Wien den 16. November 1805. - Die Französische Armee ist seit mehreren Tagen ununterbrochen durch Wien gezogen und eilt nach der Gegend von Brünn, wo die Russische Haupte Armee concentrirt stehen soll. ...

Wien den 16. November 1805.
Die Französische Armee ist seit mehreren Tagen ununterbrochen durch Wien gezogen und eilt nach der Gegend von Brünn, wo die Russische Haupte Armee concentrirt stehen soll. - Meine Nachrichten im letzten Briefe giengen bis zum 11ten dieses, von da fahre ich bis zum heutigen Tage fort.

Den 12ten Oct. glaubte man allgemein, daß die Franzosen in Wien einziehen würden; doch wendeten sie diesen Tag dazu an, die noch zurückliegenden Truppen an sich zu ziehen, und in gedrängten Colonnen vor den Lerchenfelder- und Mariahülfer- Linien, Wien. in einem Halb- Kreis zu umgeben.


Am Morgen des 13ten Novembers zogen sie dann in drei Colonnen durch die nach jenen Linien zu liegenden Vorstädte, in Wien zugleich ein. Den Anfang machte Prinz Murat und Marschall Lannes, an der Spitze einer Division seines Armee - Corps. Alles eilte im Dupplirschritt durch die Stadt nach der Tabor - Brücke, an deren Erhaltung den Franzosen, der Communication mit Mähren wegen, natürlich sehr viel gelegen war. Aus jetzt noch unbegreiflichen Beweggründen ist sie von den Oesterreichern nicht abgebrannt worden. Murat und Lannes waren die ersten auf der Brücke. Am jenseitigen Ende, bei dem Dorfe Spitz hatten die letzten Truppen der Oesterreichischen Arriere - Garde noch ein Verhau gemacht. Die Französischen Sappeurs wurden vor kommandier, nach leichtem Widerstand wurde das Verhau durchbrochen und so die Brücke erhalten, zum großen Nachtheile der Russen, welche auf ihrem Rückzug von Stein nun eingeholt, und zu dem mörderischen Gefecht bei Hollabrunn genöthigt wurden.

Hier in Wien geschah der Einmarsch und die nachherigen Durchmärsche der Franzosen, in guter Ordnung. Jedes Regiment marschirte in geschlossenen Colonnen, und kein Krieger durfte sich aus den Reihen entfernen. Die Versicherung des Grafen Wrbna, die Franzosen würden strenge Mannszucht halten, hatte so allgemeines Zutrauen erregt, daß jetzt in den Hauptstraßen, durch welche die Colonnen zogen, keine Hausthüre, kein Kaufmannsladen geschlossen, sondern selbst die aufgeputzten Magazine der Modehändler, der Gold - und Silber - Arbeiter, zur öffentlichen Schau blieben.

Merkwürdig war es aber zu sehen, wie sich Offiziere und Gemeine bei den Landcharten- Handlungen aus den Colonnen drängten, um die Charten des Landes zu kaufen.

Das Ganze glich dem friedlichen Durchmarsch von Landes -Truppen, welche von tausenden von Zuschauern betrachtet und selbst gemustert wurden. Glauben Sie aber ja nicht, daß der Wiener deswegen weniger patriotisch gegen seinen Kaiser gesinnt bleibe. Er fügt sich blos mit gutmüthiger Ergebung in sein jetziges Schicksal, ohne jedoch im mindesten in der Treue und Anhänglichkeit an seinen Landesherrn zu wanken, dem er jedes Opfer, welches die Ruhe und allgemeine Sicherheit jetzt erfordert, gern bringt. Diese Gesinnung finden Sie hier vom Fürsten bis zum Handarbeiter. Sie beschränkt sich aber hier, wie fast in ganz Teutschland, blos auf die passiven Tugenden, da uns armen Teutschen einige große Männer aus unserer Mitte fehlen, die wie Herrmann Teutoniens Schaaren entflammen, und unüberwindlich machen könnten.

Napoleon’s Scharfblicke ist der biedere Charakter der Oesterreicher, und folglich auch der Wiener nicht entgangen. Durch schonende Behandlung war er bei den Wienern für jeden Aufstand sicher. Er wollte vorwärts mit seiner Armee. Eine volkreiche Stadt wie Wien, im Rücken der Armee, durch den Druck in Respect zu erhalten, hätte eine eigene, kleine Armee erfordert. - Deswegen ließ er, nebst der seit gestern angeordneten neuen Regierung und Verwaltung in Oesterreich (wovon weiter unten) die von dem Kaiser Franz eingesetzte Hof-Commission, unter dem würdigen Grafen von Wrbna, und vertraute dem Wiener Bürger-Militär, einem bewaffneten Corps von 10.000, Mann die Erhaltung der Ruhe und Sicherheit der Stadt an, welche gewiß auch dadurch erreicht werden wird.

Der Kaiser Napoleon war den 13ten November Abends spät in dem Kaiserl. Pallaste zu Schönbrunn, eine Stunde vor Wien, angelangt. Einen Beweis seiner rastlosen Thätigkeit gab er gleich am andern Morgen. Am 14ten früh um zwei Uhr, ritt der Kaiser schon durch Wien, und visitirte selbst die ganze wichtige Vorpostenkette an der Donau, wo er viele Vernachlässigung fand, denn die Offiziere glaubten sicher zu seyn, und ruhten von den Strapazen der forcirten Märsche aus. Um 8 Uhr ritt der Kaiser, von wenigen Offizieren und Mamelucken umgeben, unerkannt burch Wien zurück nach Schönbrunn. Ich stand in meinem Logis am Graben eben am Fenster; die Mamelucken, die nur ihn begleiten, fielen mir auf, ich nahm das Perspektiv, und erkannte den Kaiser in seinem einfachen grauen Ueberrock.

Schon den Nachmittag erschien von Berthier eine Ordre du jour, wo am Schluß die Vernachlässigung der Vorposten gerügt wurde.

« Sa Maj. dans la tournée, » heißt es hier, « qu’elle a faite à 2 heures du matin aux avant postes, a remarqué beaucoup de negligence dans le service et s’est appercue qu’il ne se faisoit pas avec cette … Le Major – général Berthier. »

In Schöbrunn ist der Kaiser Napoleon ununterbrochen mit Militair- und Civil - Arbeiten beschäftigt. Berthier und der Staats-Secretair Maret wohnen daselbst, und sind stets um ihn. Gestern bereits erschien die von Maret ausgefertigte gedruckte Verordnung, wegen der neuen Regierung und Verwaltung von Oesterreich. Hiernach hat Ober-Oesterreich fünf Kreis- Commandanten und Intendanten, und Nieder-Oesterreich deren vier. Diese Commandanten stehen sämmtlich unter dem General -Gouverneur, wozu der Divisions - General Clarke, - die Intendanten unter dem General-Intendanten, wozu der Staatsrath Daru ernannt worden ist. Beide haben ihren Wohnsitz in Wien. Dem General-Gouverneur ist alles untergeordnet, was sich auf Polizei bezieht; der General-Intendant hingegen besorgt die öffentliche Verwaltung. Die Geschäfte werden dann durch das Medium der Hof-Commission ausgeführt, die im Grunde die ganze Sorgenlast allein zu tragen hat. Doch da der unermüdet thätige Graf Wrbna, durch sein kluges und sehr festes Betragen sich schon die Achtung der Französischen Behörden erworben hat, so ist Einheit und schnelle Ausführung in den Maßregeln, und die Willkühr des Einzelnen, welche im Kriege den Ueberwundenen so gefährlich ist, kann wenigstens hier in Wien nicht überhand nehmen.

Napoleon verließ heute Schönbrunn und fuhr in einem achtspännigen Wagens begleitet von Gardisten und Mamelucken, durch Wien zur Armee nach Mähren.

Die bisher unaufhörlich fortdauernden Truppen-Märsche hören jetzt auf; alles kehrt so ziemlich in seine vorige Ruhe und Ordnung zurück, und der Fremde genießt das, mas von Schätzen der Literatur und Kunst noch hier geblieben ist.