Linz den 24. October 1805. - Hier wäre ich also seit gestern in dem freundlichen Linz, das die schönste Lage an der majestätischen Donau hat. ...

Linz den 24. October 1805. Hier wäre ich also seit gestern in dem freundlichen Linz, das die schönste Lage an der majestätischen Donau hat. Gern sendete ich Ihnen lieber Freund, eine Ansicht davon mit, die ich heute für Sie fertigte, allein sie befindet sich in den Händen des hiesigen Polizeidirectors. Wie dieses zugeht, sollen Sie am Schlusse des Briefes erfahren.

Ich verließ Regensburg am Sonntag; die Witterung wurde günstiger und versprach eine leidliche Fahrt. Den ersten Tag kamen wir Nachmittags 4 Uhr ohne alle Abenteuer in Straubing an. Noch war die Gegend bis hieher truppenleer, blos mehrere Magazin-Transporte fuhren an uns vorüber. Hier in Straubing erwartete man aber stündlich die Franzosen und Baiern, die nur einige Stunden entfernt waren. Ich wanderte durch die ganz gut gebaute Stadt hinaus an die Donau, wo auf einer Anhöhe der St. Johannis-Kirchhof mit der Agnes - Capelle liegt. In dieser Gegend fieng man nämlich den Leichenam der unglücklichen Agnes Bernauerin, die auf Befehl des Herzog Ernst’s von der Straubinger Brücke in die Donau gestürzt worden war, auf, und begrub ihn 1436 hier. Zur Sühnung ließ ihr Mörder Ernst eine Capelle darüber bauen. Das Grab bedeckte ein Leichenstein von röthlichem Marmor. Darauf ist Agnes, eine lange Gestalt im Grab-Gewand mit Hermelin aufgeschlagen, abgebildet. Um die Figur läuft alte Schrift, die ich nicht entziffern konnte. - Dieser Grabstein wurde im Jahr 1785 vom Grabe weggenommen, und rechter Hand neben dem Altar in die Wand eingelassen. An seine Stella legte man auf den Boden eine weiße Marmorplatte, mit der einfachen Inschrift, wie ich sie hier aufzeichne.



Agnes
Bernauerin
1436.

Von dem hohen Kirchhofe der Kapelle sieht man in das schöne Donau - Thal hinab. Der mächtige Strom hatte allenthalben die Ufer verlassen, und bildete fernhin ein Wassermeer, aus dem die Dörfer nur wie Inseln hervorragten. Die Sonne war gesunken, und das glühende Abendroth spiegelte sich in den Fluthen. Eine Mutter in Trauer gehüllt, mit ihren Kindern, verließ eben den Hügel von einer Wallfahrt zum Grabe eines geliebten Verwanden. Jetzt wurde es dunkler, und Todesstille gebreitete sich um mich her; nur bisweilen bewegte ein leiser Abendwind die Salbeistauden, die man als letzte Gabe hier auf die Gräber gepflanzt hatte. - Der Kirch’ner, der die Pforte schließen wollte, mahnte mich endlich zum Aufbruche; - ungern verließ ich diesen einsam romantischen Ort, wo sich die Phantasie aus den umgebenden Bildern manche wunderbare Gestalten schuf.

Ich kehrte nach Straubing in meinen Gasthof zurück. In der Gaststube war eine ganze Gesellschaft politisirender Honoratioren der Stadt vereinigt; der übertriebenste Partheigeist spuckte in ihren Köpfen, und mein Reisegefährte, ein wackerer Kaufmann aus Wien, saß ganz beklommen unter ihnen. - Müde der einseitigen Schwätzereien, zog ich mich bald auf meine Stube zurück, doch mein ehrlicher Reisegefährte kam bald betroffen nach, und erzählte mir, er habe mich so eben einer Arrestation gerettet. Ich trug nämlich einen ungarischen Reise- Rock, der ziemlich militärisch aussah; deswegen hielt mich die hochansehnliche Gesellschaft für einen verkappten feindlichen Offizier. Man trat zusammen, der Bürgermeister präsidirte, und es wurde ein förmliches. hoch- noth- peinliches Halsgericht über mich gehalten. Da ermannte sich mein Reisegefährte, und rettete mich durch die Betheuerung, daß ich ein ehrlicher neutraler Sachse sey.

Montag den 21. October verließen wir des Morgens fünf Uhr Straubing. Das Wetter war kalt und unfreundlich, und ganz verstummt kamen wir des Morgens um 10 Uhr in Plattling, einem kleinen Baierischen Städtchen an der Isar, an. Hier waren die ersten Oesterreichischen Vorposten. An der Chaussee standen als Vedetten zwei Ungarische Husaren mit gespannter Pistole. Als wir in den Ort kamen, hielt vor dem Wirthshaus ein Piquet von 60 Mann Chevauxlegers, vom Regimente Graf Orelly, und Ungarische Husaren. Der Offizier kam sogleich auf den Wagen zu, uns streng zu examiniren, und wie sonderbar spielte hier der Zufall, es war mein Freund und Landsmann P**, den ich seit vielen Jahren nicht gesehen hatte. Dieses unerwartete Wiedersehen wirkte überraschend auf uns beide.

P**, ein braver Offizier, hatte hier das äußerste Vorposten -Commando, eben so ehrenvoll als gefährlich. Den Tag vorher war, 2 Stunden von Plattling, schone ein hitziges Vorpostengefecht vorgefallen. Seit 6 Tagen campirte das Piquet unter freiem Himmel, die Pferde mußten gesattelt gefüttert werden, die Reiter durften in kein Quartier, da man keinen Augenblick vor dem Feinde sicher war. Wir hätten hier also leicht zu einem Ueberfall kommen können.

P** gab mir eine Empfehlung an die übrigen Oesterreichischen Vorposten mit, die mir, besser als mein Reisepaß forthalf. Durch lauter Vorposten- Abtheilungen von Uhlanen, Husaren und Chevauxlegers, kamen wir Abends nach Vilshofen, einer kleinen Baierischen Stadt. Die Wachtfeuer der Piquets brannten allenthalben um die Stade herum, und ein W. Kobell würde hier interessante Militär-Scenen haben auffassen können. In die Stadt waren eben 1.200 Sclavonier, Peterwardeiner und Croaten eingerückt. Sie betrugen sich ganz friedlich, so daß ich den ganzen Abend auf der Straße unter diesen leichten Truppen herumwanderte und mich an der Neuheit dieser Scene ergötzte. Ich gieng zu dem Obersten der Sclavonier, Radivojevicz, einem freundlichen artigen Mann, der mir P’s. Empfehlung von neuem unterschrieb.

Bei Fürstenzell, wohin uns der Weg von Vilshofen führte, trafen wir mehrere Piquets von Orelly Chevauxlegers, die von ihren nächtlichen Streifzügen unvermuthet hier zusammengetroffen waren, und ihre Strapazen bei einem soliden Frühstück vergaßen. Alles toßte fröhlich und munter durcheinander, und genoß den genwärtigen Augenblick. Lebhaft fiel mir Schiller’s Wallenstein’s Lager, das treueste Bild der Soldateske im Felde, ein. Auch hier war der Wahlspruch:

,,Und trifft es morgen, so laßt uns heut,
Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit.“

Man lachte, sang, trank und tanzte, - bis die Trompete schmetterte, und im Nu alles Ernst war. - Schnell wchwang man sich auf die Rosse, und so schnell die Reiter kamen, waren sie auch wieder verschwunden.

Um 12 Uhr fuhren wir in Schärding am Inn ein, wo die Oesterreichische Gränze ist. Die Mauth behandelte uns ganz glimpflich, und expedirte uns schnell.

Im Städtchen lagen 600 Russische Grenadiere, die Rasttag hatten. Eine Abtheilung exercirte, wo ich die Schnelligkeit ihrer Bewegungen bewunderte; die andere Abtheilung scharfte ihre Bayonnette. Wir übernachteten in Beiyerbach, einer kleinen Oesterreichischen Landstadt.

Mittwoch den 23. October. Der Weg von Beyerbach führt durch schöne Gegenden. In der Ferne entfaltete sich die ganze Steyerische Alpenkette, mit schneeigten Gipfeln. - Um 1 Uhr kamen wir in Linz an, dessen Lage an der Donau ausgezeichnet schön ist.
Hier ist auf den Straßen ein buntes Gewühl von Russen, Oesterreichern und einzelnen Französischen Kriegs- Gefangenen, unter denen die schönen Linzerinnen mit ihren junonischen Wuchse, und in ihrer Tracht von langen Leibröcken und den Goldhauben, die einer phrygischen Mütze gleichen, sich gut ausnehmen.

Die Lage von Linz an der Donau entzückte mich. Verwöhnt durch die vieljährige friedliche Ruhe meines Vaterlandes, wanderte ich arglos vor die Stadt mit meinem Portefeuille, um zu zeichnen. Kaum war ich aber in den Gasthof zurück, als ich auch schon zum Polizei - Director entboten wurde. Er suchte mich Anfangs durch einige imponirende Worte zu schrecken, die aber nichts fruchteten. Ruhig trug ich ihm die Veranlassung zur Zeichnung vor, die er so verdächtig fand. Ich mußte ihm mein Portefeuille holen, wo er aus meinen andern Skizzen sah, daß meine gewählten Gegenstände keinen militärischen Bezug hatten. Die Zeichnung von Linz behielt er, doch gab er mir mit einer Warnung mein Portefeuille zurück, und so schieden wir ganz freundlich auseinander.

In dem Gasthofe wo ich logierte, so wie in der ganzen Nachbarschaft, erzählte man sich gestern von einem nahgelegenen Kloster, wo des Abends von 8 bis 9 Uhr ein Geist wimmere, weswegen täglich viele Menschen dahin wallfahrteten. Mit einigen Offizieren machte ich gestern Abend um 8 Uhr auch Parthie dahin, und kam eben zur Entwickelungs-Scene an. Diese bestand in - zwei – Igeln, die in den untern Gewölben des Klosters jeden Abend gegrunzt hatten, wodurch die übergläubigen Seelen geschreckt wurden, und sich jede gegenseitig wacker auslachten.

Die Witterung ist schön, die Donau ist merklich gefallen. Ich gebe also meinten Wagen auf, und schwimme auf einem der morgen nach Wien abgehenden Schiffe, den prächtigen Strom hinunter.