Methodisten-Versammlungen im Freien. Camp Meetings genannt.

Die Methodisten, in wenig besiedelten Gegenden, halten im Sommer häufig an manchen Orten, wöchentlich Camp Meetings (Religiöse Versammlungen im Freien) ab. Außer der sonderbaren Art der häufig exaltierten Predigten, welche die methodistischen Geistlichen, wie auch die in der Versammlung sich dazu aufgelegt fühlenden Mitglieder halten, geht es bei diesen Versammlungen, welche mitunter eine Woche lang fortgesetzt werden, nach Beendigung des Gottesdienstes sehr lustig, etwa wie einst auf unsern Dorfkirchmessen, zu.

Die Methodisten halten im allgemeinen an den altlutherischen Grundsätzen fest und sind in starkem Wachstum begriffen. Ihre Prediger, denen es meistens nicht an Redner-Talent fehlt, scheinen sich systematisch einer Gebärden-Exaltation zu befleißigen, die zwar besonders den weiblichen Teil der Zuhörer zu vielfachen Tränen, Gesichtsverzerrungen und allen erdenklichen mimischen Bewegungen, mitunter selbst bis zur Ohnmacht hinreißt, die aber eben dadurch alles verliert. Wenn man einen Methodisten-Prediger in seiner Verzweiflungs-Ekstase über die sündige Natur des Menschen, mit weit aus, geholtem Arme die geballte Faust wider seine Brust schlagen sieht und den dumpfen Wiederhall so oft wieder ertönen hört, die Menge der Zuhörer die unvergleichlichsten Fratzen und Bewegungen machen, all das Weinen sieht, kommt es einem unwillkürlich vor, als ob ein trunkener Weinkneiper sich in einem Bergkeller befände, voll Verzweiflung, dass das Fass leer zu werden beginnt, mit der Faust auf den Boden schlage und die neidischen Gnomen ob diesem Treiben jammernd die Gesichter verzögen. Ja, wenn man vollends sieht, wie der Prediger bald mit gebogenem Körper, bald mit weit ausgebreiteten Armen die Hände zusammenklatschend, bald hochaufspringend mit beiden Händen in die Haare fahrend, diese raufend und zerzausend, seine Ekstase zu steigern sucht, dann fällt einem unwillkürlich das Bild des rasenden Roland ein. Es gehört mehr als stoischer Gleichmut, es gehört Gewohnheit oder Verschmitztheit dazu, eine solche Predigt ihrer ganzen Länge nach anzuhören, wenn man nicht aus Überzeugung, Eigennutz oder Konvenienz, Mitglied der Gemeinde ist. Fängt aber erst ein inspiriertes Mitglied, ein Weib oder ein Mann aus der Versammlung an, seinen gestikulierten Vortrag zu halten, so ist es erst recht zum toll werden.


Zu diesen Versammlungen haben Männer, Weiber und Kinder Zutritt. Wo dieselben häufig gehalten werden, findet man mitunter Blockhütten zur Übernachtung der Weiber usw., wie auch zum Bereiten der Speisen resp. Aufheben der Lebensmittel, erbaut. Die Teilnehmer kommen oft auf 30 bis 40 Meilen Entfernung zu diesen Versammlungen. Von der Mehrzahl der Teilnehmer darf man freilich nicht annehmen, dass es religiöser Eifer ist, der fiel dorthin führt, vielmehr sind es die nach gehaltener Predigt beginnenden Fress- und Saufgelage a la Pickenik, die gebotene Unterhaltung und die Gelegenheit, Bekanntschaften zu machen und sich zu zerstreuen, welche solche Versammlungen oft bis zu mehreren Tausend Mitglieder steigen machen.

Die angesehensten und bekanntesten Männer der Umgegend werden dabei als Geldsammler bestimmt. Jeder Fremde hat Zutritt, wird aber auch um einen Beitrag von 1 bis 2 Dollars angegangen, wenn er am Feste, resp. Essen und Trinken Teil nehmen will und nicht etwa als unbemitteltes Glaubensmitglied gekannt ist. Lebensmittel aller Art, Schinken, Wildpret, Branntwein, Zucker, Kaffee, Butter, Mehl usw. werden aus der Nachbarschaft herbeigeschafft. Wer nicht gerade in der Nachbarschaft wohnt, lagert, wenn das Fest länger als einen Tag dauert, im Freien, wenn die Branntweinflasche leer oder der Magen voll geworden ist. In diesem letzteren Zustande befanden sich auch drei angesehene Amerikaner, als sie sich, weil die Nachtluft ihre, vom Branntwein erhitzten Köpfe nicht genug abkühlen und den Schlaf gestatten wollte, damit die Zeit vertrieben, den Reisewagen des Geistlichen, welcher am Nachmittage die Predigt gehalten hatte, mit ihren 20 bis 25 Fuß langen Schlingen in die Krone einer alten, majestätischen Eiche zu erheben und zu befestigen. Mittlerweile war es weit über Mitternacht und legten sich nun die drei Helden nach angestrengter Arbeit zur Ruhe nieder. Als mit Sonnenaufgang manche der Festteilnehmer sich erhoben, um Wasser zum Kaffee- oder Teekochen herbei zu holen, Feuer anzuzünden usw., kam auch der Prediger von seiner Lagerstätte herbei, um aus seinem Wagen etwas zu holen und die zum Nachtlager gebrauchte Decke darin zu legen. Man denke sich die Überraschung, als der fromme Mann seinen Wagen nicht mehr auf seiner Stelle vorfand.

Ein allgemeiner Schrei der Entrüstung aber ertönte von Seiten der bereits zahlreich hinzugekommenen, als man entdeckte, dass, mitten in der Versammlung, Frevler das kühne Stück vollbracht, den Wagen hoch in einer Eiche aufgehängt hatten. Groß war der Unwille, noch größer der Lärm der immer zahlreicher herbeiströmenden Menge. Zum Glücke war der Wagen einer jener außerordentlich leichten 4rädergen Wägelchen, wie sie die Amerikaner zu solchen Zwecken häufig benutzen, woran die Räder wenig über 4 Zoll dick sind, und so gelang es bald den Wagen aus seiner luftigen Sphäre wieder auf festen Boden zu bringen.

Der Friedensrichter befand sich ebenfalls in der Versammlung. Man forschte nach den kühnen Tätern und erging sich vergebens in allerlei Vermutungen. Bald sah man die Pferde der noch fest schlafenden Helden, ohne das am Tage vorher, und wie stets üblich, daran befindliche Seil. Ja, man wollte die Seile, womit der Wagen im Baume befestigt gewesen, sogar als die zu den Pferden gehörigen erkennen. Die sonst stets früh aufwachenden Eigentümer der drei Pferde schliefen, trotz allem Lärm, noch fest. Dies bestärkte den Verdacht, aber es waren auch alle Drei angesehene Männer, in deren Hause der Prediger gar häufig verkehrte, und wo er, wie in seinem eigenen Hause verfügen konnte. Und dennoch, dennoch schrie die Menge, können nur sie die Tat vollführt haben, sie waren gestern Abend berauscht, wir wollen sie wecken! Es ist ohne Zweifel, sie haben's getan und müssen bestraft werden! Gesagt, getan, die drei Männer wurden geweckt, rieben sich verdutzt die Augen und als sie die Menge der Umstehenden mit düsterer Miene und ungewohnter Gebärde recht gewahrten, stieg ihre Verlegenheit; sie wagten kaum und unbestimmt, die Tat in Abrede zu stellen, erkannten die Stricke, womit der Wagen aufgehängt gewesen, als die ihrigen. Sie wurden später vom Gerichte jeder zu 50 Dollars Strafe verurteilt, und hörte ich zwei derselben äußern, dass sie gerne das Doppelte und Dreifache geben würden, wenn damit die Tat ungeschehen zu machen sei. Das war das Werk des Branntweins bei friedliebenden Amerikanern.