GEWITTERSTURM AUF DER PRAIRIE. — DAS STURMLAGER. — NACHT-SZENE. — INDIANISCHE GESCHICHTEN. — EIN ERSCHRECKTES PFERD.

Unser Marsch einen Theil des Tags über ging etwas südwestlich durch dünne Wälder von verkrüppelten Eichen. Der Boden ist hier lose, nachgebend, an manchen Stellen nicht viel besser als eigentlicher Flugsand, wo bei Regenwetter der Huf des Pferdes hin und her glitscht, und hie und da bis über die Fessel im losen, schwammigen Rasen einsinkt. So war es jetzt in Folge mehrerer Gewitterschauer, in denen wir in verdrießlichem Schweigen dahinzogen. Verschiedene Stücke Rothwild gingen vor uns auf und flohen über die Lichtungen im Gehölz; aber nicht Einer brach, wie sonst, aus der Linie sie zu verfolgen. Einmal kamen wir bei Büffelknochen und Hörnern, und später an einer nicht über drei Tage alten Büffelspur vorüber. Diese Anzeichen, daß dieses gewaltige Wild der Prairien jetzt in der Nähe war, wirkten belebend auf unsere Waidmänner, der Eindruck währte aber nicht lange.
Während wir über eine Prairie von mäßiger Ausdehnung zogen, die durch die Regenschauer so ziemlich zu einem schlüpfrigen Pfuhl geworden war, überfiel uns ein starker Gewitterguß. In Strömen prasselte der Regen auf uns nieder, und sprühte wie in Dampfwolken vom Boden auf; mit Einemmale war die ganze Landschaft dunkel überzogen, desto greller leuchteten die starken Blitze, während der Donner fast über unsern Köpfen krachte, und lang hin durch die Wälder rollte, welche die Prairie durchzogen und umsäumten. Menschen und Vieh waren von der Wuth des Orkans und den schlagenden Wasserströmen so betäubt, daß die Marschlinie völlig in Verwirrung gerieth; manche Pferde wurden so scheu, daß man sie kaum bändigen konnte, und unsere gesprengte Reiterei glich einer vom Sturm verschlagenen Flotte, die Wind und Wellen preisgegeben dahintreibt.

Endlich um halb drei Uhr machten wir Halt, sammelten unsere Streitkräfte, und lagerten in einem offenen, hochstämmigen Wald, an der einen Seite eine Prairie, an der andern ein fließendes Wasser. Nicht lange, so erscholl der Wald von Axthieben und dem Gekrache stürzender Bäume. In kurzem brannten mächtige Feuer; Decken wurden davor als Zelte aufgespannt, rasch aus Rinde und Häuten Baracken errichtet; um jedes Feuer war dicht eine Gruppe gelagert, um sich zu trocknen und zu wärmen oder ein gutes Mahl zu bereiten. Mehrere Jäger entluden und reinigten ihre Büchsen, die naß geworden, während sich die Pferde, der Sättel und des Gepäcks entledigt, im nassen Grase wälzten.
Die Regenschauer wiederholten sich von Zeit zu Zeit bis spät am Abend. Vor Nacht wurden unsere Pferde eingetrieben, und um das Lager her innerhalb der Posten angebunden, aus Furcht vor diebischen Indiern, welche sich zu ihren Räubereien und Ueberfällen gern stürmische Nächte zu Nutzen machen. Als die Nacht schwärzer hereinbrach, schimmerten die Feuer immer heller, und beleuchteten Massen des überhängenden Lands, während andere Partien des Waldes in tiefem Dunkel lagen. Um jedes Feuer bewegten sich Figuren wie Kobolde, und im Dickicht gewahrte man undeutlich wie Gespenster die angebundenen Pferde, nur daß sich da und dort ein Schimmel deutlicher abhob. Das Gehölz, vom röthlichen Scheine der Feuer phantastisch beleuchtet, glich einem mächtigen Blätterdome mit finstern Wänden; aber hin und wieder that sich beim Scheine schlängelnder Blitze, die rasch hintereinander niederfuhren, eine weite Landschaft auf; Felder, Wälder und Ströme tauchten auf für ein paar Secunden, und waren, bevor das Auge sich ihrer Existenz versichern konnte, wieder in die Nacht zurückgesunken.
Ein Gewitter in der Prairie wird, gerade wie auf offener See, durch die gränzenlose Einöde, über der es sich krachend entladet, erhaben und großartig im höchsten Grade. Es ist kein Wunder, daß diese schrecklichen Naturphänomene für die armen Wilden Gegenstände abergläubischer Verehrung werden, daß ihnen der Donner für die zornige Stimme des großen Geistes gilt. Bei unsern Mestizen, die schwatzend am Feuer saßen, erkundigte ich mich nach den Vorstellungen ihrer indischen Freunde in dieser Hinsicht. Sie sagen, von den Jägern werden zuweilen in der Prairie Donnerkeile gefunden, und von ihnen als Pfeile und Lanzenspitzen benützt; mit solcher Waffe ist ein Krieger unüberwindlich. Bricht aber während der Schlacht ein Gewitter aus, so wird er vom Donner weggerafft, und man sieht und hört nichts mehr von ihm.
Ein Krieger aus dem Konzastamme ward auf der Jagd in einer Prairie von einem Gewitter überfallen und von einem Blitze niedergeschmettert. Als er wieder zu sich kam, sah er den Donnerkeil am Boden liegen und daneben ein Pferd stehen. Er nahm den Donnerkeil auf und sprang auf das Pferd, merkte aber zu spät, daß er den Blitz bestiegen. Im Nu ward er über Prairien, Wälder, Ströme und Einöden weggeführt, bis er besinnungslos am Fuße der Rocky-Mountains niederstürzte, und dann, nachdem er zu sich gekommen, mehrere Monate brauchte, um wieder zu den Seinigen zu kommen. Diese Geschichte erinnerte mich an eine indische, von einem Reisenden erzählte Sage von einem Krieger, der den Blitz am Boden liegen sah, und links und rechts davon einen schön gearbeiteten Mocassin. In der Meinung, einen guten Fund gethan zu haben, zog er die Mocassins an, sie trugen ihn aber fort ins Land der Geister, aus dem er nicht wieder zurückkam.
Dieß sind naive, kunstlose Geschichten; aber wild romantisch klingen sie aus dem Mund eines halbwilden Erzählers, an einem Jagdfeuer, in stürmischer Nacht, rechts ein Wald, links eine dröhnende Einöde, wo vielleicht wilde Feinde draußen im Dunkel lauern.
Unser Gespräch ward durch einen heftigen Donnerschlag unterbrochen, der kaum verhallt war, als man die Hufschläge eines Rosses vernahm, das wie toll ins Weite hinausjagte. Alles horchte in Todtenstille; eine Zeit lang hörte man den Hufschlag noch deutlich, dann schwächer und schwächer, bis er in der Ferne verklang. Jetzt gaben die Horcher ihre Vermuthungen Preis, was wohl das Pferd so auf Einmal zum Ausreißen gebracht. Einige meinten, der Donnerschlag habe das Pferd scheu gemacht, Andere, ein lauernder Indier habe es bestiegen und sey auf ihm davongesprengt. Man wandte dagegen ein, gewöhnlich schleichen sich die Indier leise zu dem Pferde heran, nehmen ihm die Fesseln ab, steigen sachte auf und reiten so still als möglich davon, andere Pferde an die Hand nehmend, mit Vermeidung jedes auffallenden Geräusches, wodurch das Lager in Alarm kommen könnte. Von anderer Seite hieß es, ein gewöhnlicher indischer Kunstgriff sey, bei Nacht unter einen Haufen grasender Pferde zu kriechen, eines leise zu besteigen, und dann plötzlich wie toll davonzujagen. Nichts theilt sich den Pferden leichter mit als Schreck; wenn eines auf diese Weise plötzlich ausreißt, kommt oft der ganze Trupp in Aufruhr, und sie laufen Hals über Kopf dem ersten nach. Wer ein Pferd ums Lager herum auf der Weide hatte, fürchtete, der Ausreißer möchte das seinige seyn, es war aber unmöglich, die Sache vor Tagesanbruch auszumitteln. Die ihre Pferde angebunden, waren ruhiger; aber Pferde, die angebunden werden und bei Nacht nur geringen Spielraum haben, fallen auf einem langen Marsche leicht vom Fleisch, und manchen Pferden in der Truppe merkte man es schon ziemlich an, wie sehr sie mitgenommen waren.
Nach einer finstern, unruhigen Nacht graute der Morgen hell und klar, und ein prächtiger Sonnenaufgang verwandelte die ganze Landschaft wie durch Zauberei. Die bisherige trostlose Wildniß war jetzt ein lachendes, offenes Land mit hochstämmigen Gehölzen und Gruppen von gigantischen Eichen, die zuweilen ganz einsam standen, als wären sie zur Zier und des Schattens wegen auf reiche Triften gepflanzt, und unsere Pferde, die hin und wieder darunter weideten, gaben dem Ganzen das Ansehen eines großartigen Parks. Nur schwer konnte man sich überzeugen, daß wir uns so tief in der Wildniß, so weit von den Stätten der Menschen befanden. Nur in unserem Lager, mit seinen rohen Zelten aus Häuten und Decken und den blauen zum Laub aufsteigenden Rauchsäulen, sah es wild aus.
Das Erste war, nach unsern Pferden zu sehen. Manche hatten sich etwas verlaufen, indessen wurden alle gefunden, auch dasjenige, dessen Hufschlag in der Nacht uns in solche Unruhe versetzt. Es hatte etwa eine Meile vom Lager Halt gemacht, und man fand es ruhig weidend an einem Bache.
Gegen halb neun Uhr rief das Horn zum Aufbruch. Da wir, je weiter wir kamen, desto mehr zu besorgen hatten, von Indiern beunruhigt zu werden, so wurde unser Zug etwas sorgfältiger geordnet als bisher. Jedem Mann ward seine bestimmte Stelle angewiesen, und keiner durfte ohne besondere Erlaubniß einem Wilde nachgehen. Die Packpferde kamen mitten in den Zug und hintenan ein starker Nachtrab.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien