EINE GROßE PRAIRIE. — CLIFF CASTLE. — BÜFFELSPUREN. — REHE VON WÖLFEN GEJAGT. — CROSS TIMBER.

Nachdem wir uns eine Strecke weit mühsam über einen, von Schluchten und Bächen durchschnittenen und dicht bewachsenen Landstrich durchgearbeitet, kamen wir auf eine große Prairie hinaus, und hier that sich uns nun eine Aussicht auf, wie sie für den „fernen Westen“ charakteristisch ist: ein ungeheurer Strich mit Gras bewachsenen, sanft gewellten Landes, hie und da mit Baumgruppen besetzte, die sich in der Ferne ausnahmen wie ein Schiff zur See, eine Landschaft, die eben durch ihre Einfalt und Schrankenlosigkeit großartig wird. Gegen Südwest erhob sich über einem Hügel ein seltsamer Kamm von zerklüfteten Felsen, gleich einem zerstörten Schlosse. Es erinnerte mich an die Trümmer eines maurischen Schlosses, wie sie mitten in einer einsamen spanischen Landschaft die Höhen frönen. Dem Hügel gaben wir den Namen Cliff-Castle (Felsenschloß).
Die Prairien dieses großen Jagdgebiets haben hinsichtlich der Vegetation einen ganz andern Charakter als diejenigen, über die ich bisher gekommen. Statt der hohen blumigen Gewächse und des langen üppigen Grases waren sie mit kürzerem Gras, genannt Büffelgras, bewachsen, das etwas rauh ist, aber zur rechten Jahreszeit ein treffliches, reichliches Futter gibt. Gegenwärtig war es an vielen Stellen zu dürr zur Weide. Die Witterung verkündete den Eintritt der heitern, aber etwas trockenen Jahreszeit, der indische Sommer genannt. In der Luft schwebte ein rauchiger Nebel, der das helle Sonnenlicht zu einer Art von Goldton brach, die Züge der Landschaft verschmolz und die Umrisse entfernter Gegenstände verschwommen erscheinen ließ. Dieses neblige Wesen wurde mit jedem Tag stärker; man leitete es davon her, daß indische Jäger ferne Prairien in Brand gesteckt.
Wir waren noch nicht weit auf der Prairie gekommen, so sahen wir tiefe Fährten über die Ebene dahin laufen. Zuweilen waren ihrer zwei bis drei einander parallel und nur wenige Schritt von einander entfernt; man erklärte es für Büffelspuren; starke Rudel mußten hier vorbeigekommen seyn. Auch Pferdespuren bemerkte man und diese wurden von unsern erfahrenen Jägern genauer untersucht. Von wilden Pferden konnten sie nicht herrühren, weil keine Fährten von Füllen darunter waren. Die Pferde waren sichtbar nicht beschlagen, und so schloß man, sie müssen einer Jagdgesellschaft von Pawnees angehört haben. Im Laufe des Morgens entdeckte man eine einzelne Spur eines beschlagenen Pferdes; dieses mochte einem Cherokeejäger angehört haben oder einem Weißen auf der Gränze gestohlen worden seyn. So gibt beim Zuge durch diese gefährlichen Einöden jeder Hufschlag am Boden Anlaß zu sorgfältiger Beaugenscheinigung und mancherlei widersprechenden Vermuthungen, und es trägt sich immer darum: ist es die Spur von Freund oder Feind, frisch oder alt, ist der, von dem sie herrührt, weit weg oder könnte man mit ihm zusammentreffen?
Wir kamen immer tiefer in die eigentlichen Jagdgründe hinein. Zu wiederholten Malen sahen wir Rothwild rechts und links sich ins Dickicht flüchten, aber dergleichen Erscheinungen regten die Jagdlust nicht mehr auf wie früher. Auf dem Wege durch eine Mulde in der Praire zwischen zwei rundlichen Landhöhen erblickten wir eine ächte natürliche Jagdpartie. Ein Trupp von sieben schwarzen Wölfen und einem weißen setzten einem Bocke nach, den sie beinahe schon zu Tod gehetzt. Sie liefen quer durch unsere Marschlinie durch, ohne auf uns zu achten. Wir sahen sie etwa eine Meile Wegs lustig dahinlaufen, immer näher am Bock, bis sie ihm endlich auf das Kreuz springen könnten, da setzte er in eine Schlucht hinab. Einige von uns sprengten eine Anhöhe hinan von wo man die Schlucht übersah. Der arme Bock war völlig umringt, einige ihm zur Seite, andere am Hals. Er machte zwei, drei verzweifelte Sätze, ward aber niedergeworfen, überwältigt und in Stücke zerrissen. Die schwarzen Wölfe nahmen im Eifer und Heißhunger keine Notiz von den Reitern in der Ferne; der weiße aber, sichtbar von schwächerer Art, ließ die Beute im Stich und strich dahin über Berg und Thal, wobei er verschiedene, in den Gründen gelagerte Rehe aufscheuchte, die nach allen Seiten hinausfuhren. Das Ganze war eine ächte wilde Scene, vollkommen würdig dieses famosen Jagdgebiets.
Jetzt bekamen wir den Red-Fork wieder zu Gesicht, der seine trüben Wasser zwischen stark bewaldeten Hügeln und durch eine weite herrliche Landschaft hinwälzte. Die Prairien am Ufer der Ströme sind immer mit Gehölzen belebt, und diese so schön vertheilt, als ob eine geschmackvolle Hand sie gepflanzt hätte; es fehlte nichts, als hin und wieder die Spitze eines Dorfkirchthurms, die Mauern eines Castells oder die Thürme eines alten Herrenhauses über den Bäumen, so könnten sie sich mit der cultivirtesten Landschaft in Europa messen.
Gegen Mittag gelangten wir zum Rande des zerstreuten Waldgürtels, der, etwa vierzig Meilen breit, von Nord nach Süd, vom Arkansas zum Redriver quer durch das Land streicht, die obern von den untern Prairien trennt und gemeiniglich Croß-Timber genannt wird. Am Saume dieses Waldlandes, dicht an einer Prairie, entdeckten wir die Spuren eines Pawneelagers, zwischen hundert und zweihundert Hütten stark, ein Beweis, daß der Trupp sehr stark gewesen. Beim Lager lag ein Büffelschädel, und am Moose, das darauf gewachsen, sah man, daß das Lager mindestens ein Jahr alt war. Etwa eine halbe Meile weiter hin lagerten wir in einem hübschen, von einer frischen Quelle und einem kleinen Bache bewässerten Gehölze. Wir hatten den Tag gegen vierzehn Meilen zurückgelegt.
Im Laufe des Nachmittags stießen zwei Mann von Lieutenant Kings Commando zu uns, das wir vor wenigen Tagen der verlaufenen Pferde wegen zurückgelassen. Man hatte sämmtliche Pferde gefunden, obgleich manche mehrere Meilen weit gegangen waren. Der Lieutenant mit siebzehn Mann war an unserm Lagerplatze von der vergangenen Nacht zurückgeblieben, um zu jagen, weil man auf frische Büffelspuren gekommen. Sie hatten auch ein schönes wildes Pferd gesehen, es war aber so schnell davon gerannt, daß man an kein Nachsetzen denken konnte.
Man überließ sich jetzt der frohen Hoffnung, am folgenden Tage Büffel, vielleicht gar wilde Pferde zu treffen, und alles war munter und guter Dinge. Wir hatten aber auch eine Aufregung der Art sehr nöthig, denn unsere jungen Leute wurden nachgerade des Zwangs auf dem Marsch und im Lager überdrüssig, und der Mundvorrath war heute nahe beisammen. Der Capitän und mehrere Jäger gingen auf die Jagd, brachten aber nichts heim als ein kleines Stück Rothwild und wenige Truthühner. Unsere zwei Leute, Beatte und Toni, machten sich gleichfalls auf; Ersterer kam mit einem Reh über dem Pferde, legte es nieder, wie gewöhnlich, und sagte nichts dazu; Toni kam ohne Wild, aber wie immer mit einem Sack voll wunderbarer Geschichten. Er und die Rehe hätten Wunder gethan; keines kam in den Bereich seiner Büchse, ohne daß er ihm ein Tüchtiges versetzte; aber seltsamer Weise waren alle damit ihres Wegs gegangen. Wir meinten, seinem wunderbar rüstigen Treffen nach, müsse Toni mit Freikugeln geschossen haben; aber das Leben aller der Rehe müsse gleichfalls gebannt gewesen seyn. Das Wichtigste, was er heimbrachte, war indessen, daß er die Spuren von mehreren wilden Pferden bemerkt. Er sah sich jetzt am Vorabend großer Heldenthaten, denn auf nichts that er sich mehr zu gut, als auf seine Geschicklichkeit im Pferdefang.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien