DAS EINSCHLIEßEN DER WILDEN PFERDE.

Wir brachen gegen acht Uhr aus dem Lager auf und hatten einen mühsamen, angreifenden zweistündigen Marsch über Anhöhen, mit rauhen, dürren Wäldern von Zwergeichen und vielen tiefen Löchern. Ich sah hier viele Eichen vom allerkleinsten Wuchse, manche nicht über einen Schuh hoch, aber voll von kleinen Eicheln. Ueberhaupt ist der ganze Croß-Timber ausnehmend reich an Eichelmast. Es wächst da eine Art Eiche, die eine wohlschmeckende, sehr früh reifende Eichel gibt. Gegen zehn Uhr Morgens kamen wir zur Stelle, wo dieser rauhe Hügelzug in das Thal niederstreicht, durch welches der nördliche Ast des Red-River läuft. Eine gegen eine halbe Meile breite liebliche Matte, mit gelben Herbstblumen besäet, erstreckte sich zwei bis drei Meilen weit am Fuße der Hügel hin, jenseits vom Flusse begränzt, dessen Ufer mit Baumwollenbäumen bewachsen waren, deren munteres Laub das vom eintönigen braunen Wald ermüdete Auge ergötzte.
Die Wiese war mit Buschwerk und Baumgruppen geschmückt und diese so glücklich vertheilt, als ob die Hand der Kunst sie gepflanzt hätte. Indem wir über dieses frische, liebliche Thal hinüberblickten, sahen wir einen Rudel wilder Pferde auf einem grünen Fleck etwa eine Meile weit zu unserer Rechten ruhig weiden, während links, ungefähr gleich weit weg, mehrere Büffel theils fraßen, theils im hohen üppigen Gras im Schatten einer Gruppe von Baumwollenbäumen lagen und wiederkäuten. Das Ganze sah aus, als wäre es ein weiter hübscher Strich Weideland, in dem trefflichen Stande, wie es ein wohlhabender Gutsbesitzer hält, und das Vieh weidete auf den Angern und Wiesen.

Jetzt ward Kriegsrath gehalten und beschlossen, die gute Gelegenheit zu nützen und das große Jagdmanöuvre zu versuchen, welches man das Einschließen der wilden Pferde nennt. Dazu ist eine starke gut berittene Mannschaft erforderlich. Man reitet nach allen Seiten einzeln hinaus, jeder in bestimmtem Abstande vom andern, und bildet so allmählich einen Kreis von zwei, drei Meilen im Umfang um das Wild. Dieß muß mit größter Vorsicht geschehen; denn das Pferd ist das scheuste Thier in der Prairie und wittert den Jäger windwärts in großer Ferne. Ist nun der Kreis geschlossen, so reiten zwei, drei Mann auf die Pferde zu, die in entgegengesetzter Richtung davon rennen. Aber wo sie an den Kreis kommen, zeigt sich ein Jäger und scheucht sie rückwärts. So werden sie von allen Punkten zurückgetrieben und rennen beständig in diesem Zauberkreise herum, bis sie völlig erschöpft sind und es nun für die Jäger ein Leichtes ist, zu ihnen heranzukommen und ihnen den Lariat über den Kopf zu werfen. Die muthigsten, flüchtigsten Pferde brechen aber leicht durch und entkommen, so daß meistens nur Pferde zweiter Classe auf diese Weise gefangen werden.


Zu einer Jagd der Art wurden nun Anstalten getroffen. Die Packpferde ließ man im Wald und band sie fest an Bäume, damit sie nicht, wenn die wilden Pferde einhergestürmt kämen, mit ihnen ausrissen. Fünfundzwanzig Mann mit einem Lieutenant wurden nun beordert, sich längs des Thalrandes im Waldstreif am Fuße der Hügel hinzuschleichen; sie sollten sich, einer etwa fünfzig Yards vom andern, innerhalb des Gehölzes aufstellen und nicht vorrücken oder sich sehen lassen, wenn nicht die Pferde nach dieser Richtung ausrissen. Fünfundzwanzig andere mußten sich gleicherweise über das Thal hinüber längs des gegenüberliegenden Flußufers hinschleichen und sich unter den Bäumen aufstellen. Ein dritter Haufen, ungefähr eben so stark, hatte über den untern Theil des Thals eine Linie zu bilden und somit die beiden Flügel zu verbinden. Beatte, unser zweiter Mestize Antoine, nebst dem allzeitfertigen Toni, sollten auf einem Umwege durch die Wälder in den obern Theil des Thals und hinter die Pferde zu gelangen suchen, und diese sofort in den auf die angegebene Weise gebildeten Sack treiben, während sich die beiden Flügel hinter ihnen schlossen und so einen vollständigen Kreis bildeten.

Die für die Flügel bestimmten Mannschaften breiteten sich still und ungesehen zu beiden Seiten des Thales aus, und der Ueberrest stellte sich kettenförmig in der Quere auf; da gaben die wilden Pferde Zeichen, daß sie einen Feind witterten; sie schnopperten, schnaubten und sahen sich rings um. Endlich setzten sie sich gemach dem Flusse zu in Gang und verschwanden hinter einer grünen Höhe. Wäre jetzt der Jagdplan gehörig befolgt worden, so hätten sie einfach scheu gemacht und zurück gescheucht werden sollen, indem ein Mann aus dem Gehölz vorritt; aber unglücklicherweise hatte unser Irrwisch, der tollköpfige kleine Franzose die Hand mit im Spiele. Statt ruhig an der rechten Seite des Thals hinzuziehen, um so über die Pferde hinauszukommen, sah er sie kaum dem Flusse zugehen, so brach er auch aus dem Walde hervor und sprengte auf einem der Handpferde des Grafen wie wüthend über die Ebene weg ihnen nach. Damit war das ganze System über den Haufen geworfen. Die Mestizen und ein halbes Dutzend Jäger schlossen sich ihm an, und im Galopp ging es über die grüne Anhöhe weg; einen Augenblick darauf zeigten sich die wilden Pferde wieder und donnerten das Thal herab, Franzose, Mestizen und Jäger mit höllischem Geschrei, wie toll hinter ihnen her. Vergeblich versuchte die quer durch das Thal gezogene Linie die Flüchtigen zurückzuscheuchen; man war ihnen viel zu hitzig auf den Fersen, und in der Angst brachen sie durch die Linie und rasselten die Ebene hinab. Die ganze Truppe schloß sich jetzt der Hetzjagd an, manche Jäger in bloßem Kopf, mit über die Augen herabflatternden Haaren, andere mit Schnupftüchern um den Kopf gebunden. Die Büffel, die bisher ruhig im Grase fortgekäut, hoben ihre plumpen Körper auf, sahen sich einen Augenblick nach dem Sturm um, der auf der Wiese dahertobte, wandten um und suchten in schwerem, polterndem Galopp das Weite. Bald waren sie eingeholt; der helle Haufen drängte sich, wo die Thalseiten näher zusammenliefen, und davon ging es, bunt durcheinander, wilde Büffel, wilde Pferde, wilde Jäger, unter Donnergerassel und lautem Halloh, daß die Wälder widerhallten.

Endlich wandten sich die Büffel in grünes Buschwerk am Flußufer, während die Pferde, die Verfolger dicht an ihren Fersen, ein enges Defilé in den Hügeln hinansprengten. Beatte überholte mehrere, denn er hatte sein Augenmerk auf ein hübsches Pawneepferd gerichtet, das Schlitze in den Ohren und Sattelspuren auf dem Rücken hatte. Er ging ihm tüchtig zu Leib, es entkam ihm aber in den Wald. Unter den wilden Pferden befand sich eine schöne, hoch trächtige Rappstute. Im Laufe das Defilé hinan stolperte sie und stürzte; ein junger Jäger sprang vom Pferd und packte sie bei Maul und Mähne; ein zweiter stieg ab und eilte ihm zu Hülfe. Die Stute wehrte sich tüchtig, biß um sich und schlug mit den Vorderfüßen, aber eine Schlinge ward ihr über den Kopf gestreift, und ihr Sträuben half sie nichts, indessen fuhr sie noch eine ziemliche Weile fort, sich zu bäumen und nach allen Seiten auszuschlagen. Die zwei Jäger führten sie jetzt durch das Thal an zwei langen Lariats, wodurch sie sich beiderseitig in gehöriger Entfernung, außerhalb des Bereichs ihrer Hufe halten konnten, und sobald sie nach einer Seite hin ausschlagen wollte, ward sie nach der andern hingezerrt. Auf diese Weise wurde sie in kurzer Zeit mürbe gemacht.

Was den kleinen Skaramuz Toni anbelangt, der durch seine Voreiligkeit den ganzen Plan zu nichte gemacht, so hatte er mehr Glück, als er verdiente: er fing ein schönes, rahmfarbiges Füllen von etwa sieben Monaten, das nicht Kraft genug gehabt, mit den andern gleichen Schritt zu halten. Der quecksilberne kleine Franzose war außer sich vor Jubel. Es war lustig anzusehen, wie er mit seinem Fang umging: das Füllen bäumte sich, schlug aus und suchte sich auf alle Weise loszumachen, aber Toni umklammerte seinen Hals, balgte sich mit ihm, sprang ihm auf den Rücken und trieb Narrenspossen mit ihm, wie der Affe mit der Katze. Worüber ich mich aber nicht genug wundern konnte, das war, wie schnell diese armen, der schrankenlosen Freiheit auf der Prairie entrissenen Thiere sich der Herrschaft des Menschen unterwerfen.

Nach zwei, drei Tagen schon liefen die Stute und die zwei Füllen mit den Handpferden und wurden ganz zahm.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien