DER BIBERDAMM. — BÜFFEL- UND PFERDESPUREN. — EIN PAWNEE-PFAD. — WILDE PFERDE. — DER JUNGE JÄGER UND DER BÄR. — AENDERUNG DER ROUTE.

Als wir am Morgen (23.October) unsre Mannschaft musterten, wurde der alte Ryan nebst seinem Cameraden noch immer vermißt; aber der Capitän war so gewiß überzeugt, daß sich der gewandte alte Jäger überall zu helfen wissen werde, daß er es für unnöthig hielt, seinetwegen irgend etwas zu verfügen. Unser Weg führte uns diesen Tag fortwährend durch ein rauhes, unebenes Land, mit braunen, trübseligen Eichwäldern und tiefen, ausgetrockneten Strombetten. Die entfernten Feuer in den Prairien nahmen sichtlich überhand; der Wind hatte schon seit mehreren Tagen aus Nordwest geweht, und die ganze Atmosphäre war voll Rauch, wie mitten im indischen Sommer, so daß man in geringer Entfernung die Gegenstände nur schwer unterschied.
Im Laufe des Morgens setzten wir über einen tiefen Strom mit einem vollständigen Biberdamm, über drei Fuß hoch, der einen großen Teich bildete, und ohne Zweifel mehrere Haushaltungen dieser fleißigen Thiere beherbergte, obwohl kein einziges seine Schnauze über dem Wasser zeigte. Der Capitän litt nicht, daß das amphibische Gemeinwesen beunruhigt wurde. Wir kamen jetzt fortwährend auf Spuren von Büffeln und wilden Pferden; die erstern liefen insgesammt südwärts, wie wir an der Richtung des niedergetretenen Grases abnehmen konnten. Wir befanden uns hier offenbar auf der großen Heerstraße der wandernden Heerden, sie waren aber größtentheils schon weiter nach Süden gezogen.
Beatte, der meistens ein paar hundert Yards von unserer Marschlinie neben derselben ritt, um sich nach Wild umzusehen, und jede Fährte mit dem erfahrnen Auge des Indiers betrachtete, meldete, er sey auf eine sehr verdächtige Spur gestoßen, nämlich auf Fußstapfen von Leuten mit Pawnee-Mocassins. Er hatte daran den Geruch von Sumach und Tabak untereinander, wie die Indier sie für ihren Gebrauch zu mischen pflegen, bemerkt. Ferner hatte er Pferdespuren entdeckt, darunter die Fährte eines Hundes, und im Sand einen Streif, wie ihn ein schleppender Strick macht, höchst wahrscheinlich vom langen Zaume herrührend, dessen eines Ende der indische Reiter auf dem Boden nachschleifen läßt. Offenbar waren es keine Spuren von wilden Pferden. Ich wurde jetzt aufs neue um unsern alten Jäger Ryan besorgt; denn ich hatte den alten, ächten Lederstrumpf sehr lieb gewonnen; alle aber versicherten zuversichtlich, Ryan, wo er auch stecken möge, sey wohlbehalten und wisse seiner wahrzunehmen.
Der größere Theil eines beschwerlichen Tagemarsches lag hinter uns, und wir zogen über eine offene Stelle im Eichwalde, da wurden mir sechs wilde Pferde ansichtig, unter denen mir besonders zwei als ausgezeichnet schön auffielen, ein Grau- und ein Rothschimmel. Sie kamen einhergestiegen, die Köpfe hoch, mit langen, prächtigen Schweifen, stolze Gegenbilder unserer armen, muthlosen, abgetriebenen Rosse. Nachdem sie uns einen Augenblick betrachtet, setzten sie sich in Galopp, sprengten durch ein bewaldetes Thal, und nach einer kleinen Weile kamen sie uns wieder zu Gesicht, wie sie, etwa eine Meile weit weg, einen Abhang hinantrabten. Der Anblick dieser Pferde war wieder eine harte Geduldsprobe für den windigen Toni, der Lariat und Gabelstock zur Hand hatte und im Begriffe war, auf seinem abgehetzten Rosse hinauszujagen, bis er wieder hintenan zu den Packpferden commandirt wurde.
Nach einem Tagemarsche von vierzehn Meilen in südwestlicher Richtung lagerten wir am Ufer eines kleinen, klaren Wassers am nördlichen Saume des Croß-Timber, am Rande jener weiten Prairien, die sich bis zum Fuße der Rocky-Mountains erstrecken. Als man die Pferde auf die Weide laufen ließ, verstopfte man die Schellen mit Gras, damit ihr Geklingel nicht eine wandernde Horde von Pawnees aufmerksam mache.
Unsere Jäger machten sich bald nach verschiedenen Seiten auf, hatten aber eben nicht viel Glück, denn es ward nur ein einziges Stück Rothwild ins Lager gebracht. Ein junger Jäger wußte von seinen Abenteuern eine lange Geschichte zu erzählen. Am Dickicht einer tiefen Schlucht hatte er einen Bock angeschossen und hörte ihn deutlich in die Büsche fallen. Er blieb stehen, um das Schloß seiner Büchse, das nicht in Ordnung war, festzumachen und sie wieder zu laden, und betrat sodann das Dickicht, um sein Wild zu suchen, da hörte er ein leises Brummen. Er bog die Zweige zur Seite, schlich leise vorwärts und blickte in die Schlucht hinab; da sah er, wie ein gewaltiger Bär seinen Bock im trocknen Bett eines Baches fortschleppte, und vier, fünf dienstfertigen Wölfen, welche ihm über den Hals gekommen schienen, um sein Abendbrod mit ihm zu theilen, entgegen brummte und knurrte. Der Jäger gab Feuer auf den Bären, fehlte ihn aber; Braun blieb Meister des Terrains und der Beute und schien zum Kampfe gerüstet; auch die Wölfe, die sichtbar gewaltig hungrig waren, kamen ganz nahe heran. Da die Nacht einbrach, wurde dem jungen Jäger am finstern, wilden Ort in der seltsamen Gesellschaft doch unheimlich; er räumte also das Feld und kam mit leeren Händen ins Lager, wo er, als seine Geschichte zu Ende war, von seinen erfahrnern Cameraden tüchtig ausgelacht wurde.
Im Laufe des Abends langte der alte Ryan mit seinem Lehrling im Lager an, und wurde, wie gewöhnlich, herzlich bewillkommt. Er hatte sich gestern auf der Jagd verirrt, die Nacht über bivouakirt, am Morgen aber unsere Spur gefunden und sie verfolgt. Er hatte ein wenig beim Biberdamm verweilt und die Kunst und Festigkeit des Bauwerks bewundert. „Diese Biber,“ sagte er, „sind fleißige Bursche, das geschickteste Geschmeiß, das ich weiß, und ich stehe dafür, der Damm stack ganz voll.“ –– „Ja,“ erwiderte der Capitän, „ich glaube gewiß, die meisten Flüsse, über die wir gekommen, sind voll von Bibern. Gern möchte ich einmal hieher kommen und den ganzen Winter Biber fangen.“ –– „Aber,“ fragte einer der Anwesenden, „müßtet Ihr da nicht fürchten, von Indiern angefallen zu werden?“ –– „O was das anlangt, wäre es zur Winterszeit hier sicher genug. Hieher kommen keine Indier vor Frühjahr. Nur ihrer zwei brauchte ich bei mir zu haben; zu drei fährt man besser beim Biberfang, als wenn ihrer mehr sind. Man kann der Ruhe pflegen und braucht nur selten ein Gewehr loszuschießen. An einem Bären haben sie auf zwei Monate genug zu essen, wenn man alles daran sich zu Nutze macht.“
Jetzt ward hinsichtlich unsers weitern Zugs Rath gepflogen. Wir hatten bis jetzt den Curs gegen Westen gehalten, und befanden uns nun, nachdem der Croß-Timber hinter uns lag, am Saume der großen westlichen Prairie. Aber immer waren wir noch in einer rauhen Gegend, die schlechten Unterhalt bot. Es war spät im Jahre, das Gras vertrocknet, und die Weide auf den Prairien vorbei. Auch die Reben in den Gründen, von denen sich unsere Pferde auf der Reise zum Theil genährt, waren dürr, und seit mehreren Tagen hatten die armen Thiere an Muth wie an Fleisch kläglich abgenommen. Die Feuer der Indier rückten von Nord, Süd und West gegen uns heran; sie konnten sich auch von Osten her ausbreiten, und eine verkohlte Einöde zwischen uns und der Gränze lassen, wo unsere Pferde vor Hunger umkommen mußten. Man beschloß daher, nicht weiter gegen Westen vorzudringen, sondern sich mehr ostwärts zu wenden, um so bald als möglich den nördlichen Lauf des Canadian-Flusses zu erreichen; dort hofften wir junges Rohr in Menge zu finden das zu dieser Jahreszeit das nahrhafteste Futter für die Pferde abgibt und zugleich ungeheure Schaaren von Wild herbeilockt. Hier also erreichte unser Zug im fernen Westen sein Ende, nicht viel über einen Tagemarsch von der Gränze von Texas.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien