bauer. Am wohlsten ist es dem gemeinen Mann auf dem Boden, und er verschmäht den nebenstehenden Stuhl, den er gern den Honoratioren des Kaffees, den türkischen Soldaten, überlässt. Der Eine findet es außerordentlich bequem, eine hockende Zwischenstellung zwischen Sitzen und Stehen mit tiefgebeugten Knien einzunehmen, wobei sein Sitzknoten der Erde bis auf einige Zolle sich nähert, aber sie doch nicht berührt, ein Anderer hat sich mit demselben ganz aufgesetzt und hält die vor sich aufgeschlagenen gebeugten Beine mit den Armen umfasst, ein Dritter sitzt auf den übereinander geschlagenen Beinen in der bekannten Schneidermanier. Dies, sowie das Hocken auf dem Boden pflegten schon die alten Ägypter, es ist eine alte, acht orientalische Sitte. Jenes Volk liebte indes mehr das Sitzen auf Stühlen und geschmackvollen Fauteuils; das Sitzen auf einem Knie, was jene gern taten, sieht man jetzt nie mehr, und das mag von der Religion herrühren: knien und zur Erde sich werfen soll man nur vor Gott, nicht einmal vor dem Herrscher. In der einen Hand hält der Gast das Schälchen mit dem heißen Kaffee, diesen bedächtig prüfend und schlürfend, in der andern das lange Pfeifenrohr mit dem breiten glatten Bernsteinknopf am Mund. Der hat sich auf die Seite gelegt, den Kopf auf den Ellbogen gestützt, die Füße nachlässig gestreckt. Jener ist in tiefen Schlummer versunken. Dort ist eine Gruppe auf dem Bauche liegender Dominospieler, im Hintergrund bemerkt man einen lockeren Gesellen mit einer Hetäre schäkern.


Von Zeit zu Zeit hört man ein seltsames Röcheln und Rasseln, es kommt aus der fast nur im Orient einheimischen Wasserpfeife. Der diesem Genuss Frönende saugt an dem Schlangen- oder steifen Schilfrohr mit voller Brust, der Dampf des Tombaks steigt geläutert durch das Wasser in der Höhle der Kokosnuss mit Geräusch in das Rohr und tief in die Lungen des Rauchers hinab, nur ein kleiner Teil stößt sich mit der Luft der nächsten Ausatmung wieder aus der Brust heraus. Manche, ja die meisten der Wasserpfeifenraucher darf man in Verdacht haben, dass sie zwischen die brennende Kohle auf dem Pfeifenstein nicht bloß den unschuldigen persischen Tombak, sondern auch eine Pille aus Haschisch gelegt haben. Das eigentümliche Parfüm, das aus diesen Kaffes haucht, verrät das unleugbar. Das Halten des Haschisch ist zwar neuerdings wiederum verboten worden, solche Verordnungen werden aber meist nur in der ersten Zeit nach ihrem Erlass schärfer gehandhabt. Es mögen sich wohl schon Einige in einen Zustand wonnigster Glückseligkeit eingesaugt haben, doch der Rausch ist ein gutartiger und sanfter, oft spaßhaft geschwätziger Art und ist hauptsächlich charakterisiert durch Sinnestäuschungen. Im Ganzen herrscht in diesen Versammlungsstätten des gemeinen Mannes eine Ruhe und Würde, die dem Orientalen eigen ist. Da hört man nie das wüste Schreien und Toben, wie es aus den Bierstuben und Winkelkneipen der ,,zivilisierten“ Welt dringt. Ohne es zu wollen, sind wir mit einem Nebensitzer in ein Gespräch verwickelt, wir müssen abwechselnd mit unserem gesprächigen Freund das Abrauchen einer Pfeife aus der noch von dessen Lippen benetzten Mundspitze durchmachen, brechen aber endlich das Gespräch ab, da die Gemütlichkeit des Kameraden in unverschämtes Ausfragen um unsere Person und Verhältnisse auszuarten droht.