BROTMANGEL. — BÜFFEL. — WILDE TRUTHÜHNER. — FALL DES BÜFFELBULLEN.

Schön und klar brach der Morgen an, aber im Lager herrschte nicht mehr die alte Munterkeit; mit dem Hühnerhofconcert war es aus, da krähte kein Hahn, da bellte kein Hund, nirgends Gesang oder Gelächter; jeder ging ruhig und ernst seinem Geschäfte nach. Die Expedition verlor nachgerade den Reiz der Neuheit, manche unserer jungen Leute waren bald so matt wie ihre Rosse, und die meisten, des Jagdlebens ungewohnt, fingen an, die Entbehrungen desselben schwer zu empfinden. Was ihnen am wehesten that, war der Mangel an Brod; denn ihre Mehlrationen waren auf mehrere Tage erschöpft. Die alten Jäger, die schon oft in diesem Falle gewesen, machten sich wenig daraus, und Beatte, der sich unter den Indiern gewöhnt, Monate lang ohne Brod zu leben, betrachtete es als einen bloßen Luxusartikel. „Brod,“ sagte er, „ist was für Kinder.“
Ein Viertel vor acht Uhr wandten wir dem fernen Westen den Rücken und zogen in südwestlicher Richtung ein hübsches Thal entlang. Nach einigen Meilen rief Beatte, der auf dem Rücken eines kahlen Hügels zu unsrer Rechten hinritt, uns zu und machte Zeichen, als ob etwas um den Hügel herum auf uns zu käme. Einige in meiner Nähe schrieen, es sey eine Bande Pawnees. Ein Streifen Dickicht verhinderte uns, den vermeintlichen Feind kommen zu sehen; wir hörten ein Getrappel im Gestrüpp; mein Pferd blickte hin, schnaubte und spitzte die Ohren; da rauschten zwei große Büffelochsen, welche Beatte aufgescheucht, heraus, gerade auf uns zu. Als sie unser ansichtig wurden, wandten sie um und rannten durch ein schmales Thal zwischen Hügeln. Im Augenblick krachte ein halb Dutzend Büchsen, allgemeines Geschrei und Halloh, die halbe Truppe Hals über Kopf auf und davon, ihnen nach, auch ich darunter. Die meisten hielten bald wieder an und gaben eine Jagd auf, wobei es durch Sträucher und Dornen und halsbrechende Schluchten ging. Nur wenige Jäger hielten noch eine Weile aus, schlossen sich aber am Ende, langsam hinter einander her humpelnd, dem Zuge wieder an. Einer kam zu Fuß; er war im vollen Jagen abgeworfen worden; im Sturz war seine Büchse zerbrochen, und das Pferd hatte, im Geiste des Reiters, den Büffeln weiter nachgesetzt.
Ich meines Theils war vor kurzem so glücklich gewesen, durch einen weitern Tausch das beste Pferd in der Truppe an mich zu bringen, einen Rothfuchs von vollem Blut, trefflich auf den Beinen, schön gebaut und vom edelsten Naturell. In solchen Fällen ist einem nicht anders, als ob der Reiter, indem er sein Pferd wechselt, ein anderer Mensch würde; ich war wie ein ganz anderes Wesen, da ich jetzt ein Thier unter mir hatte, feurig und doch sanft, gelehrig in auffallendem Grade, gewandt, elastisch, rasch in allen Bewegungen. In wenigen Tagen gewöhnte es sich an mich fast wie ein Hund, es lief mir nach, wenn ich abstieg, kam Morgens zu mir, sich zu melden und sich liebkosen zu lassen, und steckte sein Maul zwischen mich und das Buch, wenn ich lesend unter einem Baume saß. Was ich für diesen meinen stummen Gefährten in den Prairien fühlte, gab mir einen entfernten Begriff von der Anhänglichkeit des Arabers an das Pferd, das ihn in der Wüste getragen.

Ein paar Meilen weiter kamen wir zu einer lieblichen Wiese, durch die sich ein breites klares Wasser schlängelte, dessen Ufer treffliche Weide boten. Hier machten wir Halt in einem hübschen Ulmengehölz, neben einem alten Osagenlager. Kaum waren wir abgestiegen, so entstand ein allgemeines Gewehrfeuer auf einen großen Flug von Truthühnern, die im Gehölze, das ein Lieblingsplatz der einfältigen Vögel seyn mußte, umhersaßen. Sie flogen auf die Bäume, ließen sich auf den Aesten nieder und sahen sich mit langgereckten Hälsen in dummer Verwunderung um, bis ihrer achtzehn am Boden lagen.
Während man im besten Gemetzel war, kam die Nachricht, auf einer Wiese in der Nähe seyen vier Büffel. Jetzt ließ man die Truthühner um des edlern Wildes willen fahren, bestieg wiederum die müden Pferde und hetzte sie zur Jagd. Nicht lange, so bekamen wir die Büffel zu Gesicht; sie glichen braunen Hügeln über dem hohen grünen Grase. Beatte suchte sie zu überholen und sie uns zuzujagen, damit die ungeübten Jäger zum Schusse kommen könnten. Sie liefen um den Fuß eines felsigen Hügels herum, der sie unsern Blicken entzog. Einige von uns versuchten es, quer über den Hügel weg zu kommen, verwickelten sich aber im dicken, mit Reben durchwachsenen Gehölz. Mein Pferd, das unter seinem vorigen Reiter Büffel gejagt, schien so feurig als ich, und brach sich munter Bahn durch die Büsche. Endlich wanden wir uns heraus, und wie ich über den Hügel sprengte, sah ich unsern kleinen Franzmann Toni zu Pferd um einen großen Büffel sich herumschwenken, den er zu derb angeschossen, als daß er fliehen konnte, und jetzt aushielt, bis wir herbeikämen. Der Anblick des furchtbaren Thiers und seines phantastischen Gegners war großartig und komisch zugleich. Der Büffel stand da, die zottige Stirne beständig dem Feinde zugekehrt, mit offenem Maule, trockener Zunge, die Augen funkelnd wie Kohlen, den Schwanz in der Wuth gerade aufwärts gestreckt; jeden Augenblick versuchte er einen kraftlosen Stoß gegen den Feind, der ihm ohne Mühe auswich, und dabei Sprünge und Narrenspossen aller Art machte. Wir gaben nun zu wiederholtenmalen Feuer auf den Büffel, aber die Schüsse fuhren in den Fleischberg, ohne tödtlich auszufallen. Er zog sich langsam in den seichten Fluß zurück, und wandte sich gegen die Angreifer, sobald sie ihm nahe kamen; im Wasser blieb er stehen, als machte er sich auf eine Belagerung gefaßt; aber ein besser gezielter Schuß durchschütterte die ganze Masse; er kehrte um und wollte durch das Wasser waten, aber nachdem er wenige Schritte fortgeschwankt, sank er gemach auf die Seite und verschied. Er fiel als Held, und wir schämten uns ein wenig, daß es dazu von unserer Seite so großer Metzelei bedurft; aber nach den ersten paar Schüssen hatten wir unser Gewissen durch den hergebrachten Vorwand beschwichtigt, daß man dem Leiden des armen Thieres ein Ende machen müsse.


Noch zwei weitere Büffel wurden am Abend geschossen, aber lauter Ochsen, deren Fleisch zu dieser Jahreszeit trocken und hart ist. Ein fetter Bock verschaffte uns schmackhafteres Fleisch zu unserm Abendessen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien