Wien im November 1805. - Halten Sie mein langes Stillschweigen nicht für Vergessenheit. Die Unsicherheit des Postenlaufs war Ursache, daß ich schwieg. ...

Wien im November 1805.
Halten Sie mein langes Stillschweigen nicht für Vergessenheit. Die Unsicherheit des Postenlaufs war Ursache, daß ich schwieg. Sie sollen dafür jetzt in einer Reihe von Briefen erfahren, was ich hier und da in Wien Merkwürdiges beobachtete. Zwar ist die jetzige Periode den schönen Künsten, denen ich so gern huldige, nicht günstig, dennoch finde ich des Interessanten ungewöhnlich viel. Dieser Brief sey zuerst dem berühmten Hof-Bildhauer Zauner und seiner equestren Kolossal-Statue Josephs II. gewidmet. Ein Paar Worte vorher von dem Künstler, dessen Umgang ich hier höchst interessante, lehrreiche Stunden verdanke. Die Anspruchslosigkeit und Offenheit, die der treffliche Künstler im Umgange zeigte, die nachsichtsvolle Geduld und Belehrung, die er gegen mich Dilettanten bewies, machen mich zu seinem dankbaren Verehrer.

Herr Franz Zauner *) ist jetzt Hof-Bildhauer, Professor und Rath der Kaiserl. Akademie der bildenden Künste. Er wurde 1746 zu Konutzberg im teutschen Tyrol geboren. Früh zeigte sich bei ihm Lust zur Bildhauerei, die er bei einem Vetter, der Bildhauer war, ausbildete. Der Trieb sich zu vervollkommnen, brachte ihn nach Wien. Hier langte er 1766 zwanzig Jahre alt, mit wenigem Geld, aber mit dem Enthusiasmus, sich bald zu vervollkommnen, an. Er kam zu dem geschickten Professor Schletterer, bei dem er 5 Jahre arbeitete. Jede Neben- Stunde benutzte er, theils nach der Natura theils nach den wenigen vorhandenen Abgüssen der Antiken, sich zu bilden, und so bahnte er sich wie jedes Genie, frei von dem Zwang der Schule, seinen eigenen Weg.


Die Verzierung des Schönbrunner Gartens brachte Herrn Zauner zum Hofbildhauer Bejer, für den er arbeitete. Doch rastloses Studium, welches er selbst des Nachts fortsetzte, brachte ihn so weit, daß er jetzt wünschte, unter eigenen Namen etwas Gutes auszuführen. Die Gelegenheit fand sich bald. Es sollten Statuen zu einigen Brunnen in Schönebrunn gefertigt werden. Hr. Zauner meldete sich deswegen bei dem kunstliebenden Fürsten Kaunitz, der ihm auftrug, binnen 15 Tagen ein Modell zu einem der Brunnen zu fertigen. Es sollte die drei vornehmsten Oesterreichischen Flüsse mit Attributen vorstellen. Das Modell wurde zur bestimmten Zeit fertig, erhielt allgemeinen Beifall, und Herr Zauner führte es unter seinem Namen im Großen aus. Er erwarb sich hierdurch die Gunst der Maria Theresia, so wie des Fürsten Kaunitz, und wurde 1776 als Pensionär des Hofes nach Rom geschickt. Vier Jahre bildete er sich hier theoretisch und praktisch aus. Er wollte eben nach Neapel abreisen, als er 1781 nach Wien an die erledigte Professur der Bildhauerkunst berufen wurde. Hier führte Zauner das in unbestimmte Manier ausgeartete Studium der Bildhauerei auf richtigere Principien zurück, die ihm die Natur, in Verbindung mit der Antike, darbot. Von eigenen Werken führte er folgende vier aus, die sie in Füßli’s Annalen näher angegeben finden.

1) Das Denkmal Leopolds II., in der Augustiner- Hofkirche.
2) Denkmal der Gräfl. Friesischen Familie in Veßlau. **)
3) Vier kolossale weibliche Caryatiden, am Portal des Palais des Grafen Fries am Josephsplatz.
4) Zwei Brustbilder des jetzigen Kaisers.
5) Hymen, im Museo des Grafen von Fries.

Sein unsterbliches Werk aber ist die equestre Statue Josephs II., die ich Ihnen jetzt ausführlich beschreiben will.

Der jetzige Kaiser Franz wollte seinem unvergeßlichen Oheim Joseph II., ein erhabenes Denkmal auf dem Josephs-Platz bei der Kaiserl. Burg, errichten lassen. Dieses sollte in der kolossalen Bildsäule Josephs in Bronze gegossen bestehen. Professor Zauner erhielt den Auftrag hierzu. Er fertigte mehrere Modelle, wovon das eine den größten Beifall fand. Um aber sowohl von der angemessenen Größe, als auch von der Lokalität sich vollkommen zu überzeugen, so wurde die Statue sammt dem Postamente, in kolossaler Größe auf ein Tableau gezeichnet, auf dem hierzu bestimmten Josephs-Platz errichtet, um dem Publikum, vorzüglich aber den Kunstverständigen, zu einer freimüthigen Beurtheilung überlassen. Es bestand die Prüfung, wie man erwarten konnte, vollkommen.

Professor Zauner folgte bei der Ausführung des Ganzen, so wie man es jetzt bei der fertigen Statue und dem Pferde im Kaiserlichen Gusshause, so wie am Piedestale auf dem Josephs- Platz bewundern kann, seinen eigenen Ansichten, die in der Kunst des Metall- Gusses Epoche machen werden. Ich will sie weiter unten anführen. Jetzt gebe ich Ihnen zuerst eine kurze Beschreibung des Monumentes, wie es aufgerichtet erscheinen wird, und lege zur besseren Versinnlichung eine treue Abbildung bei.

Das ganze Monument mit dem Piedestal, hat eine Höhe von 36 Fuß, ist 46 Fuß lang und 37 Fuß breit. Das Pferd mißt vom Hufe bis an die Ohren vierzehnthalb Fuß, die Figur des Kaisers hat in sitzender Stellung gerade 11 Fuß.

Der Monarch ist im Römischen Costume dargestellt, wie er als Imperator mit dem Lorbeer bekränzt, unter seinem Volk umherreitet, und mit der ausgestreckten Rechten Aufklärung und nützliche Kenntnisse zu verbreiten sucht. Die Linke faßt den Zügel des herrlichen Pferdes, welches im kräftigen Schritt einherschreitet, mit gehobenem rechten Vorder- und linken Hinterfuß. Wenn auch diese ganze Stellung an bekannte, alte equestre Statuen erinnert, so muß man doch dem Künstler das Verdienst lassen, daß er sie seinem Gegenstande glücklich anpaßte, und mit einer Vollkommenheit ausführte, die mit den schönsten Arbeiten des Alterthums wetteifern kann. In den großen Formen des Ganzen ist nichts Gezwungenes, Steifes, was den Schein zu imponiren hätte; sondern mächtig ergreift dem Beschauer die ruhige Würde, die aus der Statue spricht.

Diese equestre Statue steht auf einem Piedestal von grauem, sehr gleich gemischtem Granit, bei Matthausen einige Stunden von Linz, gebrochen. Der sanfte, graue Ton des Granits, der vortrefflich geschliffen ist, hamonirt zu der Bronze sehr gut, so daß auch der Eindruck des Ganzen, Ruhe und Würde athmet. Die Statue ist so auf das Piedestal gestellt, daß sie gegen das Palais des Grafen von Fries, dieses Freundes und eifrigen Beförderers der Künste blickt. Ich gebe hier zur besseren Verständigung nur mit einigen Linien den Grundriß an.

Das Piedestal hat durch drei Fußplatten, und durch die weit vorspringende Sockel, eine große breite Basis. Auf den beiden langen Seiten des Piedestals (a und b) sind zwei Bronzetafeln eingelassen, mit Allegorien auf die Verdienste Josephs um sein Reich. Diese aus dem Ganzen gegossenen Reliefs, sind jedes 12 Fuß lang und 7 Fuß hoch, folglich wohl die größten Bronze- Tafeln, die je segossen wurden.

Das Basrelief, rechts vom Beschauer (a) bezieht sich auf Josephs Reisen, auf denen er Kenntnisse zur Verbreitung wahrer Cultur und Aufklärung für seine Länder sammelte. Joseph in der Mitte stehend, wird von einem Genius gegen die sitzende Europa geführt. Rechts unterrichtet ein Landmann seinen Sohn in dem Ackerbau, als Zeichen des Friedens. Hinter ihm der Eichbaum, das schöne Sinnbild teutscher Festigkeit und Treue.

Das Basrelief links. (b) welches Sie auf der Abbildung sehen, deutet auf die Freimachung des Hafens von Triest. Merkur entfesselt die Handlung, welche als weibliche Figur auf einem Waarenballen ruht; Joseph in der Mitte, streckt als Protektor die Hand gegen sie aus. Ihm zur Rechten steht ein Kaufmann, der nachdenkend die für ihn daraus entspringenden Spekulationen zu berechnen scheint. Neben ihm Fama, die es mit weittönender Tuba verkündigt. Im Hintergrund ein Leuchtthurm und einige Schiffe, um das Ganze zu localisiren.

In die schmale vordere und hintere Seite des Piedestals (c und d) sind Schrifttafeln eingelassen, die gleichfalls sammt der Schrift im Ganzen gegossen sind. Die Buchstaben stehen erhaben, und werden vergoldet, welches sich gegen den tiefer liegenden, matten Bronzegrund gut schattiren wird.

Die Inschriften entwarf zuerst Denis, dann wurden sie vom Abbé Neumann, dem würdigen Numismatiker, etwas abgeändert.

Auf der vorderen Schrifttafel (c) liest man:
JOSEPHO. II.
QUI.
SALUTI. PUBLICAE. VIXIT.
NON. DIU. SED. TOTUS.

Auf der hinteren Schrifttafel (d) liest man.

FRANCISCUS.
ROM. ET. AUST. IMP.
EX. FRATRE. NEPOs.
POSUIT.
MDCCCVII.

Im Herbst 1807 soll nämlich das Ganze geendigt seyn. und eingeweiht werden.

Um das Monument stehen vier große Pilaster von Granit (e) über Mannshöhe, die gleichfalls als Denksäulen dienen sollen, die nach den unter Joseph II. geprägten Schaumünzen, die merkwürdigsten Epochen seiner Regierung bezeichnen. Diese 16 Hautreliefs, sind mit matt gearbeiteten Lorbeerkränzen umgeben. - Zwischen diesen vier Denksäulen tragen kleinere Granitpfeiler die Ketten.

Noch ehe Herr Zauner den Guß der kolossalen Statue unternahm, goß er 1797 die Gruppe im Kleinen, die vortrefflich ausfiel, und jetzt mit dem Piedestal zwölf Fuß hoch, im Kaiserl. Garten zu Laxenburg aufgestellt ist. - Der Künstler war bei ber Veranstaltung des Gusses, seinen eigenen Weg gegangen, und ob ihm gleich jetzt Mariette’s verdienstvolles Werk über den Guß der Statue Ludwigs XV. bekannt wurde, mit dem seine Vorrichtung in vielen Stücken verschieden war, so blieb er doch seinen Ansichten getreu, die vollkommen gelangen. Er wendete, daher dieselben Erfahrungen auch im Großen an, und hatte das Vergnügen, daß der geendigte Guß der Statue am 19. September 1800 und der des Pferdes am 26. Februar 1803, alle Foderungen der Kunst erfüllte.

Ich kehre jetzt, da Sie das Ganze kennen, zu einer kurzen technischen Uebersicht der Arbeiten bei der Modellirung und bei dem Gusse zurück.

