EIN GEFÄHRTE VERLOREN. — SUCHEN NACH DEM LAGER. — DER COMMISÄR, DAS WILDE PFERD UND DER BÜFFEL. — EINE WOLFSERENADE.

Jetzt begannen wir um den jungen Grafen besorgt zu werden. Hitzig und ungestüm wie immer, hatte er sein müdes Pferd der Heerde nachgehetzt, entschlossen, nicht umzukehren, bis er auch einen Büffel geschossen. So hatte er sie hinüber und herüber verfolgt und hin und wieder Feuer gegeben, ohne zu treffen, bis allmählich Reiter und Heerde in der Ferne kaum mehr sichtbar waren, und am Ende Hügel und Waldstreifen sie uns völlig aus dem Gesichte brachten.

Als mein Freund, der Dilettant zu mir stieß, war vom Grafen längst nichts mehr zu sehen. Wir hielten Rath; der Abend kam herbei; gingen wir ihm nach, so wurde es finster, bevor wir ihn einholten, wenn wir auch seine Spur in der Dunkelheit nicht ganz verloren. Wir hatten uns dann zu weit verirrt, als daß wir uns ins Lager zurückfinden konnten, ja dieß war schon jetzt nicht leicht. Wir beschlossen also so schnell als möglich ins Lager zu eilen und unsere Mestizen
und ein paar alte Jäger, die sich aufs Kreuzen in der Prairie verstehen, nach unserem Freund auszusenden.
So machten wir uns denn auf, der Gegend zu, wo unserer Rechnung nach das Lager liegen mußte. Unsere müden Rosse waren kaum aus dem langsamen Schritte zu bringen; die Dämmerung brach mit Macht herein, die Landschaft wurde allmählich unkenntlich, umsonst mühten wir uns, verschiedene Punkte, die wir uns Morgens gemerkt, wieder aufzufinden. Die Landschaft in den Prairien ist so einförmig, daß sich jedes Auge, das des Indiers und des geübten Jägers ausgenommen, verwirrt. Endlich ward es förmlich Nacht. Wir hofften, in der Ferne den Schein der Wachfeuer zu sehen; wir horchten, ob sich nicht das Klingeln der Glocken am Halse der weidenden Pferde vernehmen lasse. Ein paarmal meinten wir es zu unterscheiden, aber wir täuschten uns, es war nichts zu hören als das eintönige Gesumme der Insecten, und hin und wieder das schauerliche Geheul der Wölfe, das sich wie mit dem Nachtwind mischte. Wir dachten nachgerade daran, Halt zu machen und die Nacht über in einem Dickicht zu bivouakiren. Wir konnten Feuer schlagen, Brennholz war in Menge zur Hand, und zu einem Mahle verhalfen uns die Zungen unserer Büffel. Eben machten wir uns fertig, abzusteigen, da hörten wir einen Büchsenschuß und gleich darauf das Horn die Nachtwache blasen. Wir ritten in der Richtung weiter, und nicht lange, so kamen uns die Wachtfeuer zu Gesicht, die in einiger Entfernung zwischen dem dicken Gehölz auf angeschwemmtem Boden hervorschimmerten.
Als wir ins Lager kamen, fanden wir, daß es daselbst im rohen Waidmannsstyle hoch herging. Es war heute große Jagd gewesen, und alles hatte daran Theil genommen; acht Büffel waren erlegt worden. Aller Orten brannten prasselnde Feuer, alle Hände hatten vollauf zu thun mit gebratenem Fleisch, gerösteten Markknochen und dem saftigen Buckel, der unter den Epikuräern in der Prairie in so hohem Rufe steht. Mit großem Behagen stiegen wir ab und nahmen Theil am derben Mahle, denn seit Morgens waren wir auf unsern müden Rossen gewesen, ohne etwas zu genießen.
Unsern würdigen Freund, den Commissär, der uns beim Beginne dieses ereignisreichen Tages Gesellschaft geleistet, fanden wir in einem Winkel des Zeltes ausgestreckt. Wir erfuhren, unser Diener Beatte, in seinem Eifer, dem Commissär eine Gelegenheit zu verschaffen, wo er sich auszeichnen und seine Jagdlust recht befriedigen könne, habe ihn auf sein halbwildes Roß gesetzt und es einem mächtigen, von den Jägern bereits angehetzten Büffelochsen nachgejagt. Das Pferd, das so viel Muth wie sein Reiter, und, gleich ihm, so ziemlich den Teufel im Leib hatte, auch auf das Wild dressirt war, sah und witterte nicht sobald den Büffel, so rannte es wie toll davon, und trug den widerstrebenden Reiter herüber und hinüber, er mochte wollen oder nicht, bergauf, bergab, über Pfützen und Bäche, über Gräben und Schluchten, bis es das Wild erjagt. Statt abzuspringen, ging es gerade auf den Büffel los. Der Commissär drückte, halb aus Nothwehr, beide Läufe einer Doppelpistole auf den Feind ab; die volle Lage that ihre Wirkung, fiel aber nicht tödtlich aus. Wüthend wandte sich der Büffel gegen seinen Verfolger; das Pferd, der erhaltenen Dressur gemäße warf sich herum, der Büffel hinter ihm her. In der höchsten Noth zog der würdige Commissär seine noch übrige Pistole aus der Halfter, feuerte seine Hinterstücke ab und traf den Büffel mitten in die Brust, daß er vornüber stürzte.
Von allen Seiten wegen seiner Großthat hochgepriesen, aber tüchtig zusammengerüttelt und todtmüde kam der Commissär ins Lager. Er hatte par force einen derben Ritt gemacht und ziemlich wider Willen einen Sieg davon getragen. Er hatte taube Ohren für alle Complimente und Glückwünsche; die Waidmannskost, die vor ihm stand, wollte ihm gar nicht munden, und er zog sich gar bald ins Zelt zurück, seinen Gliedern Ruhe zu gönnen, wobei er erklärte, auf das verteufelte indische Pferd bringe ihn niemand mehr, und er habe für sein Leben lang genug Büffel gejagt.
Es war zu finster, um jemanden nach dem jungen Grafen auszusenden. Man feuerte also von Zeit zu Zeit Gewehre ab und stieß in das Horn, damit er sich ins Lager finden könnte, wenn ihn der Schall noch erreichte; aber die Nacht rückte vor, ohne daß er sich blicken ließ. Kein Stern war am Himmel, nach dem er sich richten konnte, und wir dachten, wo er auch sey, werde er im Finstern nicht weiter umherirren, sondern bis zu Tagesanbruch bivouakiren.
Es war eine rauhe, finstere Nacht; die in der Umgegend des Lagers erlegten Büffel hatten ungewöhnlich viel Wölfe hergelockt, und diese führten mit Geheul und Gewinsel, mit schauerlichen Trillern und Schnörkeln das trübseligste Concert auf, wodurch die Einöde umher buchstäblich zu einer heulenden Wüste wurde. Es gibt nichts Melancholischeres als das Heulen eines Wolfs in der Prairie um Mitternacht. Was die wilde, finstere Nacht und das grausige Concert in der Einöde umher noch schauerlicher für uns machte, das war der Gedanke an die gefahrvolle, hülflose Lage unseres jungen, unerfahrnen Freundes. Wir hofften indessen gewiß, daß er mit Tagesanbruch sich in das Lager finden, und dann, bei seiner Liebe zu Abenteuern, auf alle Erlebnisse der Nacht als auf köstliche Genüsse zurückblicken werde.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien