Nürnberg den 13ten October 1805. - Seit fünf Tagen, lieber Freund, bin ich hier, in der bis jetzt noch reichsfreien Stadt Nürnberg. ...

Nürnberg den 13ten October 1805.
Seit fünf Tagen, lieber Freund, bin ich hier, in der bis jetzt noch reichsfreien Stadt Nürnberg. - Alles, die Bauart der Häuser mit ihren gemalten Außenseiten, die ehrwürdigen gothischen Kirchen, die einfache Biederkeit der Sitten, die strenge Hausordnung und Zucht im Innern der Familien, rückt mich in frühere Zeiten Teutschlands, und gewährt mir viel Interesse. -

Meine erste Wanderung gieng nach zwei gothischen Kirchen, die kein Freund der alten teutschen Baukunst zu sehen versäumen darf. - zuerst in die Laurenti-Kirche. - Mit den großen gekoppelten Säulen, die wie das schwarz-geräucherte Ganze, ein eigenes mystisches Helldunkel athmen, in dem sich so viele unserer neuen helldunklen Kunstjünger vortrefflich befinden würden, stechen die goldenen Wappenschilder der Patrizier gut ab. Das sogenannte 64 Fuß hohe Sakramentshäuschen von Adam Kraft, ist ein kühnes, reich verziertes Werk, aus Steinmasse gegossen. Der Künstler hat sich selbst dabei abgebildet, wie er ganz andächtig unten heraus sieht. Sechs gemalte Fenster mit den Wappen der Patrizier Familien, die sie dotirt haben, sind sehr schön.


Folgen Sie mir jetzt schnell zur Sebalds-Kirche, dem heiligen Sebaldus zu Ehren gebaut. Auch hier waren die großen schwarzen Masien mit vielen Patrizier Schildern geziert.

Links in der Mitte der Kirche hängt, mit einem grünen Vorhang bedeckt, eine vortreffliche Abnehmung vom Kreuze von Albrecht Dürer, welche die Familie von Holzschuher hat malen lassen; die Figuren sind 1/3 der natürlichen Größe. - Das Grabmahl des heiligen Sebald, von Peter Vischer, ist ein Meisterstück in Bronze-Arbeit. - Die Figuren smd ausnehmend gut ausgeführt.

Ich fürchte Sie aber durch weiteres Detail zu ermüden, zumal da die hiesigen Merkwürdigkeiten in des rastlos thätigen v. Murrs Buche üder Nürnberg, erschöpfend beschrieben sind.

Das Andenken an den großen Albrecht Dürer, erwachte unter diesen Denkmälern früherer teutscher Kunst, lebhaft in mir. Wie zu heiliger Stätte wanderte ich zum Grabe dieses großen Mannes, dessen Arbeiten selbst im Italien vom Mark Anton nachgestochen wurden, und der den Ruhm der teutschen Kunst zuerst ausbreitete.

Albrecht Dürer ruht auf dem Johannis- Kirchhofe, außen vor der Stadt. Hier sind mit großer Ordnung die Gräber reihen- oder zeilenweise eingetheilt, jedes ein wenig aufgemauert, und mit einer großen Stein- oder Metallplatte bedeckt, auf welcher meistentheils die Namen und Wappen der Inhaber befestigt, und mit einer Nummer versehen sind. Rund umher sind häufig Blumen gepflanzt. - Ein solcher Grabstein bebeckt auch den Altvater der teutschen Kunst. Er ist mit No. 649. bezeichnet. Auf der messingenen Tafel, welche auf einem kleinen steinernen Aufsatze befestigt ist, ließt man die Worte:

ME. AL. DU. (Memoriae Alberti Dureri.)
QUICQUID ALBERTI DURERI
MORTALE
FUIT SUB HOC CONDITUR TUMULO
EMIGRAVIT VIII IDUS APRILIS
M.D.XXVIII.

Die teutsche und lateinische Inschrift der zweiten großen messingenen Tafel, welche der berühmte Joachim von Sandrart 1681 verfertigen ließ, finden Sie in Murrs Werk.

Im Jahr 1802 ließ eine Gesellschaft Nürnbergischer Künstler das Grab wieder öffnen, den Stein abputzen, und acquirirte diese Stelle zum künftigen Künstlerbegräbniß.

Zu Dürers vortrefflichsten Arbeiten gehören auch die vier Apostel Marcus, Paulus, Petrus und Johannes, die nebst mehreren guten Bildern, vorzüglich aus der teutschen Schule, auf dem hiesigen Rathhause hängen.

