LAGER-UNTERHALTUNGEN. — BERATHUNGEN. — DES JÄGERS SCHMAUS. — ABENDSZENEN. — LAGER-GESANG. — DAS SCHICKSAL EINER MUSIKLIEBENDEN EULE.

Bei unserer Rückkehr fanden wir das Lager aufs ergötzlichste aufgeregt. Einige Jäger schossen nach dem Ziele, andere haschten sich oder rangen miteinander. Es waren meist junge, gesunde, kräftige Leute, die zum erstenmal einen solchen Zug mitmachten, voll Lebenslust; und ich wüßte nichts, was das jugendliche Blut in ersprießlichere Wallung bringen könnte, als solch ein wildes Waldleben, ein Zug durch eine prachtvolle Wildniß, wo es Wildpret und Abenteuer in Menge gibt. Wir senden unsere Jugend außer Land nach Europa, wo sie weichlich wird und weiblich. Ich sollte meinen, ein Streifzug durch die Prairien wäre das wahre Mittel ihr zu der Mannhaftigkeit, Einfalt und Unabhängigkeit zu verhelfen, welche in besserem Einklang mit unseren Staatseinrichtungen stehen.
Während die junge Mannschaft sich so lärmend belustigte, saßen oder lagen die ersten Personen, der Capitän, der Doctor und andere Weise und Propheten des Lagers, im Gras um eine Gränzkarte her und pflogen Rath über unsere jeweilige Lage und den einzuschlagenden Weg. Unser Plan war, über den Arkansas zu setzen, gerade über seinem Zusammenflusse mit dem Red-Fork, sodann uns westwärts zu halten, bis wir durch einen breiten Gürtel von Hochwald waren, der Croß-Timber genannt, der so ziemlich von Süd nach Nord zwischen dem Arkansas und Red-River streicht, worauf wir südwärts gegen den letztern Strom einbiegen wollten. Unser Mestize, Beatte, ward als ein erfahrner indischer Jäger in den Rath berufen. „Habt Ihr schon dorthinzu gejagt?“ fragte ihn der Capitän. — „Ja,“ war seine lakonische Antwort — „So könnt ihr uns vielleicht sagen, wohinzu der Red-Fork liegt?“ — „Geht man hier fort, so kommt man am Rande der Prairie zu einem kahlen Hügel, mit einem Steinhaufen darauf.“ — „Den Hügel kenn’ ich von der Jagd her,“ sagte der Capitän, — „Wohl; diese Steine haben die Osagen als Landmarke aufgerichtet; von dort sieht man den Red-Fork.“ — „Gut, rief der Capitän, so kommen wir morgen an den Red-Fork, gehen oberhalb desselben über den Arkansas ins Land der Pawnees hinüber, und in zwei Tagen nagen wir Büffelknochen.“
Bei dem Gedanken, das abenteuerliche Jagdgebiet der Pawnees zu betreten und Büffeln auf die Fährte zukommen, funkelte jedes Auge. Der laute Knall einer Büchse nicht weit vom Lager unterbrach unser Gespräch. „Das ist des alten Ryans Büchse!“ rief der Capitän; „was gilt’s? der hat einen Bock!“ Und er irrte sich nicht; denn nicht lange, so erschien der Alte und rief einen jungen Jäger, daß er ihm das Wildpret ins Lager schaffen helfe. Die Gegend war wirklich überaus reich an Wild; somit hatte man Proviant vollauf im Lager, und da nicht weniger als zwanzig Honigbäume gefällt worden waren, so schwamm alles im Ueberfluß. Sorglos verschwenderisch, wie Jäger sind, schmauste man an Einem fort, und nicht leicht dachte einer daran, Mundvorrath für den folgenden Tag zurückzulegen. Gekocht wurde auf Waidmanns Manier: das Fleisch ward an kleine Spieße von Kornelkirschenholz gesteckt und am Feuer geröstet, wobei es all seinen Saft behielt und den Gaumen des ausgelerntesten Feinschmeckers gekitzelt haben müßte. Nicht so einladend war unser Brod: es war nicht viel mehr als ein Teig aus Wasser und Mehl, der in Fett gebacken wurde; manche gingen bei der Bereitung noch roher ans Werk, klebten den Teig an Stöcke und rösteten ihn am Feuer. Beiderlei Sorten fand ich indessen in der Prairie ausnehmend wohlschmeckend; den wahren Genuß beim Essen kennt Keiner, der nicht Waidmanns Appetit hat.
Vor Sonnenuntergang rief uns der kleine Toni zu einem leckern Mahle. Vor den Feuern waren Decken auf dem Boden ausgebreitet, auf denen wir uns sofort niederließen. Eine mächtige Schüssel aus Ahornwurzel, die wir im indischen Dorfe gekauft, ward vor uns aufgestellt, und der Inhalt eines Feldkessels, bestehend aus einem Ragout von wildem Truthahn mit Speck und Klösen von Brodteig, darin angerichtet. Daneben ward eine andere Schüssel von ähnlichem Stoffe mit einer tüchtigen Ladung gerösteten Brodes aufgepflanzt. Nachdem wir mit dem Ragout fertig waren, wurden die Rippen eines fetten Rehbocks, die an zwei hölzernen Spießen am Feuer brieten, vom kleinen Toni mit triumphirendem Blicke vor uns in den Boden gesteckt. Da wir keine Teller hatten, so ward auf Waidmanns Art zugelangt, das heißt Streifen mit den Jagdmessern abgeschnitten und in Pfeffer und Salz getaucht. Toni’s Kocherei und der herrlichen Würze der Prairie muß ich zum Ruhme nachsagen, nie habe ich köstlicheres Wildpret gegessen. Unser Getränk dazu war Kaffee, den wir im Feldkessel kochten, mit braunem Zucker versüßten und aus zinnernen Bechern tranken. In dieser Manier ward auf dem ganzen Zuge geschmaust, wenn Proviant genug vorhanden war, und so lange Mehl, Zucker und Kaffee vorhielten.
Als das Zwielicht der Nacht Platz machte, wurden die Posten rings um das Lager ausgestellt, eine durchaus nothwendige Vorsicht in einem Landstriche, wo Indier hausen. Das Lager bot nun einen äußerst malerischen Anblick. Hier und dort flackerten und schimmerten die Wachfeuer durch das Dickicht, mannichfache Gruppen von Jägern darum her: manche saßen oder lagen am Boden, andere standen im rothen Scheine der Flammen, oder ihre Gestalten hoben sich dunkel davon ab. An manchen Feuern ging es sehr laut und lustig zu, schallendes Gelächter, vernehmliche, eben nicht feine Späße und unbändiges Geschrei; denn das Corps war sichtbar eine rohe, undisciplinirte Bande, unter den wilden Burschen auf der Gränze ausgehoben, die sich zum Theil aus Lust am herumziehenden, abenteuerlichen Leben, zum Theil in der Absicht, das Land kennen zu lernen, hatten anwerben lassen. Viele waren Nachbarskinder ihrer Officiere, und gewohnt, sie als Ihresgleichen, als Cameraden zu betrachten. Von der Zucht und dem Anstande, wie sie in einem Lager herrschen sollen, hatte Keiner einen Begriff, Keiner suchte eine Ehre darin, sich durch gute Haltung in einem Dienst auszuzeichnen, in dem er nicht zu verharren gedachte.
Während am einen Feuer solch lärmende Fröhlichkeit herrschte, ließ sich auf Einmal an einem andern eine näselnde Melodie hören, welche ein Chor von „Vocalisten“ in höchst trübseligem Psalmton anstimmte. Den Vorsinger machte ein Lieutenant, ein langer, magerer Mann, der, wie wir hörten, in einem Dorf aus der Gränze als Schulmeister, Singlehrer, gelegentlich auch als methodistischer Prediger functionirt hatte. Feierlich, melancholisch tönte der Gesang durch die Nachtluft und brachte mir die Beschreibungen ähnlicher Gesänge in den Lagern der Covenanter ins Gedächtniß, und wirklich, das seltsame Gemengsel von Gesichtern, Figuren und wunderlichen Kleidungen in unserer Truppe müßte den Fahnen Preise-Gott Barebone’s keine Schande gemacht haben. In einer Pause des genäselten Psalms erhob eine dilettantische Eule gleichsam wetteifernd ihr schreckliches Geheul. Sogleich erscholl das ganze Lager von dem Geschrei: „Charley’s Eule! Charley’s Eule!“ Es kam heraus, der unheimliche Vogel habe allnächtlich das Lager heimgesucht, und eine Schildwache, ein einfältiger Bursche, Namens Charley, darauf Feuer gegeben; zur Rede gestellt, warum er auf dem Posten geschossen, war seine Ausrede gewesen, er habe gehört, Eulen geben delicate Suppen. Einer der Jäger machte das Geschrei des Vogels der Weisheit nach, und dieser war, im Widerspruche mit seinem Prädicate, einfältig genug, herbeizufliegen und sich auf dem dürren Ast eines von unserm Feuer beleuchteten Baumes niederzulassen. Sogleich griff der junge Graf zu seiner Vogelflinte, zielte, und im Moment flatterte der arme, Unglück weissagende Vogel zur Erde. Charley ward jetzt aufgefordert, sich seine Eulensuppe anzurichten und zu verzehren; er wollte aber nicht, weil er den Vogel nicht geschossen.
Im Laufe des Abends machte ich einen Besuch bei des Capitäns Feuer. Es bestand aus mächtigen Baumstämmen, groß genug, einen ganzen Büffel zu braten. Hier waren mehrere der vornehmsten Jäger und Offiziere des Lagers; man stand, saß, lag auf Häuten oder Decken ums Feuer und erzählte alte Gränzhistorien von Jagd und Indianerkrieg.
Tiefer in der Nacht gewahrten wir über den Bäumen gegen Abend einen rothen Schein am Himmel. „Da müssen die Osagen eine Prairie angesteckt haben,“ sagte der Capitän. — „Das ist am Red-Fork, sprach Beatte, den Himmel betrachtend; man meint, es sey nur drei Meilen weit, ist ihrer wohl zwanzig.“ —
Nach eilf Uhr rückte ein freundlicher blasser Schimmer, der Vorläufer des aufziehenden Mondes, immer weiter am östlichen Himmel herauf. Ich verließ jetzt des Capitäns Quartier und rüstete mich zur Nachtruhe. Ich hatte beschlossen, das Zelt aufzugeben und hinfort gleich den Jägern zu bivouakiren. Eine Bärenhaut unter einem Baum war mein Lager, und ein paar Satteltaschen mein Kissen. Ich hüllte mich in meine Decken, streckte mich nieder auf dieses Waidmannslager und fiel bald in süßen, gesunden Schlaf, aus dem mich erst bei Tages Anbruch das Jagdhorn weckte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien