EINE BIENENJAGD.

In dem hübschen Forste, wo unser Lager aufgeschlagen war, gab es eine Menge Honigbäume, das heißt Bäume, in deren abgestorbenen Stämmen wilde Bienen sich angebaut. Es ist höchst auffallend, in welch zahllosen Schwärmen sich die Bienen seit noch gar nicht langer Zeit mit über den Westen verbreitet haben. Die Indier sehen die Bienen für den Vorboten der Weißen an, wie der Büffel für den Vorboten der Rothen gilt, und sie sagen, je weiter die Bienen vorrücken, desto mehr ziehen Indier und Büffel sich zurück. In unserer Vorstellung verknüpft sich immer der summende Bienenschwarm mit der ländlichen Behausung und dem Blumengarten, und wir denken uns diese fleißigen Thierchen nur an vom Menschen viel betretenen Stellen; man versicherte mich auch, man treffe die wilde Biene nirgends sehr weit von der Gränze. Sie waren die Herolde der Cultur, stets vor ihr her auf ihrer Wanderung von den Ufern des atlantischen Meeres, und manche alte Ansiedler im Westen wollen das Jahr anzugeben wissen, wo die Honigbiene zum erstenmal über den Missisippi ging. Zu ihrer nicht geringen Verwunderung fanden die Indier auf Einmal die faulenden Bäume ihrer Wälder mit süßer Ambrosia gefüllt, und wie man mir erzählte, geht nichts über das Entzücken, womit sie zum erstenmal von dieser ihnen umsonst gebotenen köstlichen Frucht der Wildniß schmausten.
Jetzt schwärmt die Honigbiene zu Myriaden in den herrlichen Büschen und Forsten, welche die Prairien einsäumen und durchschneiden, und das angeschwemmte Land längs der Ströme bedecken. Auf diese schönen Länder paßt, wie mir dünkt, ganz die Beschreibung vom Lande der Verheißung: „ein Land, wo Milch und Honig fleußt:“ die reiche Weide der Prairien kann Viehherden nähren, zahllos wie der Sand am Meere, und ihr Blumenflor wird zu einem wahren Paradiese für die Nektar suchende Biene.
Wir waren noch nicht lange im Lager, da zog ein Trupp aus, einen Honigbaum zu suchen; ich war begierig, diese Jagd mit anzusehen, und folgte daher bereitwillig der Aufforderung, mich anzuschließen. An unserer Spitze befand sich ein alter Bienenjäger, ein langer, magerer Bursche in grober Kleidung, die ihm lose um den Leib hing, mit einem Strohhut, fast wie ein Bienenkorb gestaltet; ein Camerad, in gleich wunderlichem Aufzug und bloßem Kopfe, schritt hinter ihm her, eine lange Büchse auf der Schulter. Ein halb Duzend andere waren theils mit Aexten, theils mit Büchsen bewaffnet; denn keiner entfernt sich weit vom Lager ohne Feuergewehr, um gegen wilde Thiere und wilde Indier gerüstet zu seyn.
Nach einer Weile kamen wir auf eine offene Stelle am Saume des Waldes. Hier machte unser Führer Halt und ging dann langsam auf einen niedrigen Strauch zu, in dessen Gipfel ich ein Stück einer Honigscheibe gewahrte; dieß war der Köder für die wilden Bienen. Mehrere summten darum her und schlüpften in die Zellen. Hatten sie sich mit Honig beladen, so schwangen sie sich in die Luft und schossen in gerader Linie, so schnell fast wie die Kugel aus dem Rohr, dahin. Die Jäger beobachteten genau, welchen Strich sie nahmen und brachen nun in derselben Richtung auf, über verschlungene Wurzeln und gefallene Bäume weg, die Augen beständig gen Himmel gerichtet. So verfolgten sie die mit Honig beladenen Bienen bis zu ihrem Stock im hohlen Stamm einer absterbenden Eiche, wo sie eine Weile umhersummten und dann in ein Loch, etwa sechzig Fuß über dem Boden schlüpften. Zwei der Bienenjäger legten nun kräftig ihre Aexte an den Fuß des Baums, ihn zu fällen. Die bloßen Zuschauer und Liebhaber zogen sich indessen auf gehörige Entfernung zurück, außerhalb des Bereichs des Baums, wenn er fiele, und der Rache seiner Bewohner. Die lauten Schläge der Axt schienen die emsige Gemeinde durchaus nicht zu beunruhigen. Fortwährend eilten sie hinaus, ihrem gewohnten Geschäfte nach; die einen kamen mit voller Ladung zum Hafen, andere zogen zu neuen Geschäften aus, gleich Handelsleuten in einer gewerbsamen Stadt, ohne Ahnung des drohenden Bankerotts und Sturzes. Sogar ein lautes Krachen, das verkündete, daß der Stamm geborsten war, vermochte sie nicht zu stören in der emsigen Verfolgung ihres Erwerbs. Endlich stürzte der Baum mit furchtbarem Geprassel, schlitzte von unten bis oben auf, und all die aufgehäuften Schätze des kleinen Gemeinwesens lagen offen zu Tage. Sogleich lief einer der Jäger mit einem brennenden Heuwisch, als Schutzmittel gegen die Bienen, hinzu; diese griffen aber nicht an und dachten an keine Rache: es war, als ob die Katastrophe sie ganz betäubt hätte und sie die Ursache nicht ahneten; ohne uns im Geringsten zu belästigen, krochen sie summend unter den Trümmern herum. Jetzt griff alles mit Löffeln und Jagdmessern zu und schnitt die Honigwaben aus, mit denen der hohle Stamm gefüllt war. Manche waren alt und dunkelbraun, andere schön weiß und der Honig darin fast ganz flüssig. Die ganzen Scheiben wurden in Feldkessel gelegt, um sie ins Lager zu befördern; die beim Sturz in Stücke gegangen, verzehrte man auf der Stelle. Da hatte jeder Bienenjäger ein prächtiges Stück in der Hand, daß ihm der Honig über die Finger lief, und ward so schnell damit fertig, als der Schulbube am Sonntag mit seiner Rahmtorte.
Und die Bienenjäger waren es nicht allein, die sich den Sturz der fleißigen Gemeinde zu Nutzen machten. Als sollte die Aehnlichkeit ihres Treibens mit dem emsiger, speculativer Menschen ganz durchgeführt werden, sah man eine Menge Bienen aus andern Stöcken raschen Flugs herbeikommen, um aus dem Unglück ihrer Nachbarn Nutzen zu ziehen. Sie tummelten sich so lustig und emsig, wie Bracker um einen Ostindienfahrer, der an die Küste getrieben worden ist, schlüpften in die Zellen der zerbrochenen Honigscheiben, fielen gierig über die Beute her und flogen dann mit voller Ladung nach Hause. Den armen Eigenthümern der Trümmer aber schien alles verleidet, selbst den Nektar, der ringsum floß, ließen sie unberührt und krochen in dumpfer Verzweiflung hin und her, wie ich einmal einen armen Kerl, betäubt und gedankenlos, die Hände in den Hosentaschen, um die Trümmer seines niedergebrannten Hauses habe herschlendern und dazu pfeifen sehen.
Unbeschreiblich war die Verwirrung der Bienen aus dem bankrotten Stocke, welche zur Zeit der Katastrophe ausgewesen waren und jetzt nach und nach mit voller Ladung heimkamen. Anfangs schwirrten sie an der Stelle, wo der Baum einst seine Krone entfaltet, auf und ab, erstaunt, nichts mehr zu finden. Endlich, als wäre ihnen jetzt ihr Unglück klar, hingen sie sich in Schwärmen an den dürren Ast eines benachbarten Baumes; es war, als betrachteten sie von hier die Trümmer am Boden, und ihr Gesumme klang wie ein Klaglied über den Sturz ihres Gemeinwesens.
Wir brachen auf und ließen eine Menge Honig in der Höhlung des Baums zurück. „Das Geschmeiß wird schon damit fertig werden,“ sagte einer der Jäger. — „Was für Geschmeiß?“ fragte ich. — Nun „Bären, Füchse, Rocoons, Opossums. Kein Thier in der Welt versteht sich besser darauf, einen Honigbaum auszuwittern, als der Bär. Tage lang nagt er am Stamme, bis er ein Loch zu Stande gebracht, daß er mit der Tatze hinein kann, und dann holt er den ganzen Plunder heraus, Honig und Bienen.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien