Allgemeine Lage der arbeitenden Klasse und der Einwanderer in New-York im Jahre 1854

Autor: Schützendorff, H. J., Erscheinungsjahr: 1857

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutsche Auswanderer, Einwanderer, Amerika, Deutsche, Amerikaner, Neger, Lebensumstände, Sklaven, Südstaaten, Sklaverei,
Nebst Darstellung einiger Verhältnisse, deren näheres Bekanntwerden geeignet sein dürfte, die bis jetzt nur noch zu häufig vorwaltenden Ansichten über amerikanische Zustände oder Vorzüge, der Wahrheit näher zu bringen.

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Die von mir während des Jahres 1854 beobachtete Lage der arbeitenden Klasse wie der Einwanderer in New York war, abgesehen von der ausnahmsweise kritischen Gestaltung der Dinge, durch die in meinen anderweitigen Berichten ausgeführten Ursachen nichts weniger als den geringsten in Europa von den Auswanderern gehegten Erwartungen entsprechend.

Ich bin fest überzeugt, dass nicht ein Achtel der vielen tausend Einwanderer, welche den atlantischen Ozean durchschifften, wie bescheiden auch ihre Wünsche sein mochten, sich nach der Ankunft in New York nur einigermaßen befriedigt fanden. Ja, es ist unzweifelhaft, dass mehr als 7/8 , ihre Lage in Europa, so traurig diese auch oft gewesen sein mag, dennoch mit Tränen oder unter allen erdenklichen Verwünschungen zurücksehnten.

Ich habe während der Teuerung von 1828 und 1829 in Paris arbeitslose Zeiten gesehen. Ich habe damals die französische Regierung, um das Äußerte zu verhüten, zu dem Mittel greifen sehen, tausende von arbeitslosen Ausländern mit Etappengelder zu versehen und in ihre Heimat zu schicken. Aber solche Unmassen von arbeitslosen und umherschleichenden Menschen jeden Alters, jeden Geschlechtes, mit dem Zeichen des Hungers und der äußersten Verzweiflung auf allen Zügen des Gesichtes und in der ganzen Haltung ausgedrückt, wie sie der westliche und südliche Teil New-Yorks im Spätherbste, trotz der rauen Witterung, trotz der allgemeinen Anstrengung zu helfen, darbot, habe ich nie und nirgendwo gesehen.

Gegen Dezember waren etwa 4.000 Tischlergesellen ohne Beschäftigung, wovon Viele schon seit mehreren Monaten außer Verdienst waren. Eine bedeutende Anzahl von Maschinen- und sonstigen Fabriken, die sonst tausende von Arbeitern beschäftigten, waren ganz und gar geschlossen. Das Elend schien den höchsten Gipfel erreicht zu haben und nicht ohne Besorgnis frugen sich selbst Bemittelte: Wie soll das enden? Wer daher als Arbeiter noch irgend, unter welch traurigen Aussichten es immer sein mochte, von New York weg irgendwo unter Dach kommen konnte, schätzte sich glücklich. Im November u. Dezember sah ich wiederholt Verträge abschließen, wo sowohl eingewanderte, wie lange in New York beschäftigt gewesene Handwerker u. Ackersleute, gegen 6 Dollars monatlichen Lohn, zum Arbeiten in Sümpfen Virginiens engagiert wurden, und zwar auf 3 Monate, während welcher sie die Arbeit nicht, ohne Verlust des ganzen Lohnes, verlassen durften. Nach Ablauf von 3 Monaten stand es ihnen frei, die Arbeit zu kündigen. Ebenso sollte im Erkrankungsfalle der Lohn für den laufenden Monat verloren sein, wie auch der Erkrankte etwaige ärztliche Pflege, die übrigens dort, weil unbewohnt, nicht möglich, selbst bezahlen sollte. Dabei ward ihnen indessen die Kost zugesagt mit dem Beding, dass ihnen nicht frisches Fleisch, sondern geräuchertes Schweinefleisch, Fische und gelegentlich Bärenfleisch, welches zu erjagen sei, wie auch nicht grüne Gemüse, sondern Bataten gereicht werden würden und dass sie die Zubereitung der Speisen durch die Frau eines mit zu der Zahl der Engagierten gehörigen, sich bereiten lassen müssten; wogegen diese mit ihren Kindern unentgeldlich mit essen solle. Ebenso ward ihnen freie Wohnung in Blockhütten zugesagt; doch sollten sie das nötige Holz zu den Blockhütten erst im Walde fällen und dann die Hütten bauen. Die zu den Arbeiten in Sumpf und Wasser erforderlichen Stiefel übernahm der Arbeitgeber für die Arbeiter anzuschaffen und ebenso die sonst nötigen Gerätschaften und Kleider, um solche später am verdienten Lohne abzuziehen. Hier nach unterliegt es nicht dem mindesten Zweifel, dass diejenigen Arbeiter, welche das Glück oder Unglück hatten, die 3monatliche Arbeitszeit zu überleben, unmöglich auch nur einen Dollar erübrigen, wohl aber sicherlich dem Unternehmer noch schulden konnten. So empörend Demjenigen, der da weiß, dass solche Leute bei solchen Arbeiten fast dem sicheren Tode entgegen gehen, solche Verträge bei absolut unzureichendem Lohne auch immerhin erscheinen mögen, so schätzten sich die Engagierten dennoch glücklich, sich nicht länger in New-York dem äußersten Elende preisgegeben zu sehen. Die verschiedenen im Sommer 1854 im Kongress zu Washington erhobenen Stimmen, welche die Mehrzahl der Einwanderer als ein Auswurf der Menschheit und als eine Plage für Amerika schildern, wie auch die von dem Bürgermeister der Stadt New York erhobenen desfallsigen Beschwerden, beweisen zur Genüge, wie sehr Diejenigen, welche ohne genügende Mittel die Überfahrt unternommen, auf freundliche Aufnahme und Beihilfe in Amerika gehofft hatten, sich getäuscht finden mussten. Ja, es ist leider eine traurige Wahrheit, da viele Tausende, welchen es in Europa nicht möglich geworden, die amerikanischen Verhältnisse in ihrer nackten Wahrheit kennen zu lernen, oder ihre Auswanderung zu vermeiden, in den nördlichen und westlichen Staaten ihre Tage unter fruchtlosen Wünschen, Elend und Entbehrung irgend welchen freundlichen Trostes enden. Denn besonders in Zeiten allgemeiner Geldkrisen werden, wie vorhin angedeutet, in den besiedelteren Staaten und großen Städten die armen Einwanderer als eine Pest und eine Steuer auf die Einwohner erachtet und wohl dem, der die Einsicht, Kraft und Mittel hat, in unbesiedelteren Gegenden sich an, zubauen und einen gesunden Platz zu wählen.

      Köln, 1857.

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New York - Coney Island

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New York - East River

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New York - Hafen 1

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New York - Hafen

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