Von der alten Kunst springe ich zu der hiesigen Kunsthandlung bes Herrn Frauenholz über, wo Sie vortreffliche Sachen älterer und neuerer Kunst vereinigt finden. Einen eigenen Schatz besitzt er an dem berühmten Praun’schen Cabinet. Hier sind unter andern 1150 geschnittene Steine; 1000 ungefaßt, die übrigen als Ringe und en colier gefaßt, 800 Römische Münzen, 130 Stück Bronzen. - Hr. Fr. hat in seiner Kunsthandlung ferner eine ansehnliche Sammlung guter Original - Gemälde (vorzüglich aus dem Praun’schen Cabinet) und viele Handzeichnungen neuerer Meister. - Von seinen vielfachen Unternehmungen, die mit Geschmack und richtigem Speculationsgeiste gemacht sind, gedenke ich noch einer Suite, größtentheils militärischer Gegenstände von 24 - 30 colorirten Blättern nach Wilhelm Kobell in München. Fertig davon sind 4 Paar militärische Scenen, nämlich: Russen (2 Paar). Oesterreicher (1 Paar), Franzosen (1 Paar) und 4 Paar ländliche Stücke.

Von der ganzen Suite werden nur 12 complete Exemplare gefertigt, die der geschickte Dunker. der Sohn, der bei Frauenholz lebt, ausmalt. Zur Befriedigung für minder reiche Liebhaber, werden diese sämmtlichen Blätter auch uncolorirt, das Paar zu 1 Dukaten verkauft.

W. Kobell in München, ist unstreitig nebst Hofmaler Seele in Stuttgardt, jetzt der beste teutsche Bataillen- und Thiermaler im genre der Pferde. In seinen Gruppen herrscht die größte Mannichfaltigkeit und Wahrheit; sehr treu hat er die Nationalphysiognomieen und Haltung der verschiedenen Truppen beobachtet, so daß man die Russen, Oesterreicher und Franzosen, auf den ersten Blick durch ihre nationelle Individualität unterscheidet. Deswegen wird diese Frauenholzische Suite dem Sammler militärischer Blätter sehr willkommen seyn. - Die meisten Originale dieser Blätter, sind aus der Sammlung des Grafen Fries in Wien, und in Aquarell gearbeitet.

Nürnberg hat mehrere geschickte Künstler für den Kupfer- und Landchartenstich. Unter den ersteren sind die bekanntesten, Nusbiegel, Bock, Küffner, unter den letzteren, Mosner. -

Gestern Abend besuchte ich den Künstler-Club, eme Privatvereinigung vieler hiesiger Künstler, die in einem gemietheten Lokal jede Woche zusammen kommen, um sich näher dadurch zu vereinigen, und über Gegenstände der Kunst zu unterreden. Frauenholz theilt da aus seiner Kunsthandlung die neu erschienenen Blätter zur Ansicht mit; dieses weckt gemeinsaes Interesse für die Kunst, man führt kleine Debatten pro und contra, der ältere Künstler wird aufgeregt, und der junge Künstler erhält Bildung. - Auch unter einander theilen sich hier die Künstler ihre Arbeiten mit. So sah ich gestern einige gut componirte Scenen aus Nathan dem Weisen und Wilhelm Tell vom Herrn Zwinger dem jüngern, der sich in Wien ge-bildet hat. Ferner, architectonische Zeichnungen vom Herrn Carl v. Haller; ein Schlaf-Cabinet, ein Denkmal, einen Chinesischen Kiosk. - Sie zeichneten sich durch viel Geschmack, Reichthum der Erfindung und Zierlichkeit der Ausführung aus. -

Wollen Sie hier einen recht niedlichen, modernen Tempel des Geschmacks sehen, so wandern Sie nach dem Hause und Laden des Herrn Bestelmeyer. Außer den neuesten Arbeiten in Bronze, Porzellan und anderen Modeartikeln, finden Sie ein zahlreiches Sortiment von Spiel-Apparaten für Kinder, von der Kreuzer-Puppe bis zu kleinen Kunstwerken in diesem genre, die mehrere Carolins kosten. Bestelmeyer hat Geschmack und ausgezeichnete Betriebsamkeit, und weiß die Menge guter Arbeiter, die sich in allen mechanischen Arbeiten in Nürnberg finden, gut zu benutzen, und sie zu beschäftigen.

Ich habe Ihnen von hier noch mehreres mitzutheilen. Dieses im nächsten Briefe.