ALTES CREEK-LAGER. — MANGEL AN LEBENSMITTELN. — SCHLECHTES WETTER. — ERMÜDENDER WEG. — EINE JÄGERBRÜCKE.

Die Gegend, durch die wir diesen Morgen (2.November) kamen, war nicht so rauh und freundlicher als die, welche unmittelbar hinter uns lag. Um eilf Uhr kamen wir auf eine weite Prairie heraus, und etwa sechs Meilen zu unserer Linken sahen wir einen langen Streif grüner Wälder, der den Lauf des nördlichen Arms des Arkansas bezeichnete. Am Saume der Prairie und in einem weiten Gehölze von herrlichen Bäumen, die einen kleinen Bach beschatteten, befanden sich die Spuren eines alten Jagdlagers von Creek-Indiern. An der Rinde der Bäume sah man Bilder von Jägern und Squaws (Weibern) roh mit Kohle gezeichnet, außerdem mancherlei Zeichen und Hieroglyphen, die, nach der Erklärung unserer Mestizen, bedeuteten, daß die Jäger von diesem Lager aus heimgezogen.

An diesem hübschen Lagerplatze hielten wir über Mittag. Wir ruhten unter den Bäumen aus, da hörten wir nicht gar weit weg lautes Geschrei, und gleich darauf kamen der Capitän und das Hauptcorps der Jäger, die wir vor zwei Tagen verlassen, aus dem Dickicht hervor, setzten über den Bach und wurden im Lager herzlich willkommen geheißen. Der Capitän und der Doctor waren ihrer Pferde nicht wieder habhaft geworden und hatten den Weg zum größern Theile zu Fuß zurücklegen müssen; trotz dem waren sie ungewöhnlich schnell hergekommen.
Wir setzten gegen ein Uhr in östlicher Richtung, schief auf den nördlichen Ast des Canadian zu, unsern Marsch fort. Es wurde spät, bevor wir einen guten Lagerplatz fanden; die Flußbetten waren ausgetrocknet und die Prairien an manchen Stellen von indischen Jägern verbrannt; endlich trafen wir Wasser auf einem schmalen Strich angeschwemmten Landes, wo auch die Weide erträglich war.
Am folgenden Morgen wetterleuchtete und donnerte es leise gegen Morgen, und Wolken begannen am Horizont aufzuziehen. Beatte prophezeyte Regen und sagte: der Wind werde sich nach Norden drehen. Im Lauf unseres Marsches sahen wir über uns einen Flug Kraniche von Norden herziehen; „da kommt der Wind!“ sagte Beatte, und wirklich, auf der Stelle beinahe begann er aus jener Ecke zu blasen, und brachte uns hie und da einen Regenschauer. Gegen halb zehn Uhr setzten wir über den nördlichen Ast des Canadian und lagerten uns um ein Uhr, damit unsere Jäger Zeit hätten, die Umgegend nach Wild zu durchstreifen; denn im Lager begann ernstlich Mangel einzureißen. Unsere Leute hatten, wie gewöhnlich, ganze Lasten Büffelfleisch im Lager auf der großen Prairie zurückgelassen, und da sie seitdem einen Eilmarsch gemacht, wobei keine Zeit zum Jagen blieb, so waren sie von allem Proviant entblößt und völlig ausgehungert. Manche hatten seit Morgens früh Tags zuvor gar nichts zu sich genommen. Als sie nach der Büffeljagd in Ueberfluß schwammen, hätte sie niemand glauben gemacht, daß sie sobald Hungersnoth leiden würden.
Die Jäger hatten nicht viel ausgerichtet. Das Wild war in diesem Landstriche von indischen Jagdgesellschaften, die kurz vor uns hier gewesen, verscheucht worden. Zehn bis zwölf wilde Truthühner wurden eingebracht, aber kein Stück Wild hatte sich blicken lassen. Die Jäger würdigten nachgerade die Truthühner, ja selbst die Prairiehühner ihrer Aufmerksamkeit, ein Wild, das ihnen bisher zu schlecht für ihre Büchsen gewesen war.
Die Nacht war kalt und windig, hie und da mit etwas Regen; aber wir hatten flackernde Feuer, bei denen uns ganz behaglich war. In der Nacht zog ein Flug wilder Gänse unter gewaltigem Geschnatter über das Lager hin, ein Zeichen des bevorstehenden Winters.
Wir machten uns am nächsten Morgen bei guter Zeit in nordöstlicher Richtung auf und kamen auf die Spur eines Zuges von Creek-Indiern, was unsern armen Pferden den Marsch erleichterte. Wir betraten eine schöne, offene Gegend; von einer Anhöhe hatten wir eine herrliche Aussicht über weitgedehnte Prairien, reizend durchschnitten von Gebüschen und Waldstreifen, und begränzt von langen fernen Höhenzügen, die alle im reichen, weichen Farbenschmucke des Herbstes prangten. Auch gab es hier mehr Wild; ein hübscher Bock sprang aus dem Grase zu unserer Rechten auf und fuhr in vollem Laufe hinaus; aber ein junger Jäger, der zu Fuß war, schlug seine Büchse an, und die Kugel fuhr dem springenden Thier in den Hals, daß es kopfüber zu Boden stürzte. Ein weiterer Bock und eine Geiß, verschiedene Truthühner ungerechnet, wurden geschossen, bevor wir Halt machten, so daß die hungrigen Mäuler unserer Leute wieder einmal voll wurden.
Gegen drei Uhr lagerten wir in einem Gehölze nach einem Eilmarsche von fünf und zwanzig Meilen, der eine schwere Prüfung für die Pferde gewesen war. Lange nachdem die Spitze der Colonne bereits gelagert war, rückte der Rest ein, ihrer zwei, drei miteinander; eines unserer Packpferde war etwa neun Meilen rückwärts liegen geblieben, und kurze Zeit darauf ein Beatte zugehöriger Klepper. Viele Pferde sahen so schwach und elend aus, daß man zweifelte, ob sie das Fort würden erreichen können. In der Nacht regnete es stark, und bei Tagesanbruch war es bewölkt und trübe. Trotzdem herrschte einigermaßen die frühere Lustigkeit im Lager. Die Jäger hatten gut zu Nacht gegessen und fühlten sich neu belebt durch die Hoffnung, bald in die Garnison zu gelangen. Ehe wir aufbrachen, kam Beatte und brachte mit großer Mühe seinen Klepper ins Lager. Das Packpferd aber war völlig zu Schanden gerichtet, und man mußte es liegen lassen. Auch die wilde Stute hatte aus Schwäche ihr Füllen gebracht und konnte nicht mehr weiter. Sie und der Klepper wurden daher im Lager zurückgelassen; es gab hier Wasser und gute Weide, sie konnten sich leicht wieder erholen und mochten später wieder aufgefunden und in die Garnison gebracht werden.
Wir brachen gegen acht Uhr auf und hatten einen harten, anstrengenden Tagmarsch, theils über rauhe Höhen, theils über hügelige Prairien. Vom Regen war der Boden schlüpfrig geworden, so daß der Fußtritt nicht haftete. Manche Jäger stiegen ab, weil ihre Pferde nicht mehr im Stande waren, sie zu tragen. Wir machten im Laufe des Morgens Halt, aber die Pferde waren zu müde zum Fressen. Mehrere legten sich nieder und konnten nur schwer wieder auf die Füße gebracht werden. Unsere Truppe sah höchst trübselig aus: in aufgelöster, zerstreuter Linie zog sie über Berg und Thal, wohl drei Meilen und weiter lang, gemach dahin, in Gruppen zu drei und vieren, weit auseinander, die Einen zu Pferd, die Andern zu Fuß, ein paar Nachzügler weit dahinten. Gegen vier Uhr machten wir zum Uebernachten Halt in einem weiten Forste neben einem tiefen, schmalen Flusse, Little-North-Fork oder Deep-Creek genannt. Es wurde spät, bis das Hauptcorps allgemach ins Lager gerückt war, weil mehrere Pferde im Lager geblieben waren. Da der Fluß zum Durchwaten zu tief war, so verschoben wir die Pläne, wie wir hinüber kommen wollten, auf den nächsten Morgen; aber unsere Mestizen schwemmten noch am Abend die unserer Gesellschaft gehörenden Pferde hinüber, weil sie dort besseres Futter hatten und der Fluß sichtbar im Steigen war. Die Nacht war kalt und unruhig, der Wind brauste schauerlich durch den Wald und wirbelte das dürre Land umher. Wir machten mächtige Feuer von großen Baumstämmen, die uns einigen Trost gewährten, wenn sie uns auch nicht ganz wohl machten.
Am folgenden Morgen ward allgemeine Jagderlaubnis ertheilt bis zwölf Uhr, denn im Lager herrschte Mangel an Proviant. Auf dem üppigen Waldgrunde, wo wir gelagert waren, gab es wilde Truthühner in Menge, und ihrer wurden bedeutend viele geschossen. Zu gleicher Zeit rüstete man sich zum Uebergang über den Fluß, der in der Nacht um mehrere Fuß gestiegen war, und man beschloß, Bäume zu fällen, die als Brücken dienen sollten. Der Capitän, der Doctor und noch ein paar im Forstwesen wohl bewanderte Hauptpersonen im Lager untersuchten mit Kennerblicken die am Flußufer wachsenden Bäume, und bezeichneten endlich ein paar der größten, die zugleich die gehörige Neigung hatten. Sofort wurde die Axt kräftig an ihre Wurzeln gelegt, und zwar so, daß sie gerade quer über den Fluß hinüber fallen mußten. Da sie nicht bis zum Ufer gegenüber reichten, so mußten ein paar Leute hinüberschwimmen und drüben gerade gegenüber auch Bäume fällen, so daß sie zusammen reichten. So brachten sie endlich einen unsichern Fußsteg über den tiefen, reißenden Strom zu Stande, auf welchem das Gepäck hinübergeschafft werden konnte; wir mußten aber Schritt vor Schritt auf den Stämmen und Hauptästen hinüberkriechen, und die Bäume waren eine Strecke weit ganz im Wasser, so daß wir bis um den halben Leib hineinkamen. Die meisten Pferde wurden sodann hinübergeschwemmt, mehrere aber waren zu schwach, als daß sie die Strömung hätten aushalten können, und offenbar zu sehr herabgekommen, um überhaupt den Marsch fortzusetzen. Es wurden daher zwölf Mann im Lager zurückgelassen, die Pferde zu bewachen, bis sie sich durch Ruhe und gutes Futter so weit erholt, daß sie den Weg vollends zurücklegen könnten, und der Capitän versprach ihnen, sobald wir im Fort angelangt wären, Mehl und andere Bedürfnisse zu senden.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien