Kann die vielgeprüfte persönliche Freiheit in Amerika Jedem zu gleichem Nutzen gedeihen? Was ist von den mitunter veröffentlichten Attesten von Auswanderern, welche über Liverpool nach Amerika befördert werden zu halten?

Es kann nämlich Niemand anderswo als in der County (Grafschaft) wo er seinen Sitz hat, verklagt werden und muss die desfallsige richterliche Ladung dem Beklagten persönlich behändigt werden, und müssen ferner die Zeugen in den Person erscheinen. Aus dieser, so viel mir bekannt, in der ganzen Union bestehenden gesetzlichen Bestimmung entstehen meist die größten Schwierigkeiten zur Verfolgung irgendwelcher Klage von Belang. Die Countys resp. Grafschaften, worin jeder Staat geheilt ist, sind in den besiedelten Staat, meist nur wenige Meilen groß und ist es sonach leicht, wenn von der beabsichtigten Klage unterrichtet, dass der zu Verklagende sein Domizil in einer andern Grafschaft, (County) wähle, und muss alsdann bei dem dortigen Richter die Klage vorgebracht werden. Dieser ist indes dann wieder nicht im Stande, die etwa in dem früheren Domizil wohnhaften Zeugen, welchen ebenfalls die Ladung persönlich behändigt werden muss, vorzuladen usw. Ferner ist, wie gesagt, das persönliche Erscheinen der Zeugen vor demjenigen Gerichte, wo die Sache verhandelt und zum Urteilsspruche gelangen soll, unerlässlich, widrigenfalls der Angeklagte, selbst im Falle eines öffentlich begangenen Mordes, freigesprochen wird.

So wurde ein englischer Schiffskapitän, der einen deutschen Matrosen am hellen Tage an einen Strick gebunden im Hafen und Angesichte New Yorks so lange untertauchen ließ, bis er ertrank, im Frühjahre 1854 von der Klage freigesprochen. Die Schilderungen von der Herzlosigkeit und Tyrannei, womit die englischen Schiffskapitäne nach den einstimmigen Aussagen der über Liverpool oder sonstigen englischen Häfen kommenden Einwanderer die Passagiere behandeln und oft systematisch aushungern lassen, sind wahrhaft entsetzlich und erscheinen nur glaubhaft, wenn man die Berichte der von dem engl. Parlamente eingesetzten Kommission zur Untersuchung der Wirtschaft der Ostindischen Compagnie liest, dass die Steuereintreiber dieser Compagnie sich gegen die Unglücklichen mit Steuerzahlung in Rückstand befindlichen Inder Foltern und Martern erlauben, die an Grausamkeit und Verruchtheit nur in den krassesten Zeiten der Hexenprozesse ihres Gleichen finden. Zur Ehre der Wahrheit sei es gesagt, ich habe nie und in keinem Staate der Union auch nur einen Menschen gefunden, der nicht mit Schaudern von seiner Überfahrt auf englischen Schiffen gesprochen, der nicht mit der größten Verachtung von der entsetzlichen Lasterhaftigkeit, Raub- und Zanksucht der Irländer und dem sie begleitenden, und dadurch den mitfahrenden deutschen Auswandern mitgeteilten Ungeziefer mit Ekel und Entrüstung gesprochen hätte. Ich habe wiederholt Leute gesprochen, welche von Hamburger und Bremer Reedern, deren Schiffe in Liverpool oder einem sonst englischen Hafen anlegten und dort noch irische Auswanderer aufnahmen, befördert worden waren und bei den betreffenden Konsuln in New-York lobende Atteste bezüglich der Beförderungs- und Behandlungsweise auf dem Schiffe, zur Veröffentlichung in deutschen Zeitungen, im Interesse der gen. Reeder unterzeichnet hatten. Sie alle aber erklärten, dass sie, von Geldmangel gezwungen, sich den desfallsigen Offerten des sie begleitenden oder des in New York fungierenden Agenten gegen Bezahlung unterzogen hätten.


Der amerikanische Schiffskapitän ist in Folge seiner Erziehung oft hart, aber der englische Schiffskapitän ist durchweg gegen deutsche Auswanderer nicht nur stolz und sich in roher Weise selbst überhebend, er ist grausam, meist herzlos und verworfen. Doch, kehren wir zur Gerechtigkeitspflege in Amerika zurück. Nicht lange nach dem vorhin angeführten Ertränken eines deutschen Matrosen im New-Yorker Hafen, brachte ein anderer englischer Kapitän, deutsche und irische Auswanderer nach New York. Er hatte die Passagiere aufs unmenschlichste behandeln, halb verhungern lassen, mehrere stark verwundet. Abgesehen von denen, die in Folge einer teuflischen Handlungsweise Ruhe in den Fluten des Ozeans gefunden hatten, befanden sich die Überlebenden in beispiellos bejammernswertem Zustande.

Der Kapitän hatte einen deutschen Matrosen an Bord, welcher in Folge von stets mit der größten Ergebenheit ertragenen Prügel und endlich sowohl vom Kapitän, als vom 1. und 2. Steuermann ihm beigebrachten schweren Verletzungen am 3. Tage nach der Ankunft in New-York im Spitale den Geist aufgab. Auf Grund der ärztlichen Aussage, dass niemals Auswanderer in bejammernswerterem Zustande in New-York gelandet seien; auf Grund der einstimmigen Aussage der Passagiere über die grauenerregende Behandlung, welcher sie während der Reise ausgesetzt gewesen und der fernerhin durch den sterbenden Matrosen gemachten und von den Passagieren bestätigten Erklärung, dass der unglückliche Matrose, nur weil er ein Deutscher war, die grausamsten Misshandlungen und endlich die tödlichen Verletzungen erlitten habe, wobei er bis zur Landung in New York stets tätig gewesen, leitete der Präsident der deutschen Gesellschaft die Klage gegen den gen. englischen Kapitän und die beiden Steuerleute ein.

Haftbefehl ward erteilt, eine Kaution für das Erscheinen der Beklagten vor Gericht ward bestimmt und von denselben gestellt. Ein allgemeiner Schrei der Entrüstung durchströmte die ganze deutsche Presse und das Publikum. Als indes nach einiger Zeit die Sache vor dem Schwurgerichte zur Verhandlung und zum Urteilsspruch kommen sollte, erschienen die früher vernommenen Zeugen nicht, weil entweder ihre Mittel ihnen das Verbleiben in New York bis zum Gerichtstermine nicht gestatteten, oder, weil Helfer und Helfershelfer des Kapitäns und der Steuerleute durch Geld den als Zeugen auftretenden Einwanderern die ihnen widerfahrene Unbill und den inzwischen an seinen Wunden gestorbenen Matrosen hatten vergessen machen. Die drei Verklagten erschienen allein und wurden so, trotz alledem und alledem, freigesprochen. Das ist die unparteiische, amerikanische Justiz, das ist auch eine Seite persönlicher Freiheit!

Auf dieselbe Weise wurden auch wiederholte Klagen wegen Prellereien a la Rischmüller zu Nichte.

Es dürfte vielleicht für Manche nicht überflüssig erscheinen, etwas näher zu betrachten, ob Bestimmungen wie die persönliche Behändigung der Ladung an den Beklagten, dass nur in der Grafschaft, worin der Beklagte seinen Wohnsitz hat, geklagt werden und endlich, dass jeder Verbrecher gegen Kaution auf freiem Fuße belassen werden kann, Bestimmungen sind, welche wirklich allen Staatsbürgern, dem Armen wie dem Reichen in gleichem Grade zu gut kommen oder, die allgemeine Sicherheit fördernd, erachtet zu werden verdienen. Was die persönliche Behändigung der Ladung anbetrifft, so scheint sich dieser der Arme wie der Bemittelte, vorausgesetzt, dass der Arme ebenso umsichtig sei, zeitweilig entziehen, auch Domizil wechseln zu können. Was dagegen den 3. Punkt, die Kaution anbelangt, so wird diese in schwierigen Fällen für den Armen unmöglich, weil ihre Höhe sich nach dem Grade des Vergehens oder Verbrechens richtet, und muss in diesem Falle der Arme, wenn man einmal einer habhaft geworden, ihn vor den Richter gebracht hat, bis zur Zeit seines Urteils in Haft bleiben. Eben so wenig hat er Mittel, die etwa gegen ihn vorhandenen Zeugen verschwinden zu machen, während dem Bemittelten die zu stellende Kaution, falls man seiner habhaft geworden, die Freiheit wieder gibt und ihm dann bis zur Verhandlung vor dem Schwurgerichte Zeit und Muße lässt, nach Befinden die Zeugen verschwinden zu machen oder die Geschworenen zu gewinnen, oder, wenn dies nicht möglich oder zu hohe Opfer erfordern sollte, selbst das Weite zu suchen. Im ersten Falle stellt er sich durch ein freisprechendes Urteil vor fernerer Verfolgung sicher, im letzten wird der, mehr als irgendwo blinden Justiz die Waffe und mit der hinterlassenen Kaution das Verbrechen gesühnt.