NACHRICHTEN VON DEN JÄGERN. — DER GRAF UND SEIN INDIANI-SCHER KNAPPE. — HALT IN DEN WÄLDERN. — WALDSCENE. — OSAGE-DORF. — OSAGEBESUCHE IN UNSERM ABENDLAGER.

Morgens in der Frühe (12.October) langten die zwei Creeks, welche der Commandant von Fort Gibson ausgesandt, um das Jägerdetaschement halten zu heißen, auf der Rückkehr in unserem Lager an. Bei ihrem Abgange hatte die Compagnie etwa fünfzig Meilen von hier auf einem hübschen Fleck am Arkansas, wo es Wildpret in Menge gab, ein Lager bezogen, woselbst sie unsere Ankunft erwarten wollten. Diese Nachricht brachte reges Leben in unsere Gesellschaft, und mit Sonnenaufgang brachen wir mit frischen Lebensgeistern auf. Eben als wir aufsaßen, wollte der junge Osage seinem wilden Pferd eine Decke auflegen. Das empfindliche Thier scheute, bäumte sich und ging rückwärts. Die Stellung des wilden Pferdes und des fast nackten Wilden hätte gute Studien für den Maler oder Bildhauer abgegeben.
Oft unterhielt es mich auf dem Marsch, den jungen Grafen und seinen neu geworbenen Begleiter zu betrachten, wenn sie vor mir herritten. Nie paßten ein preux chevalier und sein Knappe besser zusammen. Der Graf war gut beritten, und ein kühner, zierlicher Reiter. Gar gern ließ er auch sein Pferd courbettiren und machte dem sprudelnden Jugendfeuer Luft. Seine Kleidung war ein schöner Jagdrock von Hirschleder, der ihm sehr gut stand, schön purpurroth gefärbt und mit bunter Seide phantastisch aufgeputzt, als hätte ihn eine indische Schöne für einen Anführer gefertigt. Er trug ferner lederne Beinkleider und Mokassins, eine bequeme Mütze, und ein Doppelgewehr an einem Bandelier quer über den Rücken; er machte wirklich eine ganz malerische Figur, wenn er zierlich sein feuriges Roß führte. Der junge Osage ritt dicht hinter ihm auf seinem wilden, schön getigerten, mit rothen Haarbüscheln geputzten Pferde, den fein gebildeten Kopf und die Brust nackt, die Decke um die Lenden gewunden, in einer Hand die Büchse, in der andern den Zügel, als wäre er bereit, auf den ersten Wink mit seinem jungen Herrn zu einem wagehalsigen Ritt oder Fang aufzubrechen.
Nachdem wir eine Strecke geritten, setzten wir über einen schmalen, tiefen Fluß, auf einer festen Brücke, den Resten eines alten Biberdammes. Die fleißige Gemeinde, die ihn angelegt, war ganz ausgerottet. Ueber uns verkündete ein Flug wilder Gänse, die hoch in der Luft laut schnatternd dahinzogen, die späte Jahreszeit. Gegen halb eilf Uhr machten wir Halt in einem Holze, wo es wilde Reben im Ueberfluß gab. Hier ließen wir die Rosse frei weiden; Feuer wurde angemacht, Wasser aus einer Quelle in der Nähe herbeigeschafft, und in kurzer Frist war unser kleiner Franzose Toni mit einem Humpen Kaffee zu unserer Erquickung fertig. Während wir ihn genossen, kam ein alter Osage zu uns, der zu der kleinen Jagdpartie gehörte, die vor kurzem dieses Wegs gezogen. Er suchte sein Pferd, das sich verlaufen hatte oder gestohlen worden war. Unser Beatte machte ein böses Gesicht, als er von indischen Jägern in diesem Striche hörte; „so lange wir diese Jäger nicht im Rücken haben, äußerte er, sehen wir keine Büffel. Sie scheuchen alles weg wie eine brennende Prairie.“
Als das Frühmahl eingenommen war, unterhielt sich jeder auf seine Weise. Einige schossen mit den Büchsen nach dem Ziele, andere schliefen, halb begraben im tiefen Laubbette, den Kopf auf den Sattel gelegt; noch andere schwatzten unter dem Baum am Feuer, das blaue Rauchwolken in die Blätterkrone hinaufsandte. Die Rosse ließen sich die wilden Reben trefflich behagen, und manche legten sich nieder und wälzten sich darin. Wir lagerten im Schatten hoher Bäume mit geraden glatten Stämmen, gleich stattlichen Säulen, und die Sonnenblicke durch das durchscheinende, mit den mannichfachen herbstlichen Tinten gefärbte Laub erinnerten mich lebhaft an den Effect des Sonnenlichts an den gemalten Scheiben und dichtgedrängten Säulen einer gothischen Kathedrale. Ja, so großartig und feierlich sind manche große Forste in unserem Westen, daß sie dieselbe Stimmung in mir hervorrufen, wie jene gewaltigen, ehrwürdigen Gebäude, und das Brausen des Windes gilt dort statt der tiefen Orgeltöne.
Um Mittag blies das Horn zum Aufsitzen, und wir brachen auf, in der Hoffnung, das Lager der Jäger noch vor Nacht zu erreichen, da der alte Osage uns versichert, es sey nicht über zehn bis zwölf Meilen dahin. Auf dem Wege durch einen Wald kamen wir bei einem einsamen Teiche vorbei, der mit den schönsten Wasserlilien, die ich je gesehen, bedeckt war, zwischen denen hin und wieder eine Waldente schwamm, einer der schönsten Wasservögel durch herrliche Zeichnung und Glanz des Gefieders. Nicht lange, so gelangten wir an den Arkansas hinab, an eine Stelle, wo man aus den Spuren zahlreicher Pferde, alle dem Wasser zugekehrt, ersah, daß hier ein Trupp Osagejäger auf dem Zuge zur Büffeljagd kürzlich übergesetzt hatte. Nachdem wir unsere Pferde im Flusse hatten saufen lassen, zogen wir eine Weile am Ufer hin und dann über Prairien, wo wir in der Ferne Rauch gewahrten, wie wir hofften, vom Lager der Jäger. Der Spur folgend, die wir für die ihrige hielten, gelangten wir auf eine Wiese, wo ein Trupp Pferde weidete. Es waren indessen nicht die Pferde unserer Leute. Etwas weiterhin kamen wir in ein verstreutes Osagedorf am Arkansas. Unsere Ankunft erregte gewaltiges Aufsehen; ein Häuflein alter Männer erschien, die uns allen nacheinander die Hände schüttelten, während Weiber und Kinder sich in Gruppen zusammensteckten, uns anstarrten und zusammen schnatterten und lachten. Wir erfuhren, die ganze junge Mannschaft des Dorfs sey auf der Jagd auswärts, und nur Weiber, Kinder und Greise zu Hause.
Der Commissär hielt hier eine Rede zu Pferd, worin er die Zuhörer mit dem Zwecke seiner Sendung, allgemeinen Frieden unter den westlichen Stämmen zu erwirken, bekanntmachte, und sie ermahnte, allen kriegerischen, blutdürstigen Gedanken zu entsagen und die Pawnees nicht muthwillig anzugreifen. Diese Rede, von Beatte gedolmetscht, schien der Menge sehr friedliche Gesinnungen einzuflößen, und sie versprachen feierlich, was sie anlange, so solle von ihrer Seite der Friede nicht gebrochen werden, und Alter und Geschlecht machten es bei ihnen immerhin wahrscheinlich, daß es ihnen Ernst war.
Da wir immer noch hofften, das Lager der Jäger vor Einbruch der Nacht zu erreichen, so zogen wir weiter bis zur Dämmerung, wo wir denn am Rand einer Schlucht Halt machen mußten. Unsere Leute campirten unter Bäumen, während wir unser Zelt auf einer steinigen Anhöhe neben einem fließenden Wasser aufschlugen. Finster brach die Nacht herein, der Himmel war bedeckt, und ziehende Wolken verkündeten Regen. Hell brannten die Feuer der Jäger in der Tiefe, und warfen starke Massen von Licht auf die banditenartigen Gruppen, die sich kochend, essend, trinkend darum bewegten. Was die Scene vollends wild machte, waren mehrere Osagen, die aus dem eben erwähnten Dorfe herübergekommen waren und unter der Mannschaft Platz genommen hatten. Ihrer drei kamen auch zu uns und ließen sich an unserem Feuer nieder. Stillschweigend betrachteten sie alles, was vorging; sie waren anzusehen wie Bronzebilder. Wir gaben ihnen zu essen, und, was ihnen am liebsten war, Kaffee; denn der Hang zu diesem Getränke, der im ganzen Westen sich verbreitet, hat auch die Indier ergriffen. Als sie mit ihrem Mahle fertig waren, streckten sie sich neben einander vor dem Feuer nieder und stimmten einen näselnden Gesang an, wobei sie als Accompagnement sich mit den Händen auf die Brust schlugen. Der Gesang schien aus regelmäßigen Passagen zu bestehen, die sich aber nicht melodisch, sondern rasch abgebrochen mit einem Hah! endigten, das fast klang wie ein Schluchzer. Sie besangen darin, wie uns unser Dolmetscher Beatte versicherte, uns selbst, unsere äußere Erscheinung, die Aufnahme die wir ihnen hätten zu Theil werden lassen, unser Vorhaben, so viel sie davon wüßten. An einer Stelle war vom jungen Grafen die Rede, dessen rasches Wesen und leidenschaftliche Liebe für indische Abenteuer starken Eindruck auf sie gemacht hatte, und es kamen darin muthwillige Anspielungen auf ihn und die jungen indischen Schönen vor, was unsere Blendlinge höchlich ergötzte.
Diese Art von Improvisation findet sich bei allen wilden Stämmen; mit ein paar einfachen Modulationen besingen sie so alle ihre Thaten auf der Jagd und im Kriege, und hin und wieder äußert sich dabei burleske Laune und trockene Satyre, wozu die Indier überhaupt mehr Talent und Neigung haben, als man gewöhnlich meint. Die Indier, welche ich wirklich kennen zu lernen Gelegenheit gehabt, waren ganz andere Menschen, als man sie poetisch schildert. Sie sind durchaus nicht so stoisch, als man sich vorstellt, schweigsam, starr, zu lachen, wie zu weinen unfähig. Schweigsam sind sie allerdings in Gesellschaft von Weißen, deren Absichten ihnen verdächtig sind, deren Sprache sie nicht verstehen; unter solchen Umständen ist auch der Weiße schweigsam. Sind aber die Indier unter sich, so kann man sich kein geschwätzigeres Volk denken. Die halbe Zeit bringen sie mit erzählen von Kriegs- und Jagdabenteuern oder phantastischen Historien zu. Sie sind auch treffliche Mimiker und Hanswürste, und erlustigen sich höchlich auf Kosten der Weißen, mit denen sie zu thun gehabt, und die Wunder meinten, welchen Respect ihre Hoheit und Würde ihnen eingeflößt. Sie sind sehr gute Beobachter, merken sich alles im Stillen, aber mit scharfem, wachsamen Auge, und wechseln hin und wieder einen Blick oder einen halbem Ton, wenn ihnen etwas besonders auffällt, behalten aber alle Anmerkungen für sich, bis sie allein sind; dann aber wird nach Herzenslust kritisirt, gespottet, nachgemacht und gelacht. Während meiner Reise längs der Gränze hatte ich oft Gelegenheit zu beobachten, wie leidenschaftlich und ausgelassen lustig sie bei ihren Spielen sind, und einmal war ich dabei, wie ein Trupp Osagen tief in die Nacht hinein in der lebhaftesten Unterhaltung an einem Feuer saß und zuweilen in ein schallendes Gelächter ausbrach, daß der Wald widerhallte. Was die Thränen anbelangt, so stehen sie ihnen im Ueberfluß zu Gebot, wahre und verstellte, und zu Zeiten suchen sie ein Verdienst darin. Niemand kann beim Tod eines Verwandten oder Freundes mehr und bitterlicher weinen, und zu Zeiten besuchen sie ihre Gräber, um zu jammern und zu wehklagen. So viel ich urtheilen kann, ist der Indier, wie er poetisch aufgefaßt wird, gleich dem Schäfer im alten Roman, eine reine Personification imaginärer Attribute.
Der näselnde Gesang unserer indischen Gäste erstarb allgemach; sie bedeckten sich die Häupter mit ihren Decken und entschliefen fest, und nicht lange, so war alles still, nur einzelne Regentropfen schlugen in unser Zelt.
Morgens frühstückten unsere drei indischen Gäste mit uns; aber der junge Osage, der den Schildknappen des Grafen auf seiner Ritterfahrt in die Prairien hätte abgeben sollen, war nirgends zu finden. Auch sein wildes Pferd ward vermißt, und nach mancherlei Vermuthungen kam man zum Schlusse, er werde wohl in der Nacht sich auf gut Indisch von uns verabschiedet haben. Später erfuhren wir, er sey durch die Osagen, die eben bei uns gewesen, dazu beredet worden; sie hatten ihm vorgestellt, welcher Gefahr er sich bei einem Zug auf dem Jagdgebiete der Pawnees aussetze, wobei er leicht den unversöhnlichen Feinden ihres Stammes in die Hände fallen könne, und, was nicht viel angenehmer war, welche Plackereien er vom launischen und hochfahrenden Wesen der Weißen zu erdulden haben werde; und diese waren, wie ich aus eigener kurzer Erfahrung wußte, allerdings sehr aufgelegt, die armen Indier nicht viel besser zu behandeln als das Vieh. Hatte er doch an sich selbst ein Beispiel davon, da um ein Kleines von jenem blinzelnden Ehrenmann das Gränzgesetz an ihm vollstreckt worden wäre, und zwar für das schwere Verbrechen, daß er ein lediges Pferd gefunden.
Das Verschwinden des jungen Indiers ward von unserer Gesellschaft allgemein bedauert, denn wir hatten ihn wegen seines angenehmen, offenen, mannhaften Aeußern und wegen seines freien, ungezwungenen Anstandes alle sehr lieb gehabt; er war in Wahrheit ein geborner Edelmann. Von niemanden aber ward er mehr bedauert, als vom jungen Grafen, der so auf Einmal um seinen Schildknappen kam. Mir that sein Abgang um seiner selbst willen leid, denn wir hätten ihn auf dem ganzen Zuge gewiß gut gehalten, und er wäre mit Putzwaaren und indischen Decken in Menge nach Hause gekommen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ausflug auf die Prairien