ANTONIUS VAN DYCK, Sebastian Leerse mit Frau und Kind

ANTONIUS VAN DYCK
(1599 — 1641)
Sebastian Leerse mit Frau und Kind
Leinwand: h. 1,10, br. 1,62 m

Die Kasseler Galerie ist reich an besonders hervorragenden Bildnissen van Dycks, sowohl der italienischen als der Antwerpener Zeit. Das anmutigste darunter ist ohne Frage das des Sebastian Leerse mit Frau und Kind. Er war 1631 Almosenier von Antwerpen, gemalt wurde das Bild aber vermutlich schon zwischen 1628 und 1630. In dieser Zeit hatte sich van Dyck wieder gern und mit großem Erfolg dem bürgerlichen Milieu seiner vlämischen Landsleute anbequemt, nachdem er zuvor in Genua einen sehr glücklichen Anlauf zum Maler der vornehmen Gesellschaft genommen hatte, wozu sein persönlicher Geschmack offenbar besonders inklinierte. Später, als er in England für den Hof und die Aristokratie arbeitet, ist die Porträtkunst van Dycks mehr oder weniger eine durch die Hofluft bedingte vornehm-gebundene, repräsentativ-posierende geworden, was aber bekanntlich nicht ausschloss, dass er auch in dieser Sphäre Leistungen höchster Qualität zeitigte. Die Leerse'sche Familiengruppe, unvergleichlich in der Geschlossenheit malerischer Erscheinung, stammt aus des Malers bester vlämischer Zeit. Die Ehegatten und ihr junger Stammhalter bilden einen Dreiklang in Farbe und Ausdruck, wie man ihn wohltuender sich nicht denken kann. Die Mienen der Dargestellten sind gesättigt von Daseinsbefriedigung und das Auge des Betrachters ruht mit freudiger Genugtuung auf diesem wundervollen Bilde innerer und äußerer Harmonie. Das reichliche Schwarz der damaligen Tracht hindert van Dyck nicht, eine Wärme des Tones zu erreichen, wie sie in einer Skala farbiger Lokaltöne kaum denkbar ist, wobei freilich das feine, vornehme Inkarnat der Köpfe, das tiefe, satte Grün des Knabengewandes und der bräunlich goldene landschaftliche Hintergrund dem malerisch nuancierten, durchleuchteten Schwarz die erwünschte Ergänzung und Belebung geben. Eine alte gute Kopie unseres Bildes in Frankfurt a. M. galt längere Zeit dort als Original, oder wenigstens als gleichwertige Wiederholung des hiesigen Werkes. Sie gelangte durch Schenkung aus der Familie Mannskopf in den Besitz des Städelschen Kunstinstituts, wo sie jetzt ihre richtige Einschätzung als Kopie erhalten hat. In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sagte einmal Lenbach angesichts dieses van Dyck zum Vorstand der Kasseler Galerie: „Wir Heutigen sind nicht wert, den Alten die Schuhriemen zu lösen!“ Wenn ein Mann von dem berechtigten Selbstbewusstsein eines Lenbach solches sagte, muss wohl etwas Wahres daran sein. O. E.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie