EINE GEHEIME UNTERNEHMUNG. — REHBLATTER. — MAGISCHE KUGELN.

Am folgenden Morgen stießen die Jäger zu uns, welche am letzten Lagerplatze zurückgeblieben waren, um die verlaufenen Pferde zu suchen. Sie hatten bedeutend weit, durch Busch und Rohr und über Flüsse ihre Spur verfolgt und fanden sie endlich weidend am Rand einer Prairie. Ihre Köpfe waren dem Fort zugekehrt, und sie waren offenbar im Begriff, weidend der Heimath zuzuwandern.
Gegen Mittag hellte sich der Himmel auf, und ich bemerkte, daß zwischen unsern Mestizen und Toni geheimer Rath gepflogen wurde. Das Resultat war, daß sie uns baten, Toni auf ein paar Stunden von seinem Dienste zu dispensiren und zu erlauben, daß er sich seinen Cameraden zu einer großen Fouragirung anschließen dürfe. Wir wandten ein, Toni sey durch sein Unwohlseyn und seine Schmerzen zu sehr geschwächt, um etwas der Art mitzumachen; aber er war voll Feuer und Flamme für die geheimnißvolle Unternehmung, und als er die Erlaubniß hatte, schien bei ihm alles Weh im Augenblick vergessen.
Nicht lange, so war das Kleeblatt gerüstet und zu Pferde, die Büchsen über der Schulter, Schnupftücher um die Köpfe gewunden: man sah, es galt einen tüchtigen Ritt. Während sie bei den verschiedenen Quartieren im Lager vorbeikamen, konnte es der eitle kleine Franzose nicht lassen, nach rechts und links prahlend davon zu sprechen, welch große Dinge er zu verrichten gedenke, dem schweigsamen Beatte zum Trotz, der jeden Augenblick sein Pferd anhielt und sich mit ernstem, vorwurfsvollem Blick nach ihm umsah; es war ein schweres Stück, Toni die Rolle eines Indiers beizubringen.

Manche Jäger machten sich gleichfalls auf, und der Hauptwaidmann, der alte Ryan, kam Nachmittags bei guter Zeit mit reicher Jagdbeute zurück, er hatte einen Rehbock und zwei fette Geißen geschossen. Ich trat zu einer Gruppe von Jägern, die sich um ihn und sein Wildpret gesammelt, und hörte, daß man sich über den Werth einer List stritt, der man sich zuweilen auf der Rehjagd bedient. Sie besteht darin, daß man mit einem kleinen Instrument den Ruf des Jungen nachahmt, und so das Thier innerhalb Schußweite lockt. Es gibt verschiedene Instrumente der Art für stilles und windiges Wetter und je nach dem Alter des Kalbes. Das dadurch getäuschte, arme Thier kommt zuweilen in der Angst um sein Junges ganz nahe zum Jäger heran. „Ich lockte einmal einem Thier,“ erzählte ein junger Jäger, „und es kam auf zwanzig Yards zu mir her, so daß ich prächtig zielen konnte. Dreimal legte ich meine Büchse an, hatte aber nicht das Herz zu schießen. Ich dachte an meine Mutter, und wie bange sie immer um mich hatte, da ich noch klein war; und um dem Ding ein Ende zu machen, hallohte ich und hatte das Thier schnell außer der Schußweite gescheucht.“ –– „Und Ihr thatet recht!“ rief der brave alte Ryan. „Ich für mein Theil konnte es nie über mich bringen, Rehe zu locken. Ich bin mit Jägern gewesen, die Rehruf bei sich hatten, und habe gemacht, daß sie das Ding wegwarfen. Es ist ein schurkischer Kniff, aus der Liebe einer Mutter zu ihrem Jungen Nutzen zu ziehen!“


Gegen Abend kamen unsere drei Ehrenmänner von ihrer geheimnißvollen Fouragirung zurück. Toni’s Zunge verkündete ihre Ankunft, lange bevor man sie sah, denn er schrie aus vollem Hals und zog die Aufmerksamkeit des ganzen Lagers auf sich. Der lahme Schritt und die dampfenden Seiten ihrer Rosse gaben deutlich zu erkennen, daß sie scharf geritten, und als sie näher kamen, sah man, daß die Pferde rings mit Fleisch behängt waren, wie Fleischerbuden. Sie hatten über eine ungeheure, mit Büffelheerden bedeckte Prairie gestreift, die sich jenseits des Walds ausbreitete. Von dieser Prairie und von dem Wilde darauf hatte Beatte vor einigen Tagen im Gespräche mit den Osagen Kunde erhalten, die Sache aber vor den Jägern geheim gehalten, damit er und seine Cameraden sich zuerst an das Wild machen könnten. Sie hatten sich begnügt, vier Büffel zu schießen; glaubte man freilich Toni, so hätten sie dieselben zu Duzenden erlegen können.

Diese Nachrichten und das zur Bestätigung heimgebrachte Büffelfleisch versetzten das Lager in die frohste Laune, und jedermann sah freudig einer Büffeljagd auf den Prairien entgegen. Toni war wiederum das Orakel im Lager und hielt zur Stunde einem Haufen Zuhörer, die sich, die Schultern zu den Ohren hinaufgezogen, um das Feuer drängten, eine Vorlesung. Er schwadronirte jetzt mehr als je von seiner Fertigkeit im Schießen; daß er früher auf dem Marsche nichts geleistet, schrieb er ganz allein dem Umstande zu, daß er kein Glück gehabt, wenn er nicht gar „gebannt“ gewesen, und da ersah, daß man ihm scheinbar Glauben schenkte, führte er einen Fall der Art an, der ihm selbst begegnet seyn sollte, indeß er das Geschichtchen offenbar unter seinen guten Freunden, den Osagen, aufgelesen hatten.

Etwa in seinem vierzehnten Jahre, so erzählte er, war er einmal auf der Jagd, da sah er einen weißen Hirsch aus einer Schlucht heraufkommen. Er schlich hinzu, um zum Schusse zu kommen, da sah er noch einen heraufkommen, und noch einen, bis ihrer sieben waren, alle schneeweiß. Da er jetzt nahe genug herbeigekommen, zielte er auf einen und gab Feuer, traf aber nicht; der Hirsch scheute nicht einmal. Er lud und schoß noch einmal, und fehlte wieder; so machte er fort, bis sein Schießbedarf zu Ende war, und die Hirsche blieben völlig unverletzt. Er ging nach Hause und dachte, aus ihm werde in seinem Leben kein Schütze, aber ein alter Osagejäger tröstete ihn mit den Worten: "Diese weißen Hirsche sind gebannt und können nur mit besondern Kugeln geschossen werden.“ Der alte Indier goß Toni mehrere Kugeln, ließ ihn aber nicht zusehen und sagte ihm auch nicht, was dazu genommen wurde und welche Formalitäten man dabei beobachtete. Mit diesen Kugeln versehen, machte sich Toni wieder auf, die weißen Hirsche zu suchen, und fand sie auch wirklich. Er versuchte es zuerst mit gemeinen Kugeln und fehlte wie früher. Eine Zauberkugel aber streckte sogleich einen feinen Hirsch zu Boden, worauf das Rudel im Augenblick verschwand und nie wieder gesehen wurde.

29.October. –– Morgens war der Himmel düster umzogen, aber gegen acht Uhr brach die Sonne durch und beleuchtete den Wald, und das Horn gab das Zeichen, sich zum Aufbruche zu rüsten. Jetzt begann überall muntere, lärmende Geschäftigkeit; Einige liefen und schrieen nach den Pferden, Andere trieben auf nackten Pferden die ihrer Cameraden herein. Hier nahm man die Pfähle unter den nassen Decken weg, die als Zelte gedient, dort packte man in aller Eile und belud die Pferde, wie sie nach einander hereinkamen, während Andere ihre feuchten Büchsen losbrannten und sie frisch luden, um zur Jagd fertig zu seyn.

Gegen zehn Uhr brachen wir auf. Ich ritt langsam hinter dem Zuge her, während er den trüben Bach überschritt und durch das Labyrinth des Walds defilirte. Ich blieb immer gern zurück, bis der letzte Nachzügler unter den Bäumen verschwand und die fernen Horntöne erstarben, um die Wildniß der Stille und Einsamkeit wiederum zurückgegeben zu sehen. Dießmal sah es auf dem Lagerplatze, von dem wir eben aufgebrochen, im höchsten Grade wüste und verlassen aus. Der Wald umher war an vielen Stellen zu einem Morast zerstampft, gefällte, zum Theil zerhauene Bäume, mächtige Stücke davon umhergestreut, kahle Zeltstangen, qualmende Feuer, davor an hölzernen Bratspießen mächtige Stücke geröstetes Wildpret und Büffelfleisch, von den Messern hungriger Jäger zerhackt und zerschnitten; ringsumher Häute, Hörner, Geweihe, Knochen von Rothwild und Büffeln, auch ungekochte Fleischstücke und ungerupfte Truthühner, welche die jungen Jäger liegen gelassen, sorglos und verschwenderisch, wie sie immer sind, wenn sie sich in wildreichem Revier befinden. Zugleich schwebten bereits ein paar Duzend Weihen oder Geyer in der Luft, zogen prächtig hoch oben ihre Kreise und machten sich fertig, auf das Lager niederzustoßen, sobald es verlassen seyn würde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien