EINE REPUBLIK VON PRAIRIE-HUNDEN.

Bei der Rückkehr von unserer Streiferei auf den jungen Grafen hörte ich, ein großer Bau, oder, wie man es nennt, ein Dorf von Prairiehunden sey auf dem ebenen Gipfel eines Hügels, etwa eine Meile vom Lager, entdeckt worden. Gegen Abend ging ich mit einem Begleiter hinaus, es zu besuchen. Der Prairiehund ist ein kleines Thier vom Kaninchengeschlecht, ungefähr so groß wie das unsrige, munter, aufgeweckt, sogar muthwillig. Das Thier ist sehr gesellig und lebt in großen Gemeinden, deren Wohnungen oft mehrere Morgen Landes bedecken, wo stark betretene Pfade von der Rührigkeit und Geschäftigkeit der Einwohner Zeugniß ablegen. Es ist auch, als hätten sie immer vollauf zu thun, sey’s die Zeit zu vertreiben, oder öffentliche und Privatgeschäfte zu besorgen; beständig huschen sie hin und her, als besuchten sie einander in ihren Höhlen, oder sitzen im Freien beisammen und tummeln sich an den kühlen Abenden nach Regenschauern. Zuweilen erlustigen sie sich halbe Nächte lang und bellen und kläffen leise dazu, wirklich wie junge Hunde; aber beim geringsten Lärm verschwinden alle in den Behausungen, und im Dorf ist es völlig einsam und still. Ueberrascht man sie, daß sie nicht entspringen können, so machen sie sich zum Widerstand fertig, und ihr unmächtiger kriegerischer Trotz läßt äußerst komisch.
Die Prairiehunde sind aber nicht die einzigen Bewohner dieser Dörfer. Eulen und Klapperschlangen sollen unter ihnen hausen, ob aber als geladene, oder als zudringliche Gäste, darüber ist man nicht einig. Die Eulen sind von besonderer Art, sehen lebendiger aus, sind hochbeiniger, fliegen rascher als die gewöhnlichen, und am hellen Tage. Nach Einigen bewohnen sie nur die verfallenen Höhlen der Prairiehunde, welche von letztern verlassen worden, weil ihnen ein Verwandter darin gestorben; es soll dem Gefühle dieser sonderbaren kleinen Geschöpfe zuwiderlaufen, an einem Orte zu bleiben, wo sie einen der Ihrigen verloren haben. Andere behaupten, die Eule sey eine Art von Haushälterin beim Prairiehund, und da ihr Geschrei fast ganz klingt wie das seinige, so meint man sogar, sie lehre die Jungen bellen und versehe so das Amt eines Hauslehrers. Was die Klapperschlange betrifft, so konnten wir nichts Bestimmtes darüber erfahren, welche Rolle sie im Haushalte der kleinen Gemeinde spielt; Manche erklären sie geradezu für einen Schelm und Verräther und behaupten, sie nehme schnöderweise die braven, leichtgläubigen kleinen Prairiehunde zu sich, und daraus, daß man hin und wieder ein junges Mitglied der Familie in ihrem Magen findet, geht sattsam hervor, daß sie sich insgeheim nach etwas Besserem als Aschenbrödels-Kost umsieht.
In Folge dessen, was ich von diesen geselligen, polizirten Thierchen erzählen hörte, wanderte ich mit lebendigem Interesse ihrem Dorfe zu. Leider war es im Laufe des Tages bereits von einigen Jägern besucht und von diesen sogar zwei oder drei Bürger erschossen worden. Daher war die ganze Gemeinde aufgeregt und erbittert; es mußten ringsum Wachposten ausgestellt gewesen seyn, denn als wir uns näherten, schienen die Pikete hineinzueilen und Lärm zu schlagen, worauf die vorsichtigen Bürger, die am Eingang ihrer Höhlen saßen, ein kurzes Bellen hören ließen und unter die Erde fuhren, wobei ihre Hinterbeine in der Luft baumelten, als hätten sie einen Purzelbaum geschlagen.
Wir gingen durch das ganze Dorf, das etwa dreißig Morgen Landes umfaßte. Kein einziger Bewohner ließ sich blicken. Den Boden bedeckten zahllose Löcher auf kleinen Erdhügeln, die das Thier beim Graben aufgeworfen; sie waren leer, soweit wir es mit unsern Ladstöcken untersuchen konnten; auch brachten wir kein Thier heraus, weder Hund, noch Eule, noch Klapperschlange. Wir gingen leise ein Stück weit hinaus, legten uns auf den Boden nieder und lauerten lange, ohne uns zu rühren. Allgemach streckte nahe bei uns hier und dort ein vorsichtiger alter Bürger die Schnauze hervor, zog sie aber rasch wieder zurück. Weiterhin kamen einige ganz heraus, aber kaum wurden sie unser ansichtig, so machten sie einen Purzelbaum und schlüpften in ihre Löcher, Die am entgegengesetzten Ende des Lagers bekamen endlich wieder Muth, da es so lange still blieb, und huschten herum von einer Behausung zur andern, als wollten sie Verwandte und Gevattern besuchen und die Berichte über die letzten Vorfälle austauschen. Andere, noch kecker, traten in kleinen Gruppen auf Straßen und öffentlichen Plätzen zusammen, um über den dem Gemeinwesen neuerlich zugefügten Schimpf und die himmelschreiende Ermordung ihrer Mitbürger zu deliberiren. Wir erhoben uns vom Boden und gingen langsam vorwärts, um sie mehr in der Nähe zu sehen, da lief es von Mund zu Mund: kläff! kläff! Im Nu stob alles auseinander, nach allen Seiten hin sah man Füße trippeln, und im Moment waren alle unter dem Boden.
Die Dämmerung machte weitern Untersuchungen ein Ende; aber nach der Rückkehr ins Lager hörten wir noch tief in die Nacht hinein aus dem Dorfe herüber einen dumpfen Lärm, als ob die Einwohnerschaft in allgemeiner Versammlung einen großen Mann beklagte, den das Gemeinwesen verloren.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien