DES JÄGERS ERWARTUNGEN. — DIE SCHLIMME FURT. — EIN WILDES PFERD.

21.October. –– An diesem Morgen war schon sehr frühe großes Leben im Lager; die Erwartung, im Laufe des Tages Büffel zu treffen, regte jedermann auf. Unaufhörlich krachten die Büchsen, die frisch geladen wurden; aus den Doppelflinten zog man den Schrot und lud sie mit Kugeln. Toni seinerseits rüstete sich vorzüglich zum Zuge gegen die wilden Pferde. Er zog zu Feld mit einem Bündel Stricke am Sattelknopf und ein paar weißen Stäben, fast wie Angelruthen, acht bis zehn Fuß lang mit gabelförmigen Enden. Der Lariat, oder der Strick, den man zur Jagd des wilden Pferdes braucht, entspricht dem südamerikanischen Lasso; nur wird er nicht so gracis und gewandt geworfen, wie es die Spanier thun. Wenn sich der Jäger nach langem Nachjagen endlich fast Kopf an Kopf mit dem wilden Pferde befindet, streift er ihm die offene Schlinge des Lariats mit dem Gabelstock über den Kopf, läßt ihm dann die volle Länge des Stricks, spielt daran hin und her, wie man es mit dem Fisch an der Angel machte und macht es durch Würgen zahm. Alles dieses wollte uns Toni aufs genügendste vormachen. Unser Vertrauen auf seine Leistungen war eben nicht groß, und wir fürchteten, er möchte uns ein gutes Pferd auf der Hetzjagd nach einem schlechten zu Schanden reiten; denn er war, wie alle französischen Creolen, ein toller, unbarmherziger Reiter. Man beschloß daher, ein wachsames Auge auf ihn zu haben und seinem Hange zum Hinausjagen Zaum und Zügel anzulegen.
Wir waren am Morgen noch nicht weit gekommen, da wurden wir durch ein tiefes Wasser aufgehalten; das unten in einer dicht bewaldeten Schlucht lief. Nachdem wir ein paar Meilen daran hin gezogen, kamen wir zu einer Furth; aber die Schwierigkeit bestand darin, hinabzukommen; denn die Ufer waren steil und lose, mit Waldbäumen und dazwischen mit Gestrüpp und wilden Reben bewachsen. Endlich brach sich der Zugführer Bahn durch das Dickicht; sein Pferd setzte die Füße neben einander und glitt das schwarze bröcklichte Ufer zum Rande des Wassers hinab; sodann watete es, im Schlamm und Wasser bis an den Sattelgurt, hinüber, kletterte das jenseitige Ufer hinauf und gelangte glücklich auf ebenen Boden.
Der ganze Zug ging durcheinander dem Zugführer nach; eng geschlossen in indischer Linie drängte man einander das Ufer hinab ins Wasser. Manche Reiter verfehlten die Furth und fielen bis über die Ohren hinein; einer ward abgeworfen und plumpte kopfüber mitten in den Strom. Wie ich so von denen hinter mir das Ufer hinabgedrängt wurde; faßte mich eine Rebe, so dick wie ein Tau, die in der Höhe des Sattelknopfes bogenförmig herüberhing, zog mich aus dem Sattel und warf mich den Pferden unter die Füße. Zum Glück kam ich ohne Verletzung davon, saß wieder auf, setzte über das Wasser ohne weitern Unfall und konnte in die Scherze mit einstimmen, zu welchen die komischen Unfälle beim Uebersetzen vielfachen Anlaß gaben. An Stellen der Art ist bei der Kriegsweise der Indier am meisten ein Hinterhalt zu besorgen, und hier wird auch ein Ueberfall am blutigsten. Ein im Dickicht gut vertheilter Trupp von Wilden hätte unter unsern Leuten, so lange sie in der Schlucht eingeklemmt waren, furchtbar aufräumen können.
Wir kamen jetzt auf eine weite, prachtvolle Prairie, die im goldenen Scheine der herbstlichen Sonne ausgebreitet da lag. An den tiefen, zahlreichen Büffelfährten sah man, daß hier eine ihrer Lieblingsweiden war; jetzt aber ließ sich keiner blicken. Im Laufe des Morgens wurden wir vom Lieutenant und den siebzehn Mann eingeholt, die zurückgeblieben waren; sie hatten Tags zuvor drei Büffel geschossen und waren mit ihrem Fleische beladen. Einem Jäger aber war es schlecht dabei ergangen: sein Pferd wurde scheu vor den Büffeln, warf ihn ab und entsprang in den Wald. Die Aufregung unserer Jäger, alt wie jung, wurde jetzt fast fieberhaft, denn kaum einer oder der andere hatte dieses hochberühmte Wild der Prairien je zu Gesicht bekommen. Als sich daher im Laufe des Tages auf einem Punkte der Linie der Ruf hören ließ; „ein Büffel! ein Büffel!“ kam die ganze Truppe in Aufruhr. Wir zogen gerade durch einen reizenden, gehügelten, von bewaldeten Thälern und hochstämmigen Waldstreifen durchschnittenen Strich der Prairie. Die Lärm geschlagen, wiesen auf ein großes, schwärzliches Thier, das sich, etwa zwei Meilen weit weg, längs einer Anhöhe sachte fortbewegte.
Der allzeitfertige Toni sprang im Sattel auf und stellte sich auf denselben, seine Gabeln in der Hand, wie ein Tanzmeister oder wie Scaramutz im Circus, wenn er ein Reiterkunststück machen will. Nachdem er das Thier einen Augenblick betrachtet, was er ganz eben so gut gekonnt hätte, ohne aus den Bügeln zu kommen, that er den Ausspruch, es sey ein wildes Pferd, gleitete wieder in den Sattel und wollte Hals über Kopf davon, ihm nach, ward aber zu seinem unaussprechlichen Verdruß auf seinen Posten bei den Packpferden verwiesen. Der Capitän und zwei Officiere machten sich jetzt auf, das Wild zu recognosciren. Der Capitän, der ein trefflicher Schütze ist, hatte im Sinne zu versuchen, ob er es nicht anschießen, das heißt, es mit einer Büchsenkugel an dem obern Rand des Halses treffen könne. Ein solcher Schuß lähmt das Pferd auf einen Augenblick, es stürzt nieder, und man kann sich seiner bemächtigen, ehe es wieder zu sich kommt. Es ist dieß aber ein grausames Mittel, denn ein schlechter Schuß kann das edle Thier tödten oder verkrüppeln.
Während der Capitän und seine Begleiter, sich zur Seite wendend, langsam dem Pferd entgegenritten, setzten wir geradeaus unsern Marsch fort, immer das Pferd im Auge. Es ging ruhig die Anhöhe hinauf und verschwand hinter derselben; auch der Capitän und die Seinigen wurden bald durch einen Hügel unsern Blicken entzogen. Nicht lange, so zeigte sich das Pferd auf Einmal zu unserer Rechten, gerade vor der Linie; es kam in scharfem Trott aus einem Thälchen herauf; man sah, es war bereits scheu gemacht. Als es uns gewahr wurde, hielt es rasch an, betrachtete uns einen Augenblick mit sichtlichem Erstaunen, warf dann den Kopf in die Höhe und trabte mit flatternder Mähne und Schweif zierlich von dannen, wobei es jetzt über die eine, dann über die andere Schulter nach uns umblickte. Nachdem es durch einen Streifen von Dickicht gesetzt, der einer Hecke gleichsah, hielt es im freien Felde dahinter an, sah sich mit schöner Haltung des Nackens noch einmal nach uns um, setzte sich in Gallop und verschwand im Walde.
Zum erstenmale sah ich da ein Pferd in seiner natürlichen Freiheit, seinem eingebornen Adel. Welch ein Contrast mit dem armen, verstümmelten, gezäumten, geschirrten, gezügelten Schlachtopfer des Luxus, der Launen und der Habsucht in unsern Städten!
Nach einem Marsche von etwa fünfzehn Meilen lagerten wir gegen ein Uhr, damit unsere Jäger Zeit hätten, Mundvorrath herbeizuschaffen. Unser Lager befand sich in einem weiten Gehölze von hohen Eichen- und Wallnußbäumen, ohne Unterholz und neben einem Bache. Während unser kleiner Franzose die Packpferde ablud, machte er laut seinem Bedauern Luft, daß man ihm nicht erlaubt, dem wilden Pferde nachzusetzen, das er unfehlbar gefangen hätte. Zugleich sah ich, wie unser Mestize Beatte ruhig sein bestes Pferd, ein kräftiges Thier von halbwilder Race, sattelte, den Lariat an den Sattelknopf hing, zu Büchse und Gabelstock griff, aufsaß und, ohne ein Wort zu sagen, davonritt. Man sah wohl, er hatte im Sinne, das wilde Pferd aufzusuchen, wollte aber dabei allein seyn.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien