DIE AUSSICHT ÜBERS LAND. — HARTER MARSCH UND HUNGRIGER HALT. — EIN GRÄNZBAUERHAUS. — ANKUNFT IM FORT.

Kurz nach ein Uhr setzten wir unsern beschwerlichen Weg weiter fort. Der Rest dieses Tages und der ganze folgende verflossen unter anstrengendem Marschiren. Es ging theils über steinige Höhen, theils über weite, in Folge des letzten Regens morastige, und von stark angeschwollenen Bächen durchschnittene Prairien. Unsere armen Pferde waren so schwach, daß wir sie nur schwer durch die tiefen Schluchten und die reißenden Ströme brachten. Auf den morastigen Ebenen rutschten und wankten sie bei jedem Schritt; die meisten von uns mußten absteigen und den größten Theil des Weges zu Fuß machen. Der ganze Haufen ward vom Hunger geplagt, alle sahen nachgerade ängstlich, verstört aus, und es war uns, als ob die Meilen immer länger würden. Einmal, als wir über einen Hügel zogen, kletterte Beatte auf einen hohen Baum, der eine weite Aussicht beherrschte, und sah sich um, wie ein Matrose vom Mastkorb. Er brachte erfreuliche Kunde herab: zur Linken hatte er einen Waldstreif durch das Land ziehen sehen und darin das bewaldete Ufer des Arkansas erkannt; in der Ferne hatte er gewisse Punkte beobachtet, aus denen er schließen konnte, daß wir nicht mehr über vierzig Meilen vom Fort entfernt waren. Dieß klang uns, wie verschlagenen Seefahrern der Ruf: Land!
Wirklich sahen wir bald darauf aus einem bewaldeten Thal in der Ferne Rauch aufsteigen. Man vermuthete, er rühre von einer Jagdgesellschaft von Creeks oder Osagen aus der Nachbarschaft des Forts her, und fröhlich wurde er begrüßt, als der Verkünder menschlicher Wesen. Man gab sich jetzt zuversichtlich der Hoffnung hin, bald die Gränzdörfer der Creeks zu erreichen, welche längs des Saums der unbewohnten Wildniß zerstreut liegen, und neu belebt, trotteten unsere hungrigen Jäger dahin; sie schwelgten zum voraus in allen Genüssen, wie das Haus sie bietet, und zählten Stück für Stück die leckern Speisen auf, bis ihnen ob den eingebildeten Mahlzeiten, die sie sich vorspiegelten, das Wasser im Munde zusammenlief. Indessen folgte eine hungrige Nacht auf den beschwerlichen Tag. Wir lagerten am Ufer eines der Zuflüsse des Arkansas, unter den Trümmern eines stattlichen Gehölzes, das durch einen Orkan verheert worden war. Der Sturm hatte in einer dünnen Säule durch den Wald durchgerissen, und sein Weg war durch ungeheure Bäume, die umgestürzt, zersplittert, mit den Wurzeln noch oben am Boden lagen, und zwar alle nach derselben Richtung, wie schwaches Rohr das der Jäger knickt und niedertritt.
Brennholz gab es hier genug, ohne daß man sich mit der Axt zu bemühen hatte. Bald flammten und knatterten ungeheure Feuer in der frostigen Luft und erhellten den ganzen Wald, aber leider hatten wir nichts daran zu kochen. Aus dem Mangel im Lager ward fast förmliche Hungersnoth; glücklich, wer ein Stück getrocknetes Fleisch oder auch nur einen halb abgenagten Knochen von einem frühern Mahle hatte. Wir Zeltgenossen waren besser daran als die Nachbarn, denn einer unserer Leute hatte einen Truthahn geschossen. Wir hatten kein Brod dazu, auch kein Salz, ihn zu würzen. Er wurde bloß in Wasser gekocht und letzteres als Suppe servirt, und wir rieben eifrig jeden Bissen des Truthahns im leeren Salzfasse herum, in der Hoffnung, es möchten noch Salztheile daran kleben und die Speise etwas schmackhafter machen.
Die Nacht war bitter kalt; das helle Nordlicht glitzerte an den Eiskristallen, mit denen alles ringsum überzogen war. Das Wasser gefror neben den Fellen, auf denen wir bivouakirten, und am Morgen fand ich die Decke, in die ich gewickelt gewesen, mit Reif bedeckt; trotz dem hatte ich nie besser geschlafen.
Nach einem Schattenbilde von Frühstück, bestehend aus Truthühnerknochen und einem Becher Kaffee ohne Zucker, brachen wir frühzeitig auf, denn der Hunger macht gewaltig flinke Beine auf der Reise. Die Prairien waren ganz mit Reif kandirt, der das hohe Gras überzog und in der Sonne funkelte. Wir sahen große Flüge von Prairiehühnern, die von Baum zu Baum flatterten oder reihenweise auf den kahlen Aesten saßen und warteten, bis die Sonne den Reif auf Gras und Kraut geschmolzen. Unsere Jäger verschmähten jetzt solch gemeines Wild nicht mehr, und gingen, aus Reih und Glied tretend, einem Prairiehuhn so hitzig nach, wie früher einem Reh.
Alles drängte nun vorwärts, um noch vor Nacht eine menschliche Behausung zu erreichen. Den Pferden wurde mehr zugemuthet, als sie leisten konnten, weil man dachte, sie für die jetzige Mühsal bald durch Ruhe und reichliches Futter entschädigen zu können. Es war aber, als ob sich der Weg länger zöge als je, als ob die blauen Höhen am Horizont, die unsere Richtungspunkte waren, immer mehr zurückwichen, je weiter wir vorrückten. Jeder Schritt wurde zur Pein, hin und wieder konnte ein Pferd nicht mehr weiter und fiel; mit gewaltiger Anstrengung brachte es dann der Eigenthümer wieder auf die Beine, schleppte es vorwärts bis zum Rand eines fließenden Wassers, wo sich, wenn es gut ging, ein dürftiger Streif Grasboden fand, und überließ es dann seinem Schicksale. Auf diese Weise mußte eines der Handpferde des Grafen zurückgelassen werden, ein treffliches Jagdpferd, das bei der Jagd auf wilde Pferde überall vorangewesen war. Man wollte aber, sobald man im Fort angelangt wäre, eine Abtheilung mit Getreide aussenden und die Ueberlebenden einbringen lassen.
Im Laufe des Morgens kamen wir auf Spuren von Indiern, die sich in verschiedenen Richtungen kreuzten, ein Beweis, daß wir nicht mehr weit von menschlichen Wohnsitzen seyn konnten. Endlich, als wir einen Waldstreif durchzogen, gewahrten wir zwei oder drei Blockhäuser unter hohen Bäumen am Saum einer Prairie; sie gehörten Creek-Indiern, welche kleine Grundstücke daneben besaßen. Wären es prächtige Villen gewesen, voll der Verfeinerungen der Cultur, sie hätten nicht mit größerem Jubel begrüßt werden können.
Einige Jäger ritten hin nach Mundvorrath, die Mehrzahl aber zog weiter, um das Haus eines weißen Ansiedlers aufzusuchen, das nicht weit weg liegen sollte. Der Haufen verschwand bald unter den Bäumen, und ich folgte langsam der Spur; denn mein einst so flüchtiges, feuriges Roß schwankte unter mir und konnte gerade noch einen Fuß vor den andern setzen; ich selbst aber war zu müde und erschöpft, um es schonen zu können. So krochen wir matt dahin und bogen endlich um eine dichte Baumgruppe herum, da lag auf Einmal ein Gränzbauerhaus vor mir. Es war ein niedriges Bauwesen aus Klötzen, von hohen Waldbäumen beschattet, mir war aber, als ob ringsum ein wahres Schlaraffenland läge. Da war Stall, Scheune, Speicher, des Segens voll, und auf dem Hofe tummelten sich durcheinander grunzende Schweine, kollernde Truthühner, gackernde Hennen und stolzirende Hähne.
Mein armes abgetriebenes, halb verhungertes Pferd hob bei diesen wohlbekannten Lauten den Kopf auf und spitzte die Ohren. Es ließ innerlich ein Kichern hören, das fast klang wie ein trockenes Lachen, wedelte mit dem Schweif und steuerte leewärts einem mit goldenen Maiskolben gefüllten Schuppen zu; mit Mühe hielt ich es im Strich und steuerte es der Thüre der Hütte zu.

Ich warf einen Blick hinein, und mehr brauchte es nicht, um alle gastronomischen Gefühle mächtig aufzuregen. Da saßen der Capitän der Jäger und seine Officiere um einen Tisch mit drei Beinen, auf dem eine weite, rauchende Schüssel mit gekochtem Ochsenfleisch und Rüben stand. Im Nu war ich vom Pferde, ließ es zum Maisschuppen zurücklaufen und betrat den Palast des Ueberflusses. Eine fette, muntere Negerin empfing mich an der Thüre; sie war die Herrin des Hauses, die Frau des weißen Mannes, der abwesend war. Ich begrüßte sie wie eine schwarze Fee der Wildniß, die plötzlich ein Gastmahl in die Wüste hingezaubert, und es war ein Gastmahl im vollen Ernste. Flugs hob sie einen mächtigen eisernen Topf, der es wohl mit einem der berühmten Fleischtöpfe Aegyptens oder mit dem Hexenkessel im Macbeth aufgenommen hätte, vom Feuer, stellte eine braune irdene Schüssel auf den Boden, neigte den dickleibigen Topf auf eine Seite, und heraus sprangen verschiedene derbe Stücke Ochsenfleisch, hinterher kollerte eine Schaar von Rüben, und ein voller Strom Fleischbrühe überfluthete das Ganze. Dieß reichte sie mir mit einem Lächeln, das von einem Ohr zum andern einen Streifen Elfenbein sehen ließ, und bat um Entschuldigung wegen der geringen Kost und der geringeren Bedienung. Geringe Kost! geringe Bedienung! Ochsenfleisch und Rüben, und in einer irdenen Schüssel! Wie mag man ob solcher Bewirthung einen halbausgehungerten Mann, der aus den Prairien kommt, um Entschuldignug bitten! und dann die prächtigen Stücke Brod und Butter! Bei Apicius! welch ein Mahl!
Als der Gähhunger gestillt war, fiel mir mein Pferd ein, ich fand aber, es hatte sich gut versorgt, denn es war emsig um den genannten Schuppen her und nagte die Maiskolben ab, welche zwischen den Latten vorstanden. Der Capitän und seine Leute übernachteten hier unter dem reichen Segen des Bauerhofes, aber meine unmittelbare Reisegesellschaft eilte, in die Osage-Agentschaft zu kommen.
Ein Ritt von einer Meile brachte uns an das Ufer des Arkansas. Hier fanden wir ein Canoe und einen Trupp Creek-Indier, die uns das Gepäck hinüberführen und die Pferde hinüberschwemmen halfen. Ich fürchtete, die Pferde möchten nicht Kraft genug haben, der Strömung zu widerstehen, aber das indische Korn, das sie gefressen, hatte ihnen frische Kraft und frischen Muth gegeben, und man sah wohl, sie merkten, daß es der Heimath zuging, wo bald Ruhe und reichliches Futter ihrer warteten; ja, die sieben Meilen, die wir durch den Wald zu reiten hatten, legten sie großentheils im Galopp zurück, und wir langten Abends bei ganz guter Zeit in der Agentschaft am Ufer des Verdigrisflusses an, von wo wir vor etwa einem Monat aufgebrochen waren. Wir übernachteten hier in bequemen Quartieren; wir hatten uns aber in den paar Wochen so sehr an das Schlafen in freier Luft gewöhnt, daß uns Anfangs im engen Raum des Zimmers unbehaglich war.


Am folgenden Morgen begab ich mich mit meinem würdigen Freunde, dem Commissär, nach Fort Gibson, wo wir zwar sehr schmutzig, zerlumpt und sonneverbrannt, aber frisch und gesund an Körper und Geist, anlangten. Und damit war mein Ausflug auf das Jagdgebiet der Pawnees zu Ende.


THE END.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien