Enthaltsamkeits-Vereine und ihre Gegner

Doch sei hier zum Ruhme der Amerikaner erwähnt, dass, obgleich sie verhältnismäßig vom Branntweintrinken am Gegner wenigsten zu leiden haben, sie dennoch vorzugsweise es sind, welche das Übel erkennen, alles aufbieten, um den Kleinverkauf berauschender Getränke zu erschweren, zu beschränke, durch die von Jahr zu Jahr mehr zunehmende Einführung der Temperenz (Enthaltsamkeits-) Vereine und Gesetze, zum Verbot und enormer Besteuerung des Kleinschanks berauschender Getränke. Wie ganz anders verfahren dagegen die Deutschen. In fast allen großen Städten der Union haben sie mit einer waren Berserker Wut gegen alle derartigen Bestrebungen getobt. Temperenz und Sklavenfrage sind die beiden Aushängeschilder, womit die politischen Agitatoren den Unverstand der großen Massen, zum eigenen Verderben, in steter Gärung halten, und für ihre Zwecke missbrauchen. Wie mancher blutige Kampf hat dadurch veranlasst, bereits Statt gehabt. Für oder gegen Temperenz oder Sklavenfrage ist das große Losungswort, welches bei jeder Wahl so unglaublich viele Opfer an Menschenleben erheischt. Und wer kann sich wundern, wenn man die blinde, leidenschaftliche Wut, womit die deutschen Massen gegen jede Beschränkung des Verkaufes geistiger Getränke toben und schimpfen, gesehen hat, dass der Amerikaner die Deutschen als unverbesserliche Biersöffer zu erklären so geneigt ist. Wer kann
sich wundern, dass man nach jahrelanger Erkenntnis eines, mit der Einwanderung immer wachsenden Übels, und nach stetem Bestreben der Amerikaner, dies Übel möglichst unschädlich zu machen, ja sich selbst, zum Wohle des Ganzen, Beschränkungen aufzulegen, der ewige rohe Widerstand der Deutschen, endlich den Zorn und die Verachtung der denkenden Amerikaner hervorrufen muss. Die Deutschen, temperenzfeindlichen Massen mit ihren Blättern und Führern, sprechen dem Amerikaner allen Verstand in dieser Sache ab, oder suchen gelegentlich die Temperenzbestrebungen als bloß von der Geistlichkeit angeregt zu schildern, um diese um so mehr verhasst zu machen. Ob aber die in der ganzen Union verbreiteten Temperenzbestrebungen so vernunftlos und dem Gemeinwohl feindlich sind, mögen folgende Zahlen zeigen, welche einem amerikanischen Berichte von 1825 entnommen, also bereits 31 Jahre alt sind, und vielleicht diesseits die amerikanischen Temperenzbestrebungen in einem ganz andern Lichte zeigen dürften.

Von 1.061 Kriminalverbrechen, welche 1825 vor den Gerichtshofe in der Stadt New York verhandelt worden, waren mehr als 800, also 4/5 mit Trunk und Völlerei verbunden, und in solchem Zustande verübt worden. Die im Staate Massachusetts durch unmäßigen Genuss geistiger Getränke in Armut und Bettelei Geratenen kosteten 1825 dem Staate mehr als 12 Million Dollars.


Die Anzahl der Menschenleben, welche jährlich in Massachusetts in Folge unmäßigen Genusses geistiger Getränke zerstört werden, werden in jenem Berichte nach ärztlichen nachweisen auf 10.000 angegeben, und wird jeder Patriot und Menschenfreund aufgefordert, diesem, in allen großen Städten der Union so schreckliche Verheerungen und Verluste herbeiführenden Übel zum Wohle der Menschheit entgegen zu wirken. Dass das Übel aber mit der seither Stattgehabten ungeheuren Einwanderung, besonders aus Irland, in ungeheurem Maße zugenommen hat, kann wohl nicht bezweifelt werden. Ob demnach die Amerikaner mit dem Bestreben, den Kleinverkauf geistiger Getränke, das Wirtshausleben überhaupt zu beschränken, edlere, vernünftigere Zwecke verfolgen, als die tobenden schimpfenden deutschen Winkelblätter mit der Masse der eingewanderten deutschen Jugend, unter denen sich manche Turner besonders auszuzeichnen pflegen, möge jeder selbst beurteilen.