EIN KRANKES LAGER. — DER MARSCH. — DAS LAHME PFERD. — DER ALTE RYAN UND DIE NACHZÜGLER. — ANZEICHEN EINER VERÄNDERUNG DES WETTERS UND VERÄNDERUNG DER LAUNE.

18.October. –– Wir machten uns zur gewöhnlichen Stunde zum Aufbruch fertig, da ward dem Capitän gemeldet, drei von den Jägern, welche die Masern bekommen hatten, können nicht weiter, und einer werde vermißt. Letzterer war ein alter Gränzmann, der zu Jahren gekommen war, ohne klug zu werden; er war den Abend zuvor auf die Jagd gegangen und hatte sich wahrscheinlich in den Prairien verirrt. Man ließ daher eine Wache von zehn Mann zurück, die der Kranken pflegen und auf den Verirrten warten sollte. Waren erstere in zwei, drei Tagen wieder wohl auf, so sollten sie dem Hauptcorps nachrücken, im andern Fall in die Garnison heimgeführt werden.
Wir sagten dem kranken Lager Lebewohl und wandten uns westwärts, längs der Quellen kleiner Flüsse, welche sämmtlich in tiefen Betten dem Red-Fork zulaufen. Das Land war hoch und gehügelt, der Boden mager und dürr, mit dem Sandstein versetzt, der in diesem Landstrich überall vorkommt, und dünn mit rauhen Eichwäldern bewachsen. Im Laufe des Morgens bekam ich eine harte Lehre, wie sorglich man in der Prairie mit seinem Pferd umgehen muß. Ich war so schwach, auf das meinige etwas stolz zu seyn; es ging besser als die meisten Pferde in der Truppe, und war sehr muthig und feurig. Beim Uebergang über die tiefen Flußbetten kletterte es die steilen Ufer hinan wie eine Katze, und war immer fertig, über schmale Wasser zu setzen. Bald sollte ich erfahren, wie unklug es sey, es solche Stücke machen zu lassen. Als ich über einen kleinen Bach gesetzt, fühlte ich es sogleich unter mir schwanken. Es hinkte noch eine Weile fort, wurde aber bald ganz lahm; es hatte die Schulter verrenkt. Was war jetzt zu thun? Weiter konnte es nicht, und es in der Prairie zu lassen, dazu war es doch zu kostbar. Es blieb nichts übrig, als es zu den Invaliden ins Lager zurückzuschicken und es ihr Loos theilen zu lassen. Aber jetzt ergab sich eine neue Schwierigkeit; niemand zeigte sich willfährig, das Roß zurückzuführen, obgleich ich eine gute Belohnung bot, sey es nun, daß Toni’s Geschichten von den Pawnees jedermann vor lauernden Feinden und drohenden Gefahren bange gemacht, oder daß sie fürchteten, die Spur zu verlieren und sich zu verirren. Endlich traten zwei junge Leute vor und erboten sich, zusammen zu gehen, damit, sollten sie in der Prairie von der Nacht überfallen werden, der eine wachen könnte, während der andere schliefe. Das Roß ward ihnen anvertraut, und ich sah ihm trübselig nach, wie es davon hinkte, denn mir war, als wäre mit ihm alle Kraft, alle Elasticität von mir genommen.
Ich sah mich nach einem andern Pferd um und warf meine Augen auf den hübschen Schimmel, den ich in der Agentschaft Toni überantwortet. Kaum aber ließ ich ein Wort davon fallen, daß er absitzen und sich an den überzähligen Klepper machen solle, so brach der kleine Kerl lärmend in Vorstellungen und Klagen aus, und der Eifer denselben Luft zu machen, drückte ihm fast das Herz ab. Ich sah wohl, ihm sein Pferd nehmen, hieß, ihn moralisch völlig niederschlagen und seiner Eitelkeit den Todesstoß versetzen. So grausam konnte ich nicht seyn, und so ließ ich ihm seinen hübschen Schimmel und legte meinen eigenen Sattel dem verdorbenen Klepper auf.
Jetzt fühlte ich recht, wie völlig die Lage eines Reiters in der Prairie sich verändern kann, und wie ganz die geistige Stimmung des Mannes von seinem Pferd abhängt. Bisher konnte ich nach Gefallen kleine Streifzüge aus der Linie unternehmen, konnte einem Gegenstande, der mich anzog nachsetzen, jetzt war ich auf Kraft und Muth des schlechten Thiers, das ich ritt, reducirt, und mußte geduldig, gemach hinter meinem Vormann einhertrotten. Vornehmlich aber sah ich jetzt ein, wie unklug es ist, auf Reisen der Art, wo das Leben des Reiters von der Kraft, Schnelligkeit und Gesundheit seines Pferdes abhängen kann, dem edlen Thier irgend eine unnöthige Kraftäußerung zuzumuthen.
Ich habe bemerkt, daß der vorsichtige, erfahrne Jäger und Reisende in den Prairien auf dem Marsche sein Pferd immer schont, und es, Nothfälle abgerechnet, nie aus dem Schritt bringt. Selten sind die regelmäßigen Tagmärsche der Gränzmänner und Indier, wenn es weit geht, stärker als sechzehn Meilen, und oft nur zehn bis zwölf, und niemals wird dabei unnöthig gallopirt oder curbettirt. In unserer Truppe aber befanden sich viele junge, unerfahrene Leute, für die es der größte Jubel war, sich in einem so wildreichen Landstriche zu befinden. Es war durchaus unmöglich, sie im ruhigen Schritt oder in der Linie zu halten. Wenn wir durch das Dickicht und über Schluchten unsern Weg suchten, und die Rehe aufgingen und rechts und links hinausfuhren, so pfiffen ihnen die Büchsenkugeln nach, und unsere jungen Nimrods sprengten davon. Einmal jagten ihrer eine Menge hinaus, einem Rudel Bären nach, wie es hieß, machten aber bald Halt, da sie inne wurden, daß es schwarze Wölfe waren, die in Gesellschaft jagten.
Nach einem Marsche von etwa zwölf Meilen lagerten wir etwas nach Mittag am Ufer eines Baches, der langsam in einem sehr tiefen Bette floß. Im Laufe des Nachmittags erschien der Nestor des Lagers, der alte Ryan, mit seinem kleinen Trupp von Nachzüglern. Er ward mit Jubel begrüßt, ein Beweis, in welcher Achtung er bei seinen Cameraden stand. Sie brachten eine Menge Wildpret mit, und einen hübschen Ziemer legte der Alte am Feuer des Capitäns als Geschenk nieder.
Noch früh am Nachmittag gingen unsere Leute, Beatte und Toni, auf die Jagd; gegen Abend kam Ersterer mit einem hübschen Bock auf dem Pferde zurück. Wie gewöhnlich, legte er ihn schweigend nieder und machte sich daran, sein Pferd abzusatteln, um es laufen zu lassen. Toni kam ohne Wildpret, aber desto mehr wußte er zu renommiren; er hatte mehrere Capitalschüsse gethan, aber leider des angeschossenen Wilds nie habhaft werden können. Im Lager war Fleisch vollauf, denn, außer anderm Wilde, waren auch drei Elenthiere geschossen worden. Die vorsichtigen alten Jäger waren alle beschäftigt, Fleisch auf magere Zeiten zuzubereiten; die minder Erfahrnen schwelgten im gegenwärtigen Ueberfluß und dachten, morgen sey wieder ein Tag.
Am folgenden Morgen (19.October) tauschte ich ein kräftiges, munteres Pferd gegen meinen Klepper und eine ziemliche Summe Gelds. Ich war höchlich vergnügt, da ich mich wieder erträglich beritten sah. Ich merkte indessen, daß man gar leicht nach Gefallen unter der Truppe hätte auslesen können, denn all die Jäger hatten den im ganzen Westen allgemeinen Hang zum Tauschen, oder, wie wir es nennen, Handeln. Da war wohl schwerlich ein Pferd, eine Büchse, ein Pulverhorn, eine Decke, die nicht während unserer Expedition mehr als Einmal den Herrn gewechselt hätten, und ein pfiffiger Händler rühmte sich, mittelst mannichfachen Handelns, ein schlechtes Pferd mit einem guten vertauscht und noch hundert Dollars in den Beutel gesteckt zu haben.
Der Morgen war trüb und schwül, und es donnerte in der Ferne. Der Wechsel der Witterung äußerte seinen Einfluß auf die Stimmung der Leute. Im Lager ging es ungewöhnlich nüchtern und ruhig zu; kein Hühnerhof-Concert mit Krähen und Gackern, wie sonst gewöhnlich bei Tagesanbruch, keine lärmende Fröhlichkeit, keine lauten Späße und Witze, wie sonst, während man sich beim Aufpacken umtummelte. Dann und wann trillerte einer ein Stück von einem Liede, dort lachten ein Paar, aber nicht von Herzen, oder einer pfiff vor sich hin, im Ganzen aber ging jeder still, verdrießlich an die Geschäfte im Lager und die Vorbereitungen zum Aufbruch.

Als es zum Satteln und Aufsitzen kam, meldete man fünf Pferde als vermißt, obgleich ziemlich weit ums Lager her das ganze Dickicht durchsucht worden war. Mehrere Jäger wurden beordert in der Umgegend zu streifen. Allermittelst donnerte es fortwährend, und wir bekamen einen vorübergehenden Regenschauer. Auf die Pferde wirkte der Wechsel der Witterung wie auf die Reiter. Sie standen im Lager herum, manche gesattelt und gezäumt, andere frei, alle aber schlaff mit halbgeschlossenen Augen und hängendem Kopfe, den einen Hinterfuß heraufgezogen und auf die Hufspitze gestellt; sobald es regnete fing ihre ganze Haut an zu rauchen und stieß ganze Dampfwolken aus. Die Leute, verdrießlich umherstehend, warteten ihrer Cameraden, die nach den Pferden gegangen, und sahen hin und wieder ängstlich nach den aufziehenden Wolken, die mit baldigem Ungewitter drohten. Trübes Wetter macht trübe Gedanken; einige äußerten die Besorgniß, Indier, die uns ausgewittert, möchten in der Nacht die Pferde gestohlen haben. Die Mehrheit aber fürchtete, sie könnten zu unserm letzten Lagerplatz umgekehrt, oder sich gar in gerader Richtung nach Fort Gibson aufgemacht haben. In dieser Beziehung soll das Pferd einen ähnlichen Instinct haben wie die Taube. Sie machen den schnurgeraden Weg nach Hause, durch Striche der Wildniß, die sie zuvor nie betreten.
Nachdem wir bis ziemlich hoch am Vormittag gewartet, wurde ein Lieutenant mit einer Wache beordert, die Rückkehr der Jäger abzuwarten, und wir brachen zu unserm Tagmarsch auf, ziemlich geschmolzen an Zahl, wobei, glaube ich, unserm kleinen Hector Toni nicht wohl zu Muthe war, denn er gab zu verstehen, im Fall eines Rencontres mit den Pawnee’s dürften wir zu schwach seyn.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien