Gerade als ich von Breistölen aufbrach, ging die Sonne auf und ergoß ihre Röte über das Nebelmeer und die Berggipfel, die wie weißrote Zelte aus dem Nebel aufragten. Das Tal, aus dem ich kam, lag ganz unter den Nebelwogen verborgen. Über der Berglandschaft aber spaltete sich der Nebel immermehr und mehr, so daß die Sonne in breiten Streifen durchdrang, während einzelne warmgetönte Nebelfetzen um die Gipfel krochen.Nun galt es, vom Westland Abschied zu nehmen. Nach Osten hatte ich nur das weiße Hochland vor mir. ...

Gerade als ich von Breistölen aufbrach, ging die Sonne auf und ergoß ihre Röte über das Nebelmeer und die Berggipfel, die wie weißrote Zelte aus dem Nebel aufragten. Das Tal, aus dem ich kam, lag ganz unter den Nebelwogen verborgen. Über der Berglandschaft aber spaltete sich der Nebel immermehr und mehr, so daß die Sonne in breiten Streifen durchdrang, während einzelne warmgetönte Nebelfetzen um die Gipfel krochen.

Nun galt es, vom Westland Abschied zu nehmen. Nach Osten hatte ich nur das weiße Hochland vor mir.


Wie ich in dieser Stille dastand, weckte mich auf einmal Lärm in nächster Nähe; donnernd ging in dem Berge hinter mir eine Lawine herab; der Rauch stieg zum Himmel an. Sie erreichte den Grund – das Echo erstarb im Schnee – nur einige feine weiße Schneewolken umschwebten noch die Bergwand.

Ich setzte meinen Marsch fort. Es war richtiges frisches Winterwetter. Die Sonne glitzerte in Tausenden von Eisnadeln. Ringsum erhoben sich die kuppelförmigen Berge in weißer Pracht. Alles lag im Sonnenlicht, alles war glänzend weiß. Nur hier und da zogen schwarze Wolkenbüschel um einzelne Berggipfel, während sich der Himmel darüber hellblau und fleckenlos wölbte.

Ich fuhr über Bergrücken und Gipfel. Es war gerade kein kurzer Weg, aber man konnte auf den Schneeschuhen stehen, und das war ja die Hauptsache.

Um die Mittagszeit erreichte ich Bjöberg. Dort waren zwei Jäger aus dem Lärtal auf der Schneehuhnjagd, und nach dem, was man auf dem Söller des Hauses sah, war kein Mangel an Schneehühnern. Die Männer saßen, als ich ankam, gerade bei Tisch und genossen offenbar das Leben, wie es Jäger zu tun pflegten. Ich wurde sofort herzlich eingeladen, mit ihnen zu speisen; dazu brauchte es keine große Überredung. Das Mahl war freilich nicht zu verachten: frischer Renntierbraten von Fleisch, das seit dem Herbst unter dem Schnee gelegen hatte und so frisch war, als sei das Tier erst gestern erlegt, und dann mehrere andere Gerichte. An Getränken fehlte es auch nicht; es gab Bier, Schnaps, Milch, Rotwein, Sherry. Als wir den Durst gestillt und uns satt gegessen hatten, kamen Kaffee und Zigarren. Und wahrhaftig, da brachte der alte Knut Bjöberg aus dem Keller auch noch Curacao herbei.

Das war eine andere Bewirtung als im vorigen Winter. Damals kam ich auch auf Schneeschuhen mit einem Hund daher. Als ich in die Küche trat, stand dort Bjöberg. Er sah mich von der Seite von oben bis unten an und schielte nach dem Hund.

„Kann ich etwas zu essen bekommen ?“ fragte ich.

„Dort kannst du dir nehmen“, antwortete er und zeigte auf den Tisch, wo eine halbgeleerte Schüssel mit Grütze und etwas saure Milch in einem Topfe stand. Ich sah die Schüssel und sagte langsam:

„Ich bin ja gerade kein Kostverächter, aber wenn es angeht, möchte ich doch am liebsten etwas Fleisch haben.“

Da warf mir Bjöberg einen scharfen Blick zu und fragte:

„Kannst du denn das Essen auch bezahlen ?“

Ich erwiderte: „Freilich will ich bezahlen !“ Und da bekam ich denn etwas gekochtes Fleisch.

Er hielt mich für einen Landstreicher, für deren Beköstigung sie auf diesen Berghöfen vom Staate Bezahlung erhalten. Es konnte ja nicht anders sein, wenn einer in der Winterzeit hier auf Schneeschuhen daherkam, den Rucksack auf dem Rücken und mit so einem Hund ! Aber jetzt hatte der alte Bjöberg-König eine andere Ansicht von mir bekommen. Er wußte gar nicht, was er alles mit mir anstellen sollte.

Ja, es war ein gemütlicher Mittag. Es ist eigentümlich: wenn Jäger zusammenkommen, gibt es nicht viele Umstände; sie sind gleich gute Freunde. Und manche Jagdgeschichte würzte das Mahl.

Die beiden Männer drangen immer mehr in mich, ich möchte dableiben und mit auf die Schneehuhnjagd gehen. Flinte und Patronen sollte ich erhalten, und schöne Hühner gebe es genug. Wahrhaftig, es gehörte weniger dazu, ein Jägerherz in Brand zu setzen. Aber unterwegs begann ich unschlüssig zu werden. War es nicht doch das beste, weiterzuziehen, um zu dem Schneeschuhwettlauf zu kommen, den ich mir nun einmal in den Kopf gesetzt hatte ? Und so leid es mir tat, nahm ich Abschied von diesen gemütlichen Menschen, dankte für all ihre Gastlichkeit und zog weiter übers Gebirge nach dem Hemsetal zu.

Ich hatte mir’s in Bjöberg doch zu bequem gemacht. Es dämmerte schon, die Sterne traten allmählich hervor, und der neue Mond stand im Süden über dem Gebirge. Als ich an dem stillen Abend weiterwanderte, hörte ich von der andern Seite des Tals herüber aus den Weidengebüschen das Gack-gack-gack-gack der Schneehühner. Sie waren wohl dabei, sich für die Nacht eine Unterkunft zu suchen.

So eine Bewirtung mag recht gemütlich sein, aber es fragt sich, ob sie für den gut ist, der weiterwandern soll. Ich habe sonst eine gute Lebensregel: Trink nicht viel und rauche nicht, wenn du einen langen Weg vor dir hast. Heute hatte ich beides getan. Aber ich fühlte es auch wie Blei in den Gliedern.

Es war spät, als ich Tuf im Hemsetal erreichte. Da ich entschlossen war, am selben Abend noch weiterzukommen, um wenn möglich am nächsten Tag Gulsvik zu erreichen, wollte ich hier am liebsten ein Pferd haben.

Die Lampe unter dem Balkendach erleuchtete matt den großen Raum, in den ich trat. Um den Tisch herum saß eine ganze Gesellschaft, meist Pferdehändler, die Karten spielten. Man schlug auf den Tisch, und das Geld klirrte. Ich wurde sogleich eingeladen mitzutun, zog es aber vor, weiterzukommen. Es gab saure Gesichter, daß man so spät noch heraussollte; aber ein Pferd bekam ich. Die Fahrt in dieser sternklaren Nacht war etwas kalt, leicht angezogen und müde wie ich war. Aber ab und zu ein Dauerlauf half darüber hinweg.

Endlich blinkt ein Licht durch den Wald. Wir biegen auf einen Hofplatz ein und sind an der Poststation Kleven. Mitternacht ist schon vorüber. Alle Leute schlafen. Wir donnern gegen Türen und Fenster, erhalten aber keine Antwort. Endlich werden einige Mägde wach. Licht wird angezündet. Aber auch hier ist alles von Pferdehändlern besetzt, die ostwärts auf die Märkte reisen. Nach einigen Unterhandlungen läßt sich doch noch Unterkunft schaffen, und ich erhalte ein Bett und ein Fell.

Am nächsten Morgen gegen neun Uhr ging es wieder auf Schneeschuhen das Hemsetal hinab. Die Berglehnen stiegen zu beiden Seiten gleichmäßig an. Der Fichten- und Kiefernwald stand frisch und schön unter der Last des Schnees. Da und dort lagen oben auf den Hängen Sennhütten in den weißen Almwiesen, und im Talgrund murmelte der Fluß geschützt unter dem Eis. Wie winterstill es war ! Ja, nun bin ich zum norwegischen Winter zurückgekehrt. Das Herz jubelt.

Dort ist ja bereits Rolfshus. Vielleicht ist es möglich, heute noch die siebeneinhalb Meilen bis Gulsvik zurückzulegen. Es ist erst halb elf Uhr; anderthalb Meilen in anderthalb Stunden, das verspricht Gutes. Mit neuem Mut geht es durch das Hallingtal nach Nes.

Hier bekam ich ein kräftiges Mittagessen und hielt eine Stunde Rast, dann ging’s die vier Meilen nach Gulsvik weiter.

Der Schnee fiel in weichen, dichten Flocken. Ich hatte Angst wegen der Bahn. Die Schneeschuhe blieben schon etwas haften, aber es ging vorwärts, und solange kann man ja zufrieden sein.

Spät in der Nacht kam ich endlich müde und durstig nach Gulsvik. Aber nun war ich bald am Ziel: nur noch die vier Meilen über den Krödersee und morgen Mittag mit dem Zug weiter. Dann kann ich am Sonntag ausruhen und mich für den Schneeschuhlauf am Montag etwas üben.

Ein paar Liter gute süße Milch, wie köstlich das schmeckt ! Gibt es wohl etwas Besseres ? Und dann zu Bett gehen und die müden Glieder mit Wohlbehagen in den Wolldecken ausstrecken !

Am nächsten Morgen war wieder klares Wetter. Die Sonne schien, als ich um neun Uhr von Gulsvik aufbrach. Ich dachte an den Ringnesrücken mit seinen lockenden Höhen. Aber die Zeit war zu knapp, um noch den Dreiuhrzug zu erreichen. Deshalb war es am besten über das Eis zu fahren; auf den Schneeschuhen ging es darüber in größter Geschwindigkeit.

Schimmernd weiß lag der Krödersee unter den steilen Birkenhalden.

Und dann oben rundherum die Fichtenhänge und hoch über dem Ganzen der weiße Noreberg. Ja, hier ist es schön, winters und sommers !

In Ringnes war ich gegen zwölf Uhr, und da es von dort noch eine Meile bis Olberg ist, mußte ich mich beeilen. Von neuem ging es weiter, was Glieder und Schneeschuhe nur leisten konnten, und in weniger als einer Stunde war ich in Olberg. Ich hatte noch mehr als zwei Stunden bis zum Abgang des Zugs und nur noch eine Meile zu laufen. Ich konnte bequem einkehren und eine Weile ruhen.

Als ich in der Sofaecke saß, war die Versuchung zu stark. Es war vielleicht doch gut, die letzte Meile zu fahren, und im Pelze des Posthalters, die Schneeschuhe hinter mir, den Hund vor mir, sauste ich im Schlitten in scharfem Trab übers Eis nach dem Bahnhof.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Auf Schneeschuhen übers Gebirge