Als Hr. Zauner die Statue, wie ich oben erwähnte, im Kleinen gegossen hatte, so schritt er zu dem großen Modelle selbst. Nachdem man in seinem Laboratorium eine angemessene Grundfeste gemacht hatte, so ließ er ein Gerippe, welches ohngefähr die rohe Configuration von dem künftigen Pferde hatte, von starken eisernen Stangen verfertigen. Dieses wurde nach und nach mit einem aus Gips und Sand gemachten Mörtel ganz roh ausgefüllt. Um aber wegen der großen Last das Sinken zu verhindern, und die nach und nach entstehende Schwere zu mindern, so wurden große Stücken Holz - Kohle zugleich mit eingemauert, und auf diese Weise entstand nach und nach der rohe Koloß des Pferdes, dem man das volle artistische und anatomische Ebenmaas gab. Jetzt war nun nothwendig, das Ganze abzuformen. Das Pferd wurde gut getrocknet, dann ein Theil nach dem andern mit einer aus Oel und Seife gemachten Salbe überstrichen, und so in großen, mehr oder wenigen prismatischen oder trapezoidal Gips-Stücken überformt. Diese einzelnen Stücke bezeichnete man mit Buchstaben und Zahlen, um jeder Verwirrung vorzubeugen, und versah sie mit eisernen Oehren, um sie behülflicher zu machen. Eben so wurde die Statue abgeformt. Dieses alles geschah im Laboratorio des Professors Zauner, bei St. Anna. Alle übrigen Arbeiten, die Fertigung des Kerns, der Form darüber, der Guß, so wie das Ausarbeiten, wurden im Kaiserl. Gußhause auf der Wiedner Vorstadt beendigt.

Um den Kern zu bilden, legte man in Frankreich bei dem Gusse der Statue Ludwigs XV., die Gips-Formen mit Wachstafeln, nach der Metalldicke aus, fügte die Formen dann genau zusammen, und goß die Kernmasse hinein. So war der Kern schon zum Gusse mit Wachs überzogen, ohne daß man ihn vorher untersuchen und ausbessern konnte. Diese und noch andere Bedenklichkeiten, bewogen unsern Künstler, einen anderen Weg zu versuchen.

Die Arbeit im Gußhause fieng mit der Zurichtung der Dammgrube an. Man gab ihr nebst den gehörigen Dimensionen, auch eine Basis von Quadersteinen, und längs des Platzes, worauf die Form stehen sollte, wurde ein mit einem eisernen Roste versehener Ofenheerd erbauet, der in der Folge zur Ausbrennung der Form, unmittelbar nothwendig war. Da Zauner zuerst den Kern der Statue des Kaisers machen wollte so wurden in die Basis starke eiserne Stangen, theils eingemauert, theils aber mittelst Schrauben, stark zusammengeschraubt. Um dieses Gerippe wurde nun die oben beschriebene Gipsform gesetzt, mit der Salbe gehörig überzogen, und die sämmtlichen Fugen mit Possierlehm oder Gips verstrichen. Mittlerweile wurde eine angemessene Menge Gips, feines Ziegelmehl und Bier bis zur Syrupsdicke angemacht, und dann mittelst hölzerner Canäle, durch eine am Kopfe der Statue angebrachte Oeffnung, sehr langsam eineingegossen, bis die Form voll war. Nachdem die Masse halb erhärtet war, so wurden die einzelnen Gipsstücke wieder nach der alphabetischen und Zahlen-Ordnung abgenommen, und der Kern stand da. Von der Oberfläche dieses halbgetrockneten Kerns, schnitt man nun so viel weg, als die Metalldicke betragen sollte, trocknete durch Kohlenfeuer die Statue aus, und fügte von unten herauf, die Formen reihen oder etagenweise an. Der zwischen der Form und dem Kern befindliche freie Raum wurde nun mit Wachs, mit etwas Terpentin vermischt, ausgegossen. So fuhr man etagenweise fort, bis die ganze Statue um den Kern herum, ausgegossen war. Jetzt wurde die Form wieder abgenommen, die wächserne Statue mit Griffeln ausgebessert, und mit Guß- und Luftableitungs-Röhren versehen. Hier ist besonders bei den Röhren die Rücksicht genommen worden, daß man sie dergestalt angebracht hat, daß das fließende Metall niemals die Oberfläche des Kerns berühren konnte, sondern mittelst der Röhren sich unterhalb der Statue hat sammeln müssen, wodurch die Form von unten auf ausgefüllt wurde.

Nachdem nun die wächserne Statue mit den Luft-, Guß- und endlich auch mit den unterhalb der Statue angebrachten kupfernen Röhren, welche zum Auslaufen des Wachses dienten, versehen war, so wurde in gehöriger Stärke die eigentliche Gußform aus Thon aufgetragen, mit eisernen Schienen gittermäßig umstrickt, und nun das Wachs, welches zwischen der Gußform und dem Kern eigentlich die Statue bildete, ausgeschmolzen. Dieses geschah, indem man Anfangs 2 bis 3 Tage langfam feuerte, bis das meiste Wachs durch die kupfernen Röhren abgelaufen war. Dann fieng man an stärker zu feuern, bis die Gußform vollkommen ausgebrennt war; war die Ausbrennung beendigt, so ließ man die Gußform einige Tage stehen, und verhütete die Wirkung der äußeren Luft durch Sperrung der Fenster und Thüren des Gußhauses, bis sie ganz ausgekühlt war. Hierauf wurde sie mit guter, etwas feuchter Erde verdämmt. Mittlerweile war der Gußofen eingerichtet, gefüllt und angezündet, und der Guß wurde glücklich vollendet. nachdem 2 Nächte und 1 Tag gefeuert worden war. Außer dem übrigen Personale waren bei dem Gusse, der Professor Zauner, der Major Weigl. der Haupt-mann von Lethengey und Ober-Lieutenant Kohout, sämmtlich Offiziere, die bei dem Kaiserlichen Gußhause angestellt sind. Auf eben die Art wie die Statue, wurde der Guß des Pferdes, der Basreliefs und der zwei Schrifttafeln beendigt.

Hoffentlich wird Professor Zauner seine bei dem Gusse beobachtete Methode, und die daraus gezogenen Resultate, in einem besonderen Werke beschreiben, welches sich gewiß die günstigste Aufnahme bei der Kunstwelt versprechen darf.

Es ist erfreulich, daß nicht weit vom Josephsplatze, wo Zauners imposante Statue bald errichtet stehen wird, in der Augustiner-Hofkirche auch das schönste Denkmal neuerer Bildner-Kunst in Marmor aufgestellt ist; ich meine das Grabmal der Erzherzogin Christina von Oesterreich, welches ihr Gemahl, der Herzog Albert von Sachsen-Teschen zu ihrem Andenken von dem berühmten Bildhauer Canova hat fertigen lassen.***)

Beide Meisterwerke werden der Nachwelt die unläugbarsten Beweise des Zustandes der Kunst unseres Zeitalters geben, dem manche wehklagende Zweifler gern alles Große, Geniale absprechen möchten. - Sehr leid thut es mir, daß ich den Ritter Canova nicht persönlich hier kennen lernte. Er war bis zur Beendigung der Errichtung des Grabmals in Wien, und reiste erst vor wenigen Wochen nach Italien zurück.

Jedermann rühmte den liebenswürdigen, anspruchslosen Charakter des großen Künstlers. Ich fand sein gezeichnetes Portrait bei einem jungen Schweizer-Künstler, Herrn Jacob Merz,****) dem Canova selbst gesessen hatte.

Da es mir durch seine heitere Genialität lieb wurde, so bat ich Herrn Merz, der zugleich Kupferstecher ist, mir das Portrait geistreich zu radiren. Es ist gut gelungen, und ich lege es hier bei. (S. das Titelkupfer.)

Mehreremale war ich bei dem Grabmal, welches bei näherer Betrachtung durch has Originelle der Erfindung, durch die Schönheit der Formen, und durch die, dem Ritter Canova eigne, unübertreffbare Bearbeitung des Marmors, immer mehr fesselt.

Durch das Grabmal sollten die geistigen Vollkommenheiten der Verstorbenen, ihre Wohlthätigkeit, ihre Entschlossenheit und Muth mit Hindeutung auf die Trauer des Gatten, ausgedrückt werden. Canova führte dieses allegorisch auf folgende Weise aus:

Der Zuschauer erblickt, aus der Wand der Kirche etwas hervortretend, eine 28 Fuß hohe Pyramide, von violet-grauem gefleckten Carrarischen Marmor, welche auf einer 6 Fuß, 6 Zoll breiten, und 28 Fuß langen Basis ruht. Von der Basis führen zwei breite Stufen zu einer Pforte, die sich als Eingang zu dem Grabe in der Mitte der Pyramide öffnet. Eben hat sich linker Hand (alles vom Beschauer an gerechnet) ein Trauerzug genähert, und schreitet feierlich über die Stufen, die mit einem breiten Teppich leicht überdecke sind, nach dem geöffneten Grabe zu. Zunächst der Pforte sehen wir die Tugend, eine edle, weibliche Gestalt im langen, faltenreichen Gewande mit aufgelösten Haaren, um welche sich eine Krone von goldenen Oelzweigen windet. Sie trägt in einer Urne die Asche der Verewigten, indem sie mit erhabener Wehmuth den Kopf vorwärts neigt. Als Begleiter umgeben die Tugend zwei Fackelträgerinnen, liebliche, zarte Mädchen, welche sie in das geöffnete Grab geleiten, und mit ihr durch Blumenschnuren zur Gruppe sinnreich verbunden sind. - In einer kleinen Entfernung, auf der unteren Stufe folgt der Tugend die Wohlthätigkeit, eine weibliche Figur, deren einnehmende Züge jetzt in die tiefste Traurigkeit versunken sind. Sie ist weniger verhüllt und jünger als die Tugend, und führt am rechten Arm einen hülflosen blinden Greis, dessen Rechte sich an einem Stabe festhält, um den unsichern Fuß zu stützen, während ein fünf-jähriges Mädchen, mit naiver kindlicher Andacht die kleinen Händchen faltend, zwischen beiden steht, und so den Gedanken versinnlicht, daß wahre Wohlthätigkeit jedes Alter, vom Kinde bis zum Greise umfassen müsse. - Diese beiden, aus sechs Figuren bestehenden Gruppen, so wie der Genius nebst dem Löwen und den heraldischen Verzierungen, von denen weiter unten die Rede seyn soll, sind von weißem Carrarischen Marmor unvergleichlich schön ausgeführt. Die Vollendung, welche alle Kenner an Canova’s Marmor-Arbeiten rühmen, wo bis in die zartesten Falten und Gelenke alles die letzte Ausarbeitung und Politur hat, steht man auch im hohen Grad an diesen Gruppen. Hierdurch wird die Phantasie beim längeren Beschauen, mächtig ergriffen - der todte Stein wird belebt, die edeln weißen Gestalten bewegen sich zur rein herzlichen Feier einer erhabenen Frau. Ohne tiefes Studium der Allegorie ist die Bedeutung dieses Zugs jedem sich Nahenden, allge-mein verständlich. Daß die Feier einer geliebten Gattin gilt, drücken die drei auf dem Architrav über der Eingangspforte eingegrabenen Worte:

VXORI OPTIMAE ALBERTUS

einfach und schön aus.

Zur deutlichern Bezeichnung der Verstorbenen, und gleichsam als ihre Apotheose, schwebt auf dem oberen Theile der Pyramide, aus dem brauen Marmor als halberhobenes Relief herausgearbeitet die Figur der Glückseeligkeit, und trägt in dem Schlangenzirkel der Unsterblichkeit das Portrait Christinens mit der Umschrift:

MARIA CHRISTINA AUSTRIACA.

Der Glückseligkeit gegenüber reicht ein fliegender Genius den Verdiensten der Erzherzogin einen Palmzweig.

Mit diesen Gruppen und Reliefs wäre das Ganze vollkommen ausgedrückt und geschlossen gewesen. Aller Schwulst von Wappen und heraldischen Verzierungen, die sich mit dem Gedanken an Tod, Vollendung und Fortdauer wohl schwerlich schicklich vereinigen lassen, wäre weggeblieben. Doch Canova mußte theils zur Ausfüllung der vom Beschauer rechten Seite der Stufen der Pyramide, wodurch mit den oberen Reliefs sich alles Bildwerk pyramidalisch gruppirt - vielleicht auch auf höheren Befehl - noch eine dritte allegorisch -heraldische Gruppe auf den Stufen vor der Pyramide anbringen, wodurch nach meinem Gefühl, das Ganze nicht gewonnen hat, so schön auch die einzelnen Theile ausgearbeitet sind. Auf der obersten Stufe liegt ein in Trauer versunkener Löwe, der nach van de Viverre’s Entwickelung*****), das Sinn-Bild der Seelenstärke der Fürstin vorstellen soll. Auf den Löwen, über den er seine Chlamys geworfen hat, stützt sich ein geflügelter Genius, das Sinnbild der Zärtlichkeit und der Empfindung des Gatten. Mit wehmüthiger Trauer liegt dieser Genius auf den Stufen, und giebt sich in die Arme des Muthes, das Sinnbild der ihm entrissenen Gattin. Er blickt nach dem hinter dem Löwen gelehnten teutonischen Schild, auf dem das Oesterreichische Wappen. gegraben ist. Die linke Hand des Genius ruht auf einem runden, etrustischen Schilde, weil Sachsen durch die Herzoge von Braunschweig aus dem Hause Este abstammt. - Der Genius ist einer der schönsten Jünglinge, den man sehen kann; der Löwe, die Schilder sind vortrefflich gruppirt und ausgearbeitet. Doch fragt sich der länger betrachtende Zuschauer, wozu diese schwer zu deutende allegorische Gruppe, da in dem früher beschriebenen Figuren-Werk das Ganze faßlicher schon enthalten ist - Doch wird die Kritik bei dem Anblick des Ganzen bald besänftigt, und mit steigendem Enthusiasmus kehrt man öfters zu dem Grabmal zurück, an dem sich jedesmal einzelne neue Schönheiten entfalten.

Eigentlich erschien das Original dieser Beschreibung italienisch in Rom, 1801 und der Abbate Canova, der Bruder unseres Bildhauers mag wohl die meisten Erläuterungen hierzu gegeben haben.

Außerdem ist auch eine Abbildung dieses Monuments in einem großen prächtigen Kupferstiche, gezeichnet von del Frate, und gestochen von P. Bonato bei Artaria in Wien erschienen.

Ungleich anziehender aber würde dieses Monument noch seyn, stünde es in einer eigends dazu erbaueten Capelle, wo keine bunten Verzierungen der Kirche, wie es jetzt der Fall ist, den ruhigen gesammelten Eindruck störten. Natürlich, setze ich voraus, hätte man dann den Bau der Capelle ganz auf das Grabmal berechnet, und auch die Beleuchtung durch ein einziges großes Fenster, auf das frappanteste bewirkt. Abends würde eine große componirte Argandische Lampe, kunstvoll angebracht, noch magischer die herrlichen Marmorgestalten gehoben haben.



*) Ich entlehne die biographischen Notizen aus Füßli’s Annalen der bildenden Künste für die österreichischen Staaten, die ich jedem Kunstfreunde empfehle.



**) Eine Abbildung davon giebt die Titelvignette des Taschenbuch für Freunde schöner vaterländischer Gegenden. 1ster Jahrgang. Wien 1805. bei Doll.



***) Es kostete 20.000 Ducaten.



****) Der kunstliebende Pfarrer Hr. Veith in Andelfingen in der Schweiz, zog den jungen Merz zur Kunst an, und leitete seine ganze Bildung. Er war 3 Jahr bei dem berühmten Lips in Zürich, wo er sich zum Kupferstecher bildete. Dabey ist Hr. Merz ein correkter braver Zeichner. Von einer malerischen Reise durch Ungarn sah ich mehrere höchst charakteristische Volksgruppe von ihm.



*****) Mausoleum oder Grabma1 Ihrer Kaiserl. Hoheit, Maria Christina, ausgeführt durch Herrn Chev. Ant. Canova; aus dem Französischen des Herrn van de Biverre. Wien bei Artaria u. Comp. 1805 mit einer guten Contour-Abbildung gezeichnet und gestochen von Jac. Merz, dem geschickten Schweizer Künstler, dessen ich bereits erwähnt habe. –