ANTWERPENER SCHULE (?), Die Anbetung der Hirten

ANTWERPENER SCHULE (?)
(um 1625)
Die Anbetung der Hirten
Leinwand: h. 1,65, br. 1,88 m

So sehr sich auch Ausgezeichnete Kenner seit langem bemüht haben, dem Autor dieses rätselhaften Bildes auf die Spur zu kommen, ist es ihnen doch bis heute noch nicht mit voller Sicherheit gelungen. Alle aber stimmen einmütig in der Bewunderung des eigenartigen Werkes überein. Maria, die einen etwas verschwommenen, italienischen Typus zeigt, und das Kind mit dem hässlichen Kopf sind das wenigst Erfreuliche daran, bewundernswert dagegen die Hirten, vor allem ihre weibliche Gefolgschaft. Das Mädchen, das mit der schimmernden Messingkanne auf dem Kopf von links her schreitet, der sich nach ihr umdrehende Hirte mit dem Dudelsack an der Seite, gleichfalls nach dem neugeborenen Welterlöser strebend, zwischen ihnen der Hund mit dem, den Beschauer energisch fixierenden Porträtkopf, im Mittelgrund der dem verehrten Kinde nähere Hirte mit einem Lamm, das er ihm darbringen will, auf den Armen, der ehrwürdige Alte mit dem grauen Bart, der den abgenommenen Hut demütig in die Höhe hält, vor ihm ganz vorne kniend ein zweites Mädchen, das dem göttlichen Knaben ein geschlachtetes Huhn und einen Korb voll Eier opfert, sie alle sind Volkstypen von so überzeugender Wahrhaftigkeit, von so packender malerischer Konzeption und eigenartiger Schönheit, dass wir uns erstaunt fragen müssen, wie es möglich sein kann, dass der bedeutende Künstler, der dies Werk geschaffen, unbekannt ist. Es war früher auf Jordaens, dann auf Gaspar de Crayer getauft und ist heute mit Fragezeichen „Antwerpener Schule“ genannt. Jedenfalls stammt es von einem Niederländer, der italienische Einflüsse aus der naturalistischen Richtung des Caravaggio empfangen hat. Wenn auch nicht von schlagender Überzeugungskraft, so doch weiterer Erwägung wert scheint ein Vorschlag zu sein, der auf Grund dieser Erkenntnis in letzter Zeit gemacht wurde: — Schreiber dieses hat nämlich an Jan Lys, genannt Pan, als Autor dieses merkwürdigen Bildes gedacht, an jene geniale Proteusnatur, welche in ihrer kurzen Laufbahn nur wenige Werke geschaffen hat, die aber merkwürdigerweise unter sich ganz verschiedenartig sind, was auch bei den drei hiesigen zutrifft.


Sandrart verlegt dieses aus Hoorn in Holland stammenden Malers Geburtsort irrtümlicherweise nach Oldenburg, macht aber, da er selbst mit ihm in Venedig zusammen lebte, folgende authentische Mitteilungen über seine interessante Art zu arbeiten: „Er hatte im Gebrauch, sich lang zu besinnen, eh er seine Arbeit angefangen, hernach, wann er sich resolvirt, ließe er sich nichts mehr irren; da wir zu Venedig beisammen wohnten, blieb er oft zwey oder 3 Tag von Haus, und käme dann bey Nacht ins Zimmer, setzte sein Palett mit Farben geschwind auf, temperierte sie nach Verlangen, und verbrachte also die ganze Nacht in Arbeit. Gegen Tag ruhte er ein wenig, und führe wieder 2. oder 3. Tag und Nacht mit der Arbeit fort, so dass er fast nicht geruhet, noch Speise zu sich genommen dawider nichts geholfen, was ich ihm auch zuspräche, und remonstrierte, dass er sich selbsten Schaden täte, Gesundheit und Leben verkürzte, sondern er verharrte bei seiner angenommenen Weiß, blibe etliche Tag und Nacht weiß nicht wo, aus, biß der Beutel leer worden; alsdann machte er wiederum seinem alten Brauch nach, aus der Nacht Tag und aus Tag Nacht. Also habe ich mich von ihm nach Rom begeben, dahin er zwar versprochen, sobald die angefangene Arbeit würde vollendet sein, mir nachzufolgen, aber das widrige Glück verhinderte seinen Vorsatz, indem die An. 1629 entstandene große Pestilenz diesen unordentlichen Johann von Lys, neben andern, hingerißen.“ O. E.